Montag, 15. August 2011

Reif für die Insel - so einsam sie auch sein mag


Wer hat nicht schon davon geträumt, auf einem einsamen Eiland mit dem Allerwertvollsten gestrandet zu sein? Einer schnuckeligen Geliebten? Einem herrlichen Buch? Einem gedeckten Tisch voller Köstlichkeiten? Für wie lange? Wird es regnen? Speien da Vulkane? Haben sich etwa Seeräuber dort versteckt? Taucht plötzlich einer vom Finanzamt auf und erhebt Gebühren? Plötzlich stellt man sich Fragen und ist froh, dass die festen Gestade, das vertraute Festland nicht so fern sind. Dann kommt man zur Besinnung und lässt den Inselgedanken wieder fahren.

Doch die Faszination bleibt. Fast hätte ich es unbeachtet aus der Hand gelegt, das Büchlein von Judith Schalansky. Zu spät. Ich kramte in einer Buchhandlung in Dresden herum und konnte mich einen Augenblick setzen. Da sah ich zuerst den Untertitel: "Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde".  Der Titel, dann: Taschenatlas der abgelegenen Inseln. Dafür soll man sich nicht interessieren? Ich, der ich zwanzig Jahre lang meine Freizeit in meinem Haus auf Zypern verbrachte? Das Inselgefühl hat man schon deshalb, weil man mit dem Flugzeug oder Schiff dort ankommt. Also kaufte ich das Buch von Judith Schalansky, der mir unbekannten Autorin aus Greifswald, mit der ich meine Leidenschaft teile: abgelegene Inseln. Einige wenige habe ich besucht, total unspektakulär, aber Insel. Zypern, der türkische Teil, ist eine Insel auf der Insel. Cath und ich werden diesen Herbst wieder ein paar Tage dort sein.

Alle anderen Inseln, die Judith Schalansky so mysteriös beschrieben hat, habe ich, wie sie, mit dem Finger bereist. Deshalb fühle ich mich ihr verbunden. Sollten wir nicht einmal zusammen eine davon aufsuchen? Darf ich DU zu dir sagen? Judith, es ist mir egal, welche Insel es ist. Auch Mario Simmel hat mit seinem Roman "Niemand ist eine Insel" etwas Bestimmtes gemeint. Den Titel hat er von John Donne abgekupfert, dem Metaphysiker aus dem 16. Jahrhundert, der ja auch Hemingway zu einem schönen Buchtitel verholfen hat: "Wem die Stunde schlägt". Wir umfahren weitläufig die Insel St. Helena, auf der Napoleon in der Verbannung starb, weil ihn die Engländer und Preußen bei Waterloo besiegt hatten. Davor waren wir schon an der Himmelfahrtsinsel vorbeigezogen, die auch im Atlantik (mittendrin) liegt, weiter um das Horn von Afrika und durch den Indischen Ozean. Dort drücken wir uns noch an der Weihnachtsinsel vorbei, und lange bevor wir auf der Osterinsel landen würden, die ja recht berühmt ist, machen wir auf einem Eiland halt, das den Namen Tikopia trägt.
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Jetzt lassen wir Judith sprechen: "selbst von der Inselmitte ist der Ozean zu hören", so winzig ist das Eiland, das zu den Salomonen gehört. Zwölfhundert Einwohner. Ein Dorf im Wasser. Schon vor über 400 Jahren von einem Pedro Fernández de Quirós entdeckt, hat sich die Bevölkerung stetig auf dem Stand von 1200 Menschen gehalten. Das scheint notwendig zu sein, denn aus Angst vor Wirbelstürmen oder schwerer Dürre erhängen sich die unverheirateten Frauen, und manche Väter unternehmen mit ihren Söhnen eine Seereise, von der sie nicht wieder heimkehren. Lieber sterben als langsam verhungern, meinen die Tikopier. Ich fasse damit Judiths schauerliche Geschichte zusammen. Weiß der Hugo, wo sie das aufgeschnappt hat. Ich könnte stundenlang in diesem Buch lesen. Dabei fällt mir auf, dass ich eine der von ihr beschriebenen Inseln wenigstens aus der Ferne gesehen habe: die nur 22o km von Spitzbergen entfernt liegende Bäreninsel. Dort hat Hans Freiherr von Berlepsch, der Erfinder des Vogelschutzes, 1908  unter anderem Halsbandregenpfeifer, Schmarotzerraubmöwen und Schneeammern gesichtet, das Vorkommen von Bären allerdings nicht bestätigen können. Es ist herrlich, sich mit abgelegenen Inseln zu beschäftigen. Man muss ja nicht hin. Danke Judith.


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