Montag, 18. Juni 2012

Kama Sutra - was für ein Skandal!



Der deutsche Übersetzer hatte sich über einige Stellen so geschämt, dass er sie nicht ins Deutsche, sondern ins Lateinische übersetzte, was dann nur die Gebildeten verstanden. 1884 war ein Richard Francis Burton der Übersetzer aus dem Sanskrit in das Englische. Schlüpfrigkeit war dabei nur ein Aspekt. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass unsere Kirchen, sowohl die ganz rechtgläubige, als auch die reformierte, das Geschlechtliche als eine schamlose Überschreitung menschlichen Tuns ansahen. Man kam als Katholik aus dem Beichtstuhl nicht mehr heraus, wenn man sich auf solchen Schweinkram einließ. Kamasutra als einfache Verse des Verlangens zu orten, ist zwar richtig, trifft aber nicht jenen Aspekt, der die einen erröten, die anderen sich in dunklen Ecken verstecken ließ. Nein, das Kamasutra ist, was die erotische Liebe betrifft, ein erheblicher Teil unserer Weltkultur.

Vermutlich hat sich der Dichter Vatsyayana Mallanaga irgendwann zwischen 200 und 300 nach Christus an das Werk gemacht, nichts ahnend, was die Spätfolgen für Europas Unschuld und Nachtruhekultur sein könnten. Für manche, wie etwa für mich als Zehnjährigem, war schon das Wort Kamasutra mit Schmutz behaftet, bedeutete es doch das hemmungslose Sichhingeben an Ichweißnichtwas. Und die Wissenden unter uns, hatten das Buch in einer gefälligen Ausgabe gelesen und geschwiegen.

Das Herkunftsland von Kamasutra ist also Indien, das mir auch heute noch recht prüde vorkommt. Während in der westlichen Welt auch mal Noten über den Straßenstrich verteilt werden und kleine Mädchen offen mit ihrer ersten Blutung protzen dürfen, wird Sex in Indien wie eine heiße Kartoffel behandelt. Der intime Indienkenner Mark Tully (India's unending Journey - Indiens endlose Reise) hat den Autor, Vatsy..(ich wiederhole diesen Namen nicht!) als einen seriösen Forscher menschlichen Verhaltens geschildert, der vor allem die vier Hauptaspekte zur Erlangung eines guten Lebens hervorhob: "dharma", oder die Tugend und die religiöse Entfaltung, "wartha", oder die Prosperität, "kama", das Verlangen, die Liebe und das Erotische an sich. Das eigentliche Endziel war das "moksha", die Befreiung von Leid und dem Zyklus von Tod und Wiedergeburt.


Also kein Schweinkram, wie wir gerne glauben möchten, obwohl die gängigsten Stellungen nicht nur aufgezählt und beschrieben, sondern auch drastisch in Stein gemeißelt sind, außen und innen. wenn man einen der unzähligen Tempel besucht. So heisst eine berühmte Stellung, von der unsere Großmütter nicht einmal träumen konnten, "die Rossantilope", oder "der Schmetterling". Bei größerer sexueller Ausdauer kann man auch noch den Patronengurt, die Anbetung oder den Klammergriff anwenden. Alles Dinge, die das Leben sauinteressant machen können. Man hüte sich jedoch davor, in Indien von Kamasutra zu sprechen. Ein müdes, gelangweiltes Lächeln huscht dann über das Gesicht des oder der glutäugigen Einheimischen. 

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