Donnerstag, 1. August 2013

Warschau, der Umschlagplatz für Mord

Das Wort Umschlagplatz hat im Deutschen eine harmlose, fast abstrakte Bedeutung. Ein Umschlagplatz ist der Ort, an dem Waren aller Art umgeschlagen werden. So weit, so gut. Wenn jedoch Menschen als Ware zum Umschlagplatz gebracht werden, haben wir es mit deutsch-polnischer Geschichte zu tun. In Warschau gibt es einen Gedenkort, wenig auffällig, der den Namen "UMSCHLAGPLATZ" trägt. Er erinnert an den Abtransport, zwischen 1942 und 1943 der Juden aus dem Ghetto in die Konzentrationslager. Betroffenheit kann kein passendes Wort sein, für das, was unter deutscher Besatzung in Warschau geschehen ist. Bestürzung, vielleicht, Erschütterung, tiefe Scham, endlose Trauer, lassen besser erkennen, was mit diesen unschuldigen Menschen gemacht wurde. Es waren Hunderttausende, die verschwanden, ausgelöscht wurden. Ein Umschlagplatz für geplanten, wohlüberlegten Mord.

Umschlagplatz: waren es 6 Millionen oder ein paar weniger?

Abstrakt ist die Geschichte, die nur die Zahl der Toten errechnet, die Zahl der Kriege, Niederlagen oder Siege. Unverständlich auch, wenn man zitiert, wer gerade regiert hat. Ein Hitler nimmt vielleicht mehr Platz in den Geschichtsbüchern ein, als ein Willy Brandt, der auf den Knien in Warschau um Vergebung gebeten hat. Hitler, Stalin, Mussolini, Franco sind nur die Spitze eines Eisbergs. Darunter haben viele Helfer, Zuträger, Mitläufer die Katastrophe von Warschau möglich gemacht. Manche der Schuldigen leben sogar noch! Im August 1944 haben die Polen einen Aufstand unternommen. Ich glaube, 200.000 verzweifelte und tapfere Kämpfer haben dabei ihr Leben verloren. Man wartete vergeblich auf den Einmarsch der Roten Armee. Sie kam nicht, und die Deutschen machten die Stadt dem Erdboden gleich.

Gedenken an die Gefallenen und Ermordeten im Osten
Bevor wir Warschau verließen, wollten wir das neue Museum der Geschichte der polnischen Juden besuchen. Es wurde gerade eröffnet, ist noch nicht ganz vollständig, wird aber schon lebhaft besucht. Zeugt von jüdischem Leben und von heldenhaften Taten. Die Feigheit muss auf die Seite der Kriegführenden gewechselt haben.

Haus der Geschichte der polnischen Juden

Das Warschauer Ghetto ist nur noch Geschichte. Es wurde dem Erdboden gleich gemacht und teilweise als moderne Stadt wieder erbaut. Beim Durchwandern stößt man immer wieder auf Gedenktafeln, die an das Schreckliche erinnern. Auch das einzige unzerstört gebliebene Haus des Ghettos ist ein Mahnmal, das unvergesslich bleibt. An den Fassaden sind noch siebzigjährige Einschusslöcher zu erkennen. Das Haus hätte auch in Hannover, Dortmund oder Pforzheim stehen können. Es wirkt immer noch vertraut. Die Schicksale, die damit verbunden sind, wer kennt sie noch?

Prozna-Haus: Der Rest des Ghettos
Kann über all diese Schrecken der Schleier des Vergessens oder Vergebens gebreitet werden? Ich glaube, kaum. Das friedliche Zusammenleben in einem europäischen Rahmen sollte uns alle anspornen, ohne Ansehen der Person, oder der Minderheit, oder des Volkes, ohne Aggressionen vermittelnd und verständnisvoll aufeinander zuzugehen. Als Deutsche oder Österreicher haben wir noch viel aufzuarbeiten, bevor wir es schaffen, als "normale" Bürger anerkannt zu werden. Wir müssen hinschauen, statt die Augen verschließen. Helfen, wo wir dazu in der Lage sind. Mit-Erinnerung betreiben.






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