Dienstag, 24. März 2015

Franz Kafka - das Ungeziefer.

Ich war zu jung, um zu verstehen, was Kafka wollte. Jetzt liege ich in meinem Bett, auf dem Rücken, schlaflos. Da fällt es mir wieder ein, das Buch. Die Verwandlung hieß es. Seit ich es las, lässt es mich nicht los. Ängste, Hilflosigkeit, Todesangst. Wenn man als Käfer erwacht, gelähmt, zum Zappeln verdammt. Nicht unmenschlich. Warum fühlt man sich gerade als kafkaeskes Insekt wie ein Mensch, der weggeschoben wurde? Hat es damit zu tun, dass in jedem von uns auch ein Jude steckt? Einer, der nur schwer seinen Platz findet? Oder ist es das andere Geschlecht, mit dem man nicht zu Rande kommt?

Sigmund Freud, auch ein Jude, doch nicht nur, musste auch Ängste verarbeiten. Auch er muss das Heraufziehen des Totalitarismus gespürt haben. Seine Selbstanalysen erinnern irgendwie an Kafka. Er musste aus dem naziverseuchten Deutschösterreich weg. Ein Leben war das nicht mehr. Wo blieben all die Identitäten? Nach Israel sind die wenigsten ausgewandert. Richtig glücklich wurden die wenigsten, bis auf manche Künstler. Die konnten ihr Ding machen und es der Welt schenken. Jehudi Menuhin, Leonard Bernstein. Seine West Side Story, oh Gott, wie schön! Die unsichtbaren Sehnsüchte Kafkas in Musik umgeschlagen. Seine ungelebte Liebe in musikalische Explosion geformt. Jugendliche Agressivität, nicht wie bei Franz Kafka, passiv, unartikuliert und hoffnungslos. Eben die fröhlich-kreative Seite (jüdischen?) Lebens.

Gustav Mahler, der lange an der Metropolitan in New York arbeitete, ein Spätromantiker und Moderner, ein Jude, der zum Katholizismus wechselte, hatte ähnliche Einflüsse auf mich. Ich konnte seine Kindertotenlieder nie vergessen. Wie stark sie mich beeinflusst haben. Meine Identität geprägt, die andererseits auch immer multikulturell und gleichzeitig einschichtig war. Kafka steht für die bürokratisch-existenziellen Ängste, die mich überkommen, wenn ich schlaflos auf dem Rücken liege. Sigmund Freud erinnert mich daran, dass wir in einem kollektiven Käfig des Unterbewussten sitzen, aus dem wir nur mit Schuldgefühlen ausbrechen. Gustav Mahler, das begabte Menschenkind, ständig verliebt, wunderbare Kompositionen, oft total schwermütig. Er ist ein ewiger Freund. Leonard Bernstein, der heitere Blick auf die dynamische Seite des Lebens, sehr romantisch angehaucht. Kosmopolitisch. Was ist so falsch daran, dass man sich auch mal wie ein Insekt fühlt, hilflos, antriebslos, hoffnungslos? Franz Kafka hat es uns vorgemacht. Die Verwandlung kann ja auch Metamorphose bedeuten. Umwandlung, statt Stagnation.

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