Donnerstag, 25. August 2016

Whitby, Graf Dracula, oder der Schrei der Möwe

Wer sich, nicht etwa wegen hohen Alters, an die gespensterhafte Ankunft von Nosferatu, auf einem Schiff, frühmorgens, in Wismar erinnert, hat das meiste schon begriffen. Die langen Fingernägel, das (film)stumme Grauen einer feucht-nebligen Stadt am Meer, die abstehenden Ohren, gruseliger geht es fast nicht mehr. Graf Orlok, von Max Schreck gespielt, ist der Ausbund dieser Symphonie des Grauens von 1922. Dieser Drakulafilm war nur einer von über 30 Verfilmungen eines Stoffes, der von einem Iren, Bram Stoker, schon 1897 unter dem Titel "Dracula" veröffentlicht wurde. 1890 hatte der Autor Whitby besucht. Die Stimmung dort musste das entsprechende Grauen verursacht haben, um diesen Vampir in dieser Hafenstadt anzusiedeln.


Dennoch war es Friedrich Murnaus Stummfilm, der zwar ohne Genehmigung, mit veränderten Namen und Orten, teilweise in Wismar gedreht, zu Weltruhm gelangte. Er wird heute noch zu den 10 weltbesten Filmwerken gezählt. Auch Klaus Kinski, unser Gruselspezialist, hat diesen Nosferatu meisterhaft gespielt. Die Fassung von 1922 kann zwar ein wenig Gruseln erwecken, doch das Grauen ist bei heutgen Maßstäben eher rührend.


Es wird nicht erwartet, dass man dieses bergige, wasserumschlossene Nest im Norden von Yorkshire wirklich kennt. Wir wohnen etwa 2 Autostunden entfernt und haben Whitby im letzten Jahr schon einmal besucht. Es liegt an der nördlichen Ostküste von England, nicht weit von der Grenze nach Schottland. Die Möwen sind in Whitby besonders frech. Sie schreien herum und sitzen auf jedem Laternenpfahl oder Schornstein. Es wird sehr empfohlen, sie nicht auch noch zu füttern. Doch sonst ist Whitby richtig interessant. Die Stadt als Fischerdorf zu unterschätzen, wäre ein fataler Irrtum.


Whitby war auch einmal groß im Schiffbau und im Walfang. Das erfolgreichste Waljahr war 1814, wo 8 Walfänger 172 Wale nach Hause brachten, woraus unzählige Tonnen Öl erzeugt wurden.


Der Seefahrer und Entdecker, James Cook, hat in Whitby gewohnt und seine ersten Erfahrungen mit Schiffen hier gemacht. Mit der HSM Endeavour brach er 1869 für drei Jahre in den Pazifik auf, entdeckte Australien und Neuseeland, viele Inseln und Völker und brachte die Kunde von den Tattoos mit, die bei den Maoris gefunden wurden. Wenn man bedenkt, wieviele meist junge Menschen heute ihren Körper mit Tattoos verziert haben, versteht man den historischen Schock dieses Mitbringsels. In Whitby sahen wir ein hauchdünnes Mädchen, das von einer schlangestehenden Menge Kinder umringt war, die alle eine kleine Tätowierung haben wollten. Käptn Cook hat also nicht umsonst gelebt.



Den frommen Anfang von Whitby hat jedoch Prinzessin Hilda gemacht. Im Jahr 657 wurde eine Doppelabtei gegründet, für Nonnen und Mönche. Hilda wird heute die Heilige genannt, denn sie war die erste Äbtissin dieses Klosters. Dies erinnert an "unsere" Hildegard von Bingen, auch eine Heilige, die mit dem gleichen Namen einige Jahrhunderte später von sich reden machte.


Whitby ist für uns noch lange nicht erledigt. Im kommenden Herbst haben wir vor, Cath und ich, zu einem Drakulawochenende dort zu sein, vorausgesetzt, wir fürchten uns nicht zu sehr und finden noch eine Übernachtungsmöglichkeit.

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