Sonntag, 14. Juni 2015

Denk ich an Deutschland - denk ich an Österreich

Fast drei Jahre in Österreich, fast dreißig Jahre in Deutschland, den Rest habe ich in der Schweiz und in Frankreich verbracht. Ein Heinrich-Heine-Schicksal, wenn man so will. In seinem zehnstrophigen Gedicht, "Denk ich an Deutschland" im fernen Frankreich geschrieben, lässt Heinrich Heine seiner Sehnsucht nach der Mutter und nach seinem Vaterland freien Lauf. Heute empfindet man seine Verse als etwas rührselig. Der Deutschlandfunk lässt keinen Sonntag Morgen aus, um vor 9 Uhr jemand unter diesem Titel über Deutschland sprechen zu lassen, der ein besonderes Verhältnis dazu hat. Auch  freiwillig nach Deutschland Gekommene oder hier Hängengebliebene. Meist sind diese Beiträge kritisch bis selbstkritisch, von großer Achtung, ja Bewunderung geprägt. Ich lerne immer sehr viel, denn meine Abwesenheit von der Heimat, die irgendwann keine mehr ist, hat mir vieles vorenthalten.


Nicht Heinrich Heine, sondern der Bundespräsident Gustav Heinemann (1969-1974) hat einmal, als er gefragt wurde ob er Deutschland liebe, verärgert geantwortet: ich liebe meine Frau. Man kann ein Land nicht richtig lieben, wenn man dort nicht lebt. Doch kann man Heimat finden, wo man sich wohl fühlt. Zum Beispiel in Österreich, vor allem in Wien, der Stadt mit dem gewissen Etwas.

Viele sagen, es sei die gemeinsame Sprache, die uns trennt. Das ist Humor, denn unsere Muttersprache, die in so vielen Facetten und Dialekten daherkommt, verbindet uns. Manchmal mag es etwas schwierig sein, zwischen Fisolen und Bohnen oder Karfiol und Blumenkohl zu unterscheiden. Früher sagte man: tu felix Austria, nube! Das glückliche Österreich hat auch durch Heirat Weltrang erlangt. Das altbekannte Deutschland glänzte bis zum Wiener Kongress durch eine Vielfalt (über 40!) kleiner Staaten und Staatsgebilde. Die geschichtliche Entwicklung hat beide Länder an den Rand des Ruins gebracht. Vielleicht war es die gemeinsame Sprache, die uns in großer Not zur Seite stand. Beide Länder schrumpften, aber beide fanden auch zusammen in einem einmaligen Kulturaustausch: Hans Moser, Wolfgang Amadeus Mozart, Christiane Hörbiger, Franz Lehar, und ganze Heere von Künstlern füllten einen Kulturraum, der nicht durch nationale Unterschiedlichkeiten aufgeschlüsselt werden kann.


Der Wiener Schmäh, die fast balkanische Mentalität und die preussische Korrektheit, werden trotz gewisser Unverträglichkeiten durch einen vielschichtigen Kitt zusammengehalten. Das "Süddeutsche" in uns, von Frankfurt über Freiburg bis nach Innsbruck und Wien, lässt uns doch wie ein großes Volk erscheinen, wenn wir von hässlichen Kleinigkeiten absehen. Die Frankfurter Würstchen in Wien heißen in Frankfurt und im Rest Deutschlands Wiener. Oft kann man immer  auseinanderhalten, was österreichisch und was urdeutsch ist? Die sichtbaren Unterschiede, vom Dirndl bis zum Rheinischen Sauerbraten machen unsere Länder erst interessant.


Adolf Hitler (war er Österreicher?) wollte unsere Länder zusammenfügen. Das gefiel sogar vielen. Doch so ging es nicht. Aber nach all den Jahren des friedlichen sich Aushaltens, wo wir gezwungen sind, im Rahmen Europas mit den Dänen, Engländern, Polen und Franzosen, sowie weiteren 2 Dutzend Nationen zusammenzuleben, könnten wir es doch mit einer (wenn nötig) gleichgeschlechtlichen eheähnlichen Beziehung versuchen. Du glückliches Österreich, heirate Deutschland. Natürlich nur, wenn du es willst. Die Voraussetzungen sind bestens. Aber vielleicht geht es auch so.

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