Freitag, 23. September 2016

Zeit des Übertreibens.


Erinnern sich die kleinen Mädchen und Jungs von einst, wie es war, als plötzlich der Hula Hoop Reif auftauchte? Wie eine Epidemie kam das Ganze über uns. Alle wurden erfasst, als auch noch Orthopäden herausfanden, dass der Reif bei Bandscheibenbeschwerden nützlich sein konnte. Wie kam es dazu, dass praktisch auf der ganzen Welt gehulahupt wurde? Ursprünglich waren es die Indianer und die Inuit, die mit solchen Holzreifen ihre Jagdtechniken übten. Im 19. Jahrhundert konnte dann schon mal ein Kind damit spielen und auch kleine Rennen damit bestreiten. Dann passierte es: eine Firma in den USA, die Wham-O Corporation, produzierte 1958 für den amerikanischen Markt bereits 25 Millionen Kunstreifen. Dann fing ein Produzent in Deutschland damit an, und die weltweite Wirkung dieses freundlichen Wahns war erreicht. Warum? Weil damit auch ganz schnell ganz viel Geld verdient wurde.


Dann vermehrten sich diese Erscheinungen in einer beängstigenden Weise. Der Tsunami, ein japanisches Wort, wurde dank der Medien 2004 zeitgleich überall bekannt, obwohl es solche Monsterwellen schon früher immerwieder gegeben habt. Sogar die biblische Sintflut könnte ein solcher Tsunami gewesen sein. Das Erd-und/oder Seebeben, das zuerst die ganze Welt erreicht hat, mit 230 000 Opfern aus mehreren Ländern um den Indischen Ozean hält jetzt den Anspruch, das größte zu sein. Das Japanische Wort Tsunami (Hafenwelle) wurde auf einen Schlag bekannt und steht heute sogar für ähnliche Erscheinungen. Der recht seriöse The Guardian, die beste Tageszeitung Großbritanniens, titelte gestern auf der ersten Seite: Labour act to halt 'tsunami' of online abuse. Die Labourpartei will Tsunami des Internetmissbrauchs stoppen.

 Weitweit: Oktoberfest and Bratwurst. 
Dieser Missbrauch ist etwas Neues. Als Kinder lernten wir noch: Gib der Dame die Hand, antworte höflich, knall die Türen nicht zu und piesacke dein Brüderchen nicht! Heute haben Kinder als erstes im Leben damit zu tun, die Flut an Informationen und widersprüchlichen, oft unverständlichen Hinweisen aus dem Internet aufzunehmen und zu verarbeiten. Da ist oft keine Zeit, der Mutter oder Großmutter zuzuhören. Außerdem wissen alte Menschen natürlich nicht mehr wo's langgeht. Der Austausch mit Seinesgleichen ist dagegen Überlebenspflicht. Lernen ist angesagt, egal, was und warum. Wenn ich es anonym mache, kann ich sogar meinen verhassten Lehrer einen Deppen nennen, und den gerade verlorenen Freund  eine schwule Sau. Auf die Orthographie oder den Anstand kommt es dabei nicht an. Andere tun das ja auch. Bei Kindern ist das Herumeiern mit Ausdrücken ja noch verständlich.
Missbrauch! 
Wer sich jedoch ins Facebook oder andere soziale Medien begibt, kann sein blaues Wunder erleben. Du schwule Sau ist da nur eine der Ausdrucksweisen. Die Alternative für Deutschland, die durch ihre hektische und unintelligente Eigenwerbung viel Zorn auf sich zieht, muss sich ständig beklagen, missverstanden zu werden. Auch ich habe mich dabei erwischt, deftig auf manche AfD-Dummheiten zu reagieren. Dann schäme ich mich ein wenig und schaue herum, was so in anderen Ländern geschieht. In Yorkshire, Nordengland, bin ich - wie viele andere - den Albernheiten eines Nigel Farage ausgesetzt, der bei der Brexitkampagne sich jeder menschlichen Scham entblößt hat. Als Mitglied des Europäischen Parlaments missbrauchte er einen Auftritt, um seiner Verachtung für seine europäischen Kollegen Luft zu machen. Wenn es internationale Verhaltensregeln gibt, dann hat dieser politische Zwerg hemmungslos dagegen verstoßen. Über 90% der Zuhörer und Zuschauer haben sich sichtbar für ihn geschämt. Totschweigen wäre die einzige Antwort, doch auch in diesem Fall habe ich mich zu Idiot und Twat hinreißen lassen. Es war einfach nicht mehr auszuhalten.

John Lennon und Yoko Ono 
Wenn wir an die Jugend denken, dann sollte ihre "Tanzstunde" - falls es das noch gibt - wie früher mit einem Benimmkurs starten. Auch harte Strafen sollten ins Auge gefasst werden, wenn der flagrante Gebrauch von Verbalinjurien und Drohungen im Internet nicht gestoppt werden kann. Dieser Missbrauch hat Weltniveau erreicht und muss auch weltweit bekämpft werden. Wir wollen das Leben nicht als eine Fortsetzung des Krieges mit elektronischen Mitteln begreifen, sondern als etwas, das es wert ist, gelebt zu werden. Es ist nicht verboten, jemandem im Internet seine Liebe zu beichten, egal ob sexuell, heterosexuel oder sonstwie, aber andere zu beschimpfen und runterzu- machen, ist einfach mies.

Wir brauchen einen weltweiten Verhaltenskodex. Elektroniker aller Länder, reißt euch zusammen und führt eine gemäßigte Sprache!






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