Sonntag, 9. November 2014

Berlin, das war dein Tag: 9. November 1989.

Vor ein paar Wochen habe ich mir in "Ostberlin" den Tränenpalast angeschaut. Hier am Bahnhof Friedrichstraße, hat sich vor Mitternacht der Westbesuch verabschiedet. Da flossen Tränen. Heute hat eine ganze Nation ihren Tränenballast abgeworfen. Freudentränen ja, die sind immer erlaubt, das Leid aber war den Bürgern der DDR zu groß geworden. Schießbefehl für Menschen, die ihr Land verlassen wollen. Der Lufthauch der Geschichte hat uns berührt und mit einem blauen Auge davonkommen lassen. Und das, vor der gesamten Weltöffentlichkeit. Die stillen Töne dieses langen Gedenktages, heute, waren angemessen, tröstlich, frohgemut. Viel Nachdenklichkeit war zu spüren. Was vor 25 Jahren geschah, lässt sich so nicht wiederholen. Deutschland wird noch lange feiern. Und noch lange dankbar und glücklich sein.


Die Wiedervereinigung wurde unfreundlich von Maggie Thatcher abgeleht: Zwei Deutschländer sind mir lieber als ein großes Deutschland. Auch Mitterrand war zunächst nicht dafür. Zum Glück konnten diese Matadore der Zeitgeschichte den Lauf der Dinge nicht bestimmen. Wer vermutet, dass wir unverdient zum Mauerfall geschlittert sind, verkennt den wesentlichen Teil. Die Menschen im Osten. Sie haben den Machthabern klar gemacht, dass diese nichts mehr zu sagen hatten. Macht das Tor auf, hieß es. Die millionenfache Aufforderung konnte nicht überhört werden. Zu den angedrohten Massakern kam es nicht, weil unsere östlichen Mitbürger entwaffnend friedlich waren und nur das gefordert haben, was ihnen zustand.


Ich habe dazu nichts beitragen können. Ich war in New York und traute meinen Augen nicht, als das Fernsehen die Sensation verbreitete. Mein Töchterchen studierte damals in Westberlin. Sie kletterte mit anderen über die Mauer, oder versuchte es wenigstens. Heute bin ich in Wien, wo andere Prioritäten herrschen: beginnender Weihnachtsrummel. Die schönen Dinge, die es schon zu kaufen gibt. Ich bin also wieder nicht dabei. Aber die vielen, die es trotz Bahnstreiks nach Berlin geschafft haben, sind stellvertretend für uns dort. Man fühlt sich, vielleicht zum erstenmal im Leben, als Teil eines Ganzen. Dazu gehören auch diejenigen, die mit ihrem Leben bezahlt haben.


Was diejenigen sagen, denen sozialistische Illusionen verloren gingen, oder die, die mit dem Diebstahl ihres halben Lebens hadern, all die, die gelitten haben, sie können sich damit versöhnen, dass wir jetzt ein normales Land geworden sind. Dazu gehören die Selbstzweifel, aber auch die Zufriedenheit. Und Leute wie Wolf Biermann, die den Mund nicht halten können, wenn sie im Bundestag singen dürfen. Das Recht, dort zu reden, gehört auch dazu, sagte sich Wolf Biermann und sagte was er dachte. Das kann nicht falsch gewesen sein. Solche Momente hat die Geschichte nicht oft parat. Darum mögen uns einige auch beneiden. Genießen wir es.



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