Dienstag, 9. Januar 2018

Das 60ste Geschlecht.

Wo habe ich das gelesen? Ach ja, der Spiegel hat sich wieder mal mit der Geschlechtlichkeit des Menschen beschäftigt. Frauen, Männer und alles andere verkündet die erste Ausgabe im Neuen Jahr auf dem Titelblatt. Er behauptet, im Facebook könne man auf 60 verschiedene Geschlechtszugehörigkeiten zurückgreifen. Also, was bin ich?, lässt sich nicht mehr so klar bestimmen. Mann oder Frau, das klingt einfach, aber immer mehr(?) Menschen können damit nicht zufrieden sein. Was mache ich mit einer Geschlechtszugehörigkeit, die sich zwischen - sagen wir - 29 und 59 ansiedelt? Seit Tagen versuche ich, mir über meinen eigenen Zustand klar zu werden.

Mann? Frau? 
Nun, ich bin ein Mann. Was dann? Neige ich zur Weiblichkeit? Bin ich ein marodierender Geschlechtsumwander? Liebe ich Teegebäck? Und wenn ja, was bedeutet es für mich? Gibt es Anlässe, für die ich mich schämen muss? Was bin ich, wenn ich sowohl Männer als auch Frauen liebe? Das tue ich übrigens, wenn sie mir intellektuell angenehm genug sind und ein freundliches Lächeln für mich haben.  Ist es da wichtig, ob ich Frauenkleider trage? Ein BH käme für mich allerdings nicht in Frage. Das klemmt und dauert mir zu lange mit dem An- und Ausziehen.

Männerkleidung? Frauenkleidung? 
Wie weiblich darf man sein, um andere als Mann nicht abzustoßen? Ich hatte eine süße Kinderfreundin. Sie hatte ein burschikoses Lachen, eine tiefe Stimme, trug eine Lederhose und kletterte mit mir auf Bäumen herum. Für uns die normalste Sache der Welt. Geschlechtliches gab es zwischen uns nicht. Aber ich mochte sie sehr. Manchmal war sie tollkühn und inspirierte mich in meinem Knabendasein. Seit wir etwa 10 Jahre alt waren, haben wir uns nicht mehr gesehen oder etwas übereinander erfahren. Ich gehe aber davon aus, dass sie mit Begeisterung Zigarren raucht, sich gerne mit Männern anlegt und immer schon auf übertriebenes Make Up gepfiffen hat. Sie schien sich immer pudelwohl zu fühlen. Aus mir, meinerseits, ist ein Mann geworden, bei dem nie über seine Männlichkeit Zweifel aufkamen. Damit decke ich wohl facebookmäßig die ersten 25-30 Felder ab.

Klare Geschlechtsmerkmale? 
Kann es sein, um ein wenig zu vereinfachen, dass wir die Dinge nicht scharf genug sehen und es auch nicht sehen wollen? Wir wissen, dass ein Mann weinen und zarte Gefühle hegen darf, Schwächen für Goldkettchen und Weihrauchduft haben darf, Parfüm nicht verachten muss und in der Küche werkeln kann soviel er will. Frauen, ihrerseits, können es bis zur Staatspräsidentin bringen, Fallschirm springen und vieles Männliche nicht ausgeschlossen. Beim Orchesterdirigieren, Bahngleiseverlegen und Hammerwerfen scheinen sie nicht so begeisterungsfähig. Wobei die russische Hammerwerferin Tamara noch in lebhafter Erinnerung ist. Doch wer legt das fest? Die Natur? Ich vermute stark, dass diese Zuweisungen heute mehr denn je rein zufällig sind. Also, 60 Geschlechtszugehörigkeiten oder ein durchaus geschlechtlich interessantes Treffen in der Mitte? Der Schwabe sagt, mir zählet net, wenn man sich noch ein Stück Kuchen nehmen möchte. Also, 60 mal geschlechtlich, irgendwie. Das gefällt mir.

Geschlechtlich eindeutig? 
Die Skala des Geschlechtlichseins kann also für jede und für jeden sehr individuell aussehen. Wir sollten uns darüber keine großen Sorgen machen. Wer zu sehr vom Klischee Hetero-Homo abweicht, muss eine Nische finden, in die man passt. Wie gesagt, im Facebook geistern 60 Varianten herum, von denen die meisten - bis auf 2 oder 3 - nur darauf warten, von uns ausgesucht zu werden.




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