Montag, 6. Juli 2015

Enthüllungsjournalismus - gibt es den noch?

Wer enthüllt, wühlt möglicherweise im Dreck. Etwas ans Tageslicht zu befördern, was die Betroffenen im Dunkeln tun, kann ziemlich widerlich sein. Es gibt so vieles was das Licht desTages scheut, vor allem wenn es um Profite geht. Menschliche Größe und Zurückhaltung sind da kaum auszumachen. Eher verschwörerische Zurückhaltung. Wenn Journalisten etwas aufdecken, müssen sie der Wahrheit gefährlich nahe kommen, sonst hat es keinen Sinn. Manche Enthüllung erfordert einen Riesenapparat, weil über geraume Zeit und international recherchiert werden muss. Paradebeispiele gibt es, doch stellt man oft fest, dass die Nachforschung oft auf halbem Wege stecken bleibt. Schwindendes Interesse? Befehle von oben? Juristischer Widerstand? Massiver Gegendruck?

Einst haben Journalisten davon geträumt, einer Sache bis auf den Grund nachgehen zu können. Manche Medien hatten einen Ruf, der ganze Teilender Gesellschaft zum Zittern brachte. Der gut Ruf durfte nicht verloren werden. Dann kam der Straßenjournalismus. Die Sensation musste knallen. Wenn's geht, jeden Tag eine neue. Die Schnelllebigkeit der Enthüllungen hat der Sparte nicht viel eingebracht. Zumal die großen Brocken unangepasst liegen blieben. Nun, es hat eigentlich immer schon immer alles gegeben, doch fällt auf, dass unter den Presseerzeugnissen man einfach die Mittel nicht mehr hat. Es gibt Auguren, die nur noch von den weltweit 10 besten Zeitungen und Zeitschriften sprechen: etwa der Guardian, die NZZ, die Süddeutsche, El Pais. Manche Länder haben solch seriöse Medien schon lange nicht mehr, wobei es vermessen klingt, eine solche Liste erstellen zu wollen. Auch manche Fernsehanstalten, etwa die RAI, hat schon lange keine politischen Magazine mehr. Allzu vieles würde jetzt unerwähnt bleiben, wenn man alle auflisten wollte, die nicht mehr die Mittel zum journalistischen Ehrgeiz haben.



Den SPIEGEL habe ich ausgelassen. Es gab Zeiten, da war dieses deutschsprachige Wochenmagazin frech, polemisch, aggressiv, aber immer vielseitig. Auch dieser Journalismus hat sich gewandelt, vielleicht, weil Blätter wie FOCUS dazwischen kamen? Mag sein. Der Spiegel kann auch politischen Gegnern einen fairen Prozess machen und, er hat sich nie gescheut nahestehende Politiker und sonstige Persönlichkeiten in die Pfanne zu hauen, wenn es angezeigt war. Hier hat er sich "besondere Verdienste" erworben. Besondere Verdienste heißt auch ein Artikel, den der SPIEGEL in seiner Nummer 25/2015 den Machenschaften einiger hoher Ex-Politiker gewidmet hat, die für Geld alle bereit waren/gewesen wären, für den kasachischen Diktator Nasarbajev Werbung zu machen.



Ein rühriger Handlanger dieses Diktators, der sein Netz in Wien gesponnen hat und dafür angeblich 14 Millionen € bekommen haben soll, brachte prominente Ex-Politiker zusammen, um gegen satte Honorare diese Unterstützung für Kasachstan zu organisieren. Das Unternehmen scheint nicht richtig geklappt zu haben. Es sei kein Geld geflossen, weil die Promis Lunte gerochen haben oder Bedenken kriegten. Unter den 10 Gesichtern waren die Deutschen Horst Köhler, Gerhard Schröder, Otto Schily und Peter Gauweiler. Sowie einige andere Europäer mit Rang und Namen. Mit drei von diesen Persönlichkeiten hatte ich zeitweilig eng zusammengearbeitet. Ich kann abschätzen, wie die Weitergabe von Interna einen Sturm von Hochverrat auslösen kann. Danach sind die Kontakte gestört, wenn nicht sogar für immer abgebrochen.

In Wien laufen die Fäden zusammen

Der SPIEGEL muss nicht ein geliebtes Presseorgan sein. Aber für solch investigativen, kostspieligen und mutigen Artikel, der unsichtbare Hintergründe bloßlegt, hat er sich "besondere Verdienste" erworben. Dieser Artikel hat mir den Glauben an journalistischen Mut zurückgegeben. Leider sind solche Qualitäten im modernen Journalismus abhanden gekommen. Es zählt nur noch was schon gegessen und noch nicht verdaut ist. Bravo, SPIEGEL, du bist vielleicht noch der einzige, der sich schmutzig macht!










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