Sonntag, 8. Mai 2011

Dissertation und badische Küche

Es kommt nicht so sehr darauf an, ob es badische, mongolische oder mediterrane Küche ist. Das Ergebnis zählt. Zufriedene Gesichter und der erhabene Stolz der Köchin oder des Koches belegen das aufs Genaueste. "This meal was very interesting, indeed", genügt nicht. Ebenso wenig wie: "pas mal, cette bouffe", wobei in letzterem etwas Bewunderung mitschwingen darf. Das Erstere jedoch ist ein klares Todesurteil.

Worauf wollen wir hinaus? Ich werde heute meiner britischen Frau französische Wachteln auf mediterrane Art in Baden zubereiten. Darüber spreche ich jetzt lieber nicht, denn, wenn ich das Essen verhaue, müsste ich hier die Katastrophe eingestehen. Das will ich nicht. Schließlich gibt es noch eine Intimsphäre. Es geht mir eher um das schönste Plagiat, das es im Leben gibt: Rezepte ab zu kupfern, ohne den Autor benennen zu müssen. Auch Biolek brüstete sich oft mit seiner kochstarken mährischen Großmutter, die als Alibi diente, nur um zu verhindern, dass man ihm auf die Schliche kommt. Natürlich hat er alles nachgeschlagen.

Ich aber halte es mit der intellektuellen Redlichkeit und zitiere meine Quelle: Kochbuch mit Nahrungsmittellehre, zusammengestellt von Paula Horn, Vorsteherin des Badischen Fortbildungsschullehrerinnenseminars, Vierte Auflage, Verlag Boltze, Karlsruhe, 1927, Seite 96: Gebratenes Hähnchen. Da diese Dame in ihrem überaus kompetenten Werk die Wachtel als Speise nicht einmal  erwähnte, musste ich zur analogen Anwendung des Hähnchenrezeptes schreiten. Dank Johannes Gutenberg, der wohl um 1450 den Buchdruck mit beweglichen Metalllettern erfunden haben muss, wurde es bis heute möglich, ganze Passagen aus gedruckten Werken abzumalen, unter Vergessung der Quelle. Hat auch VergESSlichkeit mit Essen zu tun? Ich jedenfalls zitiere Paula Horn folgendermaßen: "Damit das Hähnchen (sprich: die Wachtel, der Autor) eine schöne Form bekommt, dressiert man es. Man faßt (sic!) in eine dicke Stopfnadel (ich fasse es nicht, der Autor) (besser Packnadel, die Autorin des Buches) einen feinen Bindfaden, sticht beim rechten Schlegelchen (nicht politisch gemeint, meint der Autor) oben im Kugelgelenk ein, führt die Nadel in die Bauchhöhle (nicht medizinisch werden, Frau
Horn!) und kommt beim linken Schlegelchen oben im Gelenk heraus.........Jetzt zieht man den Bindfaden hoch, sticht geschickt durch den rechten Flügel, heftet die Halshaut am Rücken fest und kommt beim linken Flügel heraus". Jetzt reicht es mir, Paula. So kann man heute nicht mehr kochen. Die Wachteln müssen ja irgendwann mal gar und essbar sein. Immerhin habe ich, indem ich dich zitiere, auch meiner längst verstorbenen Tante Maria ein kleines Denkmal gesetzt, denn sie war eine schlagfertige Kollegin und Konkurrentin von Paula. Und eine hervorragende Köchin.

Ich gehe also ohne Murren in das viel schicker aufgemachte Kochbuch von Rena Salaman, Healthy Mediterranean Cooking, und kupfere ab. Analog, denn auch diese Dame scheint noch nie etwas von Quails, oder auf Deutsch: Wachteln, gehört zu haben. Aber ihre Beize ist fetzig. Die nehme ich. Viel Knofi. Einzelheiten erspare ich mir. Herr Gutenberg, der von und zu Mainz, hat durch seine Buchdruckerei dies alles möglich gemacht. Ihm ein schönes Dankeschön (manchmal überwältigt mich mein eigenes Gefühlsgedusel) !

Nun zu meiner Doktorarbeit: Nicht der Rede wert, jedoch: zwei Jahre harte Arbeit. Drei Professoren haben ihre Nasen hineingesteckt. Der eine sagte: das ist mir zu journalistisch geschrieben. Der andere sagte "ja" und wurde von mir in den Stand des Doktorvaters erhoben. Der dritte war ein kompetenter Freund, der nur das Gute in mir sah. Mein Werk wurde angenommen, veröffentlicht und ist schon lange vergriffen. Glück gehabt?

Hoffentlich bin ich ebenso geschickt beim Wenden der Wachteln. Es sind vier, für zwei Personen, dazu frische Erbschen mit Karöttchen. Der Wein ein badischer. Das Ergebnis zählt.

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