Montag, 13. April 2015

Günter Grass, so kommst du uns nicht weg.

Gruppe 47, das weiß heute kaum noch einer, war der literarische Anfang eines neuen Deutschland. Westdeutschland, denn in Ostdeutschland war das Neue Deutschland etwas anderes. Viele haben dazu gehört, nicht nur Günter Grass: Ingeborg Bachmann, Heinrich Böll, sogar Erich Kästner, Hans Magnus Enzensberger und einer, dem die Literaturkritik zum Broterwerb wurde: Marcel Reich-Ranicki. Ein ekelhafter Despot, den man lieben musste, weil es nur ihn gab. Bei Günter Grass hat er er sich allerdings ein wenig vertan. Das Gedicht "Was gesagt werden muss" ist wahrlich kein überragendes Meisterwerk, und die Reaktion der Israelis, die Grass zur Persona non grata erklärten, war ebenso kindisch. Als ob ein deutscher Autor und Nobelpreisträger Israel nicht kritisieren dürfte wegen seiner Iranpolitik und der krassen Einstellung zu den Palästinensern. Ich habe das Gedicht gelesen und nicht sehr gut gefunden. Für einen, der das Werk "Die Blechtrommel" geschaffen hat, die ein wahres Stück Weltliteratur ist, kann dieses Gedicht dennoch nicht ekelhaft sein, wie Reich-Ranicki es formuliert hat. Wir verzeihen dem überkritischen Literaturpapst jedoch posthum.

Übrigens auch die Bekenntnisse aus "Beim Häuten der Zwiebel" sollten mit Zurückhaltung genossen werden. Als jugendliches Mitglied der SS, wenn auch für kurze Zeit, hat Grass die ewige Verdammnis auch nicht verdient. Wie viele Deutsche wurden damals zwangseingegliedert, das heißt nicht einmal gefragt, ob sie zur SS wollten. Ein Verwandter von mir, der von allen sehr geschätzt wurde, rückte bei seinem 60. Geburtstag erst damit heraus, dass er als jugendlicher Pilot der Luftwaffe ohne sein Zutun zum Mitglied der SS gemacht wurde. Auch das gab es. Da muss endlich mehr differenziert werden. Außerdem gab es im Dritten Reich kaum Menschen, die um ihre Meinung gefragt wurden. Man sagte ihnen, was sie zu denken hatten.

Günter Grass hatte eine lupenreine Vita, wenn man von dieser SS-Episode absieht. Gleichgesinnt mit Willy Brandt, das war der mit dem Kniefall, und ohne Opportunismus der SPD ideologisch verbunden, muss man ihm zugestehen, auch Israel heftig kritisieren zu können, denn da gibt es vieles was unmenschlich ist. Das muss nicht heißen, dass man sich auf die iranische Seite schlägt. Die beiden verfeindeten Länder sind nicht der Nabel der Welt. Das würde auch keiner wollen.

Jetzt ist unser Günter Grass mit 87 gestorben, bis zum Schluss streitbar, sperrig, ein überragendes Original, für den das Leben in einem "schwierigen Vaterland" friedlich zu Ende gegangen ist. Vor einer Woche soll er noch einen badischen Obstler zu sich genommen haben. GG, wir sind stolz auf Dich. So etwas kommt nicht oft vor.







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