Dienstag, 20. September 2011

Zypern, deine Tiere





Als Leonardo da Vinci 1481 die Insel besuchte, stand diese fast schon unter der Herrschaft Venedigs. Er soll den Vertretern dieses mächtigen Stadtstaates Ratschläge für einen Umbau Famagustas zur Festung gegeben haben. Dazu gehörte wohl auch der Einbau eines geflügelten Löwen aus Marmor über dem Tor, das zum Othello-Turm in der damaligen Hauptstadt Zyperns führte. Dieser venezianische Löwe ist in Zypern auch anderswo zu sehen. Ob es dort auch richtige Löwen gab, darf bezweifelt werden. Reisende aus dem 13. und 14. Jahrhundert berichteten jedoch von Jagdleoparden und Hirschen, die auf der Insel gesehen wurden. Daß es heute noch wildlebende Esel im Nordteil gibt, hängt wohl damit zusammen, daß das von ihnen bewohnte Gebiet ganz im Osten, der „Pfannenstiel“, nur ganz wenige menschliche Bewohner und auch kaum Touristen aufzuweisen hat. Diesen wenigen Eselchen wird von den dortigen Bauern auch noch das Leben schwer gemacht, denn sie verlassen das  ihnen zugewiesene Gelände gelegentlich, um auf unerlaubtem Gebiet zu grasen. Wenn man bedenkt, wie schwer es ein Wolf im immerhin wilden und unübersichtlichen bayerischen Wald hat, kann man sich gut vorstellen, daß so große Tiere in der schrumpfenden, weil für den Tourismus erschlossenen, Wildnis Zyperns kaum Aussichten auf Überleben haben. Nicht unbedingt in den Bereich der Sagen muß die Geschichte einer Britin verwiesen werden, die bei einem Picknick im Walde beim Beschparmak-Gebirge, dem Fünffingerberg (Pentadaktylon auf Griechisch), eine hundegroße dunkle Raubkatze gesehen haben will. Das Gebirge ist sehr zerklüftet und in großen Teilen unzugänglich. Die totale Abgeschiedenheit mancher Bergregionen, sowohl im Süden als auch im Norden der Insel eignet sich hervorragend für die Bildung von Legenden. Niemand würde die Energie aufbringen, einer fragwürdigen Behauptung entgegenzutreten, oder einer solchen Entdeckung nachzugehen.
Kamele sollen bis vor wenigen Jahren, im 2o. Jahrhundert jedenfalls, noch gesehen worden sein. Auch scheint es verbrieft, daß Elefanten und Flußpferde einst hier gehaust haben. Das Mufflon, eine in Zypern beheimatete Wildart, lebt jetzt naturgeschützt nur noch ganz vereinzelt im Troodosgebirge. Heute geht es vor allem um das Überleben anderer Vierbeiner, die bis in die Fünfzigerjahre auch in Deutschland als Suppe sehr geschätzt waren: Chelonia-Mydas, die Suppenschildkröte, und die am häufigsten auftretende Caretta caretta, auch unechte Karettschildkröte genannt. Diese kämpfen an den wenigen Stränden, die noch die Möglichkeit bieten, Eier abzulegen, um ihre Existenz. Dabei gibt es im Süden wie im Norden Tierschützer, oft aus Großbritannien, die alles tun, um diese sensationellen Tiere zu retten. Ob es gelingen wird, ist eine andere Frage. Meines Wissens ist Zypern überhaupt die einzige Mittelmeerinsel, auf der es solche Tiere noch gibt. In Spanien, Italien, Griechenland, der Türkei, sogar in Südzypern ist von den Meeresschildkröten so gut wie nichts mehr übrig geblieben. Inzwischen kann man sich über die Verhaltensweisen der Schildkröten ganz gut informieren. Die Zeit des Eierlegens beginnt im Mai und kann bis Mitte Oktober dauern. Die Eier werden liebevoll 30 bis 60 cm tief in den Sand gegraben, um dann etwa 50 bis 60 Tage Zeit zu haben für das Schlüpfen der Jungtiere. Von ca. 4ooo Schildkröten erreicht im Schnitt nur eine einzige die nötige Geschlechtsreife, um dann, nach 30 Jahren, wieder an den Geburtsort am Strand zurückzukommen und Eier abzulegen. Eigentlich dürfte es sie gar nicht mehr geben. Aber mit etwas Glück und viel Geduld, kann einem ein solches Tier von der Größe eines Rucksackes über den Weg laufen. Am besten ist es jedoch, sich mit dem Begutachten ihrer Spuren zu begnügen und die friedlichen Kriecher in Ruhe zu lassen.

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