Samstag, 16. Juni 2012

Wie schnell alles geht.

Jetzt ist im Badischen die Kirschenzeit angebrochen. Die Spargeln sind schon dabei, sich zu verabschieden. Himbeeren sind aufgetaucht. Bald ich auch die Bühler Frühzwetschge dran. Dann geht es durch den Sommer. Dann ist der Herbst gefragt, und der Winter, mit seiner Weihnachtspanik, produziert schon im Oktober die Zimtsterne. Da soll man nicht merken, dass alles viel schneller geht als früher?


Als Kleinkind - ich konnte gerade stehen - gab mir Mama mal die Flasche, voll warmer Milch, zu halten. Ich blickte von einem Hocker auf den Boden und dachte (jawohl, ich habe schon als Baby gedacht), was passieren würde, wenn ich die Milchflasche einfach hinunterwürfe. Ich tat es, Mama kam herbeigesprungen und deutete auf die Scherben. Außerdem lachte sie gnädig, obwohl meine Provokation etwas kontraproduktiv war. Zum Glück verspürte ich die elterliche Liebe. Ich musste nicht darum ringen. Auch Großeltern, Tanten, Onkel und Nachbarn gehörten zu den Sympathisanten. Die Kindheit schien endlos.

                                          Pubertät war angesagt. Auch das ging gut. Der Anstandsunterricht, als Nebenprodukt der Tanzstunde, war nicht nötig. Ich wusste schon, wie man sich benimmt. Meistens. Eine aufregende Zeit begann, denn die Mädchen traten als Vertreterinnen eines anderen Geschlechts auf und sorgten für Verwirrung. Ach ja, welchen Beruf hatte man sich ausgedacht? Plötzlich wurde man gesiezt und wie ein Erwachsener behandelt. Dann der Beruf, die Heirat, die Kinder. Viel Arbeit, alles in allem.

Dann werden die Kinder groß. Es gibt einen ersten Infarkt. Es kann auch ein Magengeschwür sein. Die Großeltern leben nicht mehr, die Eltern werden gebrechlich. Sie gehen für immer, und man ist allein. Die Perspektive dreht sich. Aber auch die Enkel werden schnell größer. Der erste (ein cleveres Mädchen) studiert schon, und das Interesse für den alternden Menschen lässt etwas nach. Man fällt aus der Zeit. Noch ein wenig Creme gegen die Falten. Frauen haben drastischere Mittel, das "Ageing" hinauszuschieben. Im Fernsehen wird ohnehin immer geschminkt und in der Regel sieht man dort über 10 Jahre jünger aus als man ist.

Wie konnte es passieren, dass aus dem einst von Eltern gehätschelten Kind ein brüchiges Gestell wurde, das täglich seine Tabletten schluckt, sich über reife Kirschen freut, mit seiner Frau, die immer noch etwas verwirrend auf Männer wirkt, am Frühstückstisch sitzt und Debussy hört? Etwas Glück ist geblieben. Aber, warum geht alles so schnell?


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen