Montag, 13. Oktober 2014

Wiener G'schichten - die Obdachlosen kommen

Es lässt sich leicht erkennen, dass im Wiener Zentrum wieder mehr Menschen herumlaufen, die Obdach suchen und einen Schilling brauchen (es darf auch ein Euro sein). Oft sieht man es daran, dass sie etwas ungepflegt daher kommen, und die einzige Habe, etwa eine Plastiktasche oder einen Rucksack mit sich herumschleppen. Viele gehen nur ihrer Wege. Sie haben die Hoffnung längst aufgegeben. Betteln kaum noch. Sie sind nicht spezialisiert auf werbeträchtige Nachrichten, die vom Hocker reißen. Sie machen sich selbst klein, denn hinter solchen Menschen steht meist ein hartes Schicksal.
Es wird kalt!

Wir Bürger sind daran nicht schuld, aber oft stört es uns, an solchen menschlichen Wracks vorbeigehen zu müssen. Dazu muss dann klar gesagt werden, dass auch in den feinsten Gegenden Wiens - das gilt aber auch für andere Orte - die Bürger kein Zertifikat besitzen, das sie als Wohnberechtigte ausweist. Vielleicht denkt man dabei nicht an japanische, deutsche oder italienische Touristen, die zum geheimen Groll viler Einheimischer auch den Platz ein wenig streitig machen können, sondern an die immer zahleicher werdenden "Ausgestoßenen", die selbstverständlich  die gleichen Besitzrechte an Innenstädten haben wie die anderen, ohne selbst etwas zu besitzen.

Ich schäme mich immer ein wenig, wenn ich an solchen Menschen vorbeigehe, ohne wenigstens ein Lächeln zu versuchen. Sie erinnern uns natürlich daran, wie tief man - auch ohne eigenes Verschulden - fallen kann, wenn man im Leben Pech hat. Also Gleichgültigkeit oder Abgestumpftheit ist da sicher nicht gut. Auch der "normale" Bürger, der oft so normal gar nicht ist, kann sich zusammenreißen und hinschauen. Die Gesellschaft verändert sich rapide. Bankangestellte scheinen sich nicht mehr zu schämen, dass sie das Geld der Kunden verwalten und so tun, als wären die Banken die Besitzer. Versicherungen sperren sich oft, wenn es darum geht, einen Schaden zu begleichen. Soll der Kunde doch erst mal prozessieren. Die Supermärkte kann man heute mit Einrichtungen vergleichen, die täglich auch Betrug und Täuschung praktizieren. Die Scham bei der Verrohung der Sitten ist abhanden gekommen. Was uns jedoch bleibt, wenn wir das wirklich wollen, ist die Mitmenschlichkeit. Lassen wir die Gescheiterten ein wenig an unserem Wohlergehen teilhaben. Gerade jetzt, wo wieder ein Winter kommt, der vielen Angst macht. Wir können nicht wegsehen.

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