Montag, 1. Juni 2015

Sich outen bringt Satisfaction

Wir hatten schon zweimal den Mann, der, schwanger wie er war, einem Kind das Leben schenkte. Dann, fast biblisch, die Fünfundsechzigjährige, die in Berlin Vierlinge auf die Welt brachte. Und vor vielen Jahren soll es eine Päpstin gegeben haben. Gerade jetzt wurde eine junge Mutter gezeigt, die ihr sechsjähriges Kind stillte, vor der Kamera. Wir leben in einer Zeit, die fast nichts mehr offenlässt.

Auch die Homophobie hat es nicht leicht. Von konservativ bis extrem rechts ist sie zu finden, wird jedoch oft als reaktionär bekämpft. Männerheirat und gleichgeschlechtliche Partnerschaften. Lesbenvereine. Wo kämen wir hin, wenn wir das alles unkommentiert durchgehen ließen. Beim Führer hätte es das nicht gegeben, und, zum Glück, etwa in Ungarn oder Russland und vielen anderen  aufgeklärten Ländern, die sogar Fernsehen und Mobiltelefone haben, werden Schwule stellvertretend für Juden, Schwarze und Ähnliches angeprangert. Ein Jurist aus Aserbaisdschan, mit dem ich im Flugzeug von Istanbul nach Wien sprach, erklärte mir, dass bei der jetzigen Entwicklung bald die gesamte Menschheit mehrheitlich homosexuell sein würde. Dagegen musste ich protestieren. Laut uralter Erhebungen (war es der Kinsey-Report?) kommen die armen Schweine statistisch doch kaum über die 10% hinaus. Das weltweit zu bestätigen, wäre übrigens eine lohnende Aufgabe für die amerikanische NSA, die jetzt nicht mehr ohne exklusiven Auftrag die eigene Bevölkerung beschnüffeln darf. Wie lange so etwas wirkt? Oder wird schon wieder dagegen verstoßen?


Spätestens jetzt muss ich mich outen: Nein, ich bin nicht schwul. Meine Partnerschaft, die eine traditionelle Ehe ist, beruht auf heterosexuellen Machenschaften, die niemand interessieren dürften. Auch für die schwulen oder lesbischen Beziehungen interessiere ich mich nur, weil ich mich für fast alles interessiere. Was ich immer für gnadenlos reizvoll halte, ist die Liebe in all ihren Spielarten, vor allem wenn sie aufrichtig ist. Man merkt das! Ob homo oder hetero: beides kann schön sein. Aber auch erbärmlich, wenns daneben geht. Das ist nicht nur tierisch, sondern auch menschlich. Man darf sich nicht wundern, wenn Homosexuelle, aber auch die anderen Variationen, von denen es viele gibt, manchmal etwas schrill daherkommen. Sie haben oft einen unschönen Kampf mit ihrer engsten Umwelt hinter sich, fühlen sich verachtet, unerfüllt und oft wertlos. Man trotzt dann seine Schwulheit hinaus in die Welt, wenn man sich einmal entschlossen hat, diesen Weg zu gehen. Ich würde es genauso tun. Für mich ist es deshalb eine Freude, den Mut, die Zuneigung, die Umarmungen der Gleichgeschlechtlichen auch in der Öffentlichkeit zu sehen.


Schön wäre es, wenn man das Bild etwas tiefer hängen könnte. Aber dazu gehört mehr Toleranz. Genau das, was unsere österreichische Conchita Wurst zustande gebracht hat: Sie will mehr Toleranz, und sie sagt, sie sei homosexuell, aber keine Frau. Allerdings liebt sie es seit ihrem 4. Lebensjahr, Stöckelschuhe zu tragen und sich wie eine Frau zu kleiden. Conchita fühlt sich in ihrem Körper als Mann wohl, sagt sie. Sie gehört zu denen, die sich selbst erkannt haben. Das kann glücklich machen. Auch für Heteros kann es dieses Glück geben. Alle müssen etwas dafür tun, sonst kommt nur banaler Durchnitt dabei heraus. Grund genug, auf andere mit dem Finger zu zeigen. Hoffentlich sind die Diskussionen über Homo und Hetero bald abgefrühstückt, damit wir zum Wesentlichen zurückkehren können: wer sind wir, was wollen wir, was lieben wir und was sollen wir?












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