Freitag, 4. März 2016

Sorry, oder "Hoppla", das kommt nicht mehr vor.

Das britische Selbstbewusstsein hat spätestens dann einen Knacks bekommen, als Königin Victoria, die Kaiserin von Indien, hochbetagt im Jahr 1901 das Zeitliche segnete. Königin Viktoria, in der deutschen Schreibweise, war ebenfalls eine Pflaumenart und - wie könnte es anders sein - eine Torte, der man auch noch nachsagte, dass sie schmeckte. Der Knacks könnte damit zusammenhängen, dass mit der Unabhängigkeit ehemaliger Kolonien die britische Insel fast allein mit sich zurecht kommen musste, während andere Länder allmählich zu Supermächten aufstiegen. Sorry, aber ein Geschichtskurs ist jetzt nicht angesagt.


Während ich noch nie davon gehört habe, dass es in Frankreich oder in Deutschland hinreichende Literatur über die Frage gibt, warum man sich entschuldigt, gar noch, wenn man selbst unschuldig ist, florieren die Untersuchungen dieser Art im Vereinigten Königreich. Um es kurz zu machen: jeder Engländer nutzt das Wort "Sorry" mindestens achtchmal am Tag, und jeder achte Brite mindestens 20mal. Da ist viel Luft dazwischen, was zusätzliche Erläuterungen geradezu erheischt. Auch die Zahl der Sorrys in Deutschland darf nicht unbeachtet bleiben, denn seit einiger Zeit haben sich viele Deutsche angewöhnt, statt das umständliche "T'schuld'jung" das hereingeschneite "Sorry" zu benutzen. Es darf aber bezweifelt werden, dass die Anlässe für die Sorrys im deutschsprachigen Raum die gleichen sind. Wer erklären muss, dass der Bus mit Verspätung ankommt, ist gut beraten, ein Sorry anzufügen. Das trifft auf beide Nationen zu.



Ansonsten wird sorry beim Briten hauptsächlich gebraucht, wenn das Wetter schlecht ist: Sorry, it's raining. Oder, wenn der Sorrysager selbst gar nicht angeeckt ist. Man vermutet, dass dies Vertrauen schafft und auch eine Unterhaltung einzuleiten vermag. Wie schön. Ein Henry Hitchings verrät in seinem Buch mit dem Titel "Sorry!", dass der Brite sich gerne für etwas entschuldigt, das er nicht getan hat, während er es ungern tut, wenn er etwas verursacht hat. Eine Kate Fox wollte es noch genauer wissen. Sie hat Hunderte von Passanten angerempelt, und 80% von ihnen haben sich dafür entschuldigt.

Das kommt meiner Erfahrung nahe, die ich in Paris gemacht habe: Auch dort wurde gelegentlich gerempelt, wobei der Rempler selbst ein herrisches "Pardon" ausstieß. Das konnte leicht in der Metro passieren oder beim Treppensteigen, während der Franzose an sich ja die Höflichkeit in Person sein kann, wenn er möchte. So sind die Menschen verschieden.


Auf einer großen Werbetafel ist zu lesen:

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         SORRY                                                                                               SORRY

Wie soll man das verstehen?  Haben wir nicht schon genug Probleme? Doch eines ist sicher: wer sich nett entschuldigt, hat die Sympathien auf seiner Seite. Sorry.


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