Freitag, 27. April 2012

Dresden vor einem Jahr


Erinnerungen sind etwas schönes. 1962 hatte ich das weitgehend zerstörte Dresden gesehen. Mein Herz hat geblutet, dabei hatte ich mit Dresden nicht viel zu tun. Dann, im vergangenen Jahr fuhren Cath und ich dorthin: eine wiedererstandene Stadt kam uns entgegen, mit allem Charme einer kunstgeschwängerten städtischen Schönheit aus alten Zeiten. Das Elbflorenz, wie es schon immer genannt wurde, und das diesem Ehrentitel mehr als gerecht wird.

Die Buchhandlung Walther König im Residenzschloss bietet alles, was den Lesehungrigen interessiert. Im Antiquariat hatte ich seinerzeit aus Neugier Band II der Ausgewählten Werke des W I Lenin, ein wahrlich stattlicher Band von sage und schreibe 1063 Seiten, die ich für 6 Ost-Mark erstand. Es dauerte recht lange, bevor ich Zeit und Muse fand, darin zu schmökern. Das meiste könnte man heute als langweilige, unverständliche und bürokratische Ergüsse abtun, gäbe es nicht den gelegentlichen Hinweis auf die Realität, wie sie uns auch heute noch beschäftigt. Dagegen kann das Kapitel "Die revolutionäre Vaterlandsverteidigung und ihre klassenmäßige Bedeutung" getrost überblättert werden. "Die Nationalisierung der Banken" erweckt jedoch neues Interesse. Im ersten Absatz heißt es bereits: "Von einer 'Regulierung des Wirtschaftslebens' sprechen und die Frage der Nationalisierung der Banken umgehen, heißt entweder krasseste Unwissenheit an den Tag legen oder das 'einfache Volk' mit hochtrabenden Redensarten und einem Schwall von Versprechungen betrügen, die man von vornherein nicht zu halten beabsichtigt" (Seite 96, Dietz Verlag Berlin, 1959). Solche Rede könnte auch heute den Redeschwall mancher Banken beflügeln. Dass das 1959 erschienene Werk schon 1962 im Antiquariat angeboten wurde, spricht Bände. Für 1 DM-Ost erhielt ich also den Gegenwert von 177 Seiten Lenin. Preiswert, preiswert!


Als ich letztes Jahr in der Buchhandlung war, ging es da unpolitischer zu. Ich fand ein bemerkenswertes Büchlein, in dem ich vor dem Einschlafen immer wieder blättere. Nur 235 Seiten haben mich harte 14,99 € gekostet: "Taschenatlas der abgelegenen Inseln" von Judith Schalansky, die Seite also für etwas mehr als 6 Cent. Dafür kann ich Judiths "Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde" nachlesen und mich an der Mischung von Tatsachen und eingebildeten Fantasien ergötzen. Zum Beispiel, die Rudolf-Insel, (russisch: Ostrow Rudolfa), 297 km2, total unbewohnt, mit einem Berg, der 461 m hoch ist. Die Insel(Gruppe) wurde 1874 während einer österreichisch-ungarischen Nordpolexpedition von Julius Payer und Carl Weyprecht entdeckt und inselt nun etwa 600 km östlich von Spitzbergen so vor sich hin.

Andererseits könnte man sich für die wärmere Osterinsel interessieren, die zu Chile gehört und auf der 3791 (???) Einwohner leben, die ihre Insel gerne "Nabel der Welt" nennen. Die Hauptstadt nennt sich Hanga Roa. Dort soll vorerst keine U-Bahn gebaut werden, wegen der hohen Kosten. Oder, für die ebenfalls wärmere Weihnachtsinsel, diesmal mit 1402 (???) Einwohnern. Hauptort ist Silver City. Dort weiß man alles über die gelbe Spinnerameise, die zu den hundert schädlichsten Schädlingen gehört. Die besitzt die Frechheit, sich eigene Schildlauskolonien anzulegen, von denen sie leben. Brrrrrr! Was es nicht alles gibt.






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