Mittwoch, 22. Oktober 2014

Rabenschwarze Gedanken, mit Himmelblau durchsetzt.

Wen hat es nicht schon gepackt, wenn der Herbst seine Schwingen ausbreitet, wie letzte Nacht, als ich die Fenster schließen musste, weil ein Gussregen an ihnen rüttelte? Düstere Gedanken stellen sich ein. Was wird der Winter bringen, von denen wir schon einige glücklich überstanden haben? Es wird schon alles gut gehen, mag man denken. Dennoch, in einem Flugblatt von 1650 steht der hoffnungsfrohe Spruch: "Freund Hein läßt sich abwenden nit mit Gewalt, mit Güt, mit Treu und Bitt". Auch Matthias Claudius widmet Gevatter Hein, 1775, im Wandsbecker Boten schöne Zeilen, und ein anderer tat es, an dem ich jetzt fast täglich vorbeigehe: Seine Statue steht am Judenplatz in Wien. Gotthold Ephraim Lessing. Mit diesem Dichter der Aufklärung will ich die trüben Gedanken an Gevatter Hein wieder verlassen. Obwohl, man sollte ihnen nicht systematisch ausweichen, denn der Mann mit der Sense versucht immer wieder, Unheil anzurichten. Manchmal mit Erfolg. Der Herbst des Lebens muss aber nicht nass und kalt werden, er kann auch einen goldenen Schimmer über schütteres Haar legen. Hauptsache, die Ölheizung funktioniert.

Hermann

Was wollte ich eigentlich? Ich wollte das hohe Lied der Freundschaft singen. Kann ich das jetzt noch, nach dieser melancholischen Einleitung? Ich kann. Und muss. Denn, nicht alles soll ungesagt bleiben. Eine Freundschaft kann fast ein ganzes Leben ausfüllen. Wir haben viel zusammen geraucht. Du die deinen, ich die meinen. Der Wein kam aber oft aus der gleichen Flasche. Wir konnten auch herzlich zusammen lachen. Und lachen können wir immer noch. Das mit dem Wein und den Zigaretten hat sich etwas beruhigt. Wir sehen uns nicht mehr so oft, haben aber die Erinnerungen, die ungetrübt die unsrigen bleiben. Was ich an dir neidlos bewundere, lieber Hermann, ist dein Wissen, die Liebenswürdigkeit, die Gebildetheit und das sagenhafte Gedächtnis, das ich selbst nie hatte. Deine Christl malt und singt. Von Talent muss gesprochen werden und von harmonischer Zweisamkeit im Haus am Berg. Auf meiner eigenen Seite kam auch noch etwas hinzu: spätes Glück, aber Glück mit Cath.
Und Christl

Jetzt muss oft das Telefon die Brücke schlagen, vom Stephansdom zum Bodensee. Das Telefon tut dies gerne wie mir scheint. Eine Freundschaft kann leicht auch einschlafen. Dann kann man nur gute Nacht wünschen. Unsere ist über alle Entfernungen lebendig geblieben. Das ist tägliche Freude und Erinnerung. Dafür bin ich dankbar, und ich möchte es wenigstens einmal im Leben hinausposaunt haben. Dann kann der Alltag wieder eintreten, mit seiner herbstlichen Färbung, mit den kleinen und großen Gedanken. Mit der Angst, dass einmal alles zuende geht. Na, und? Hauptsache, wir fürchten uns nicht. Was bleibt, ist eine Hoffnung auf Besseres. Auch der Winter wird seine Schrecken wieder verlieren. Dann treten wir in die ersten Sonnestrahlen und fühlen die Wärme auf unserer Haut. Bis dahin müssen wir mit unserer Ölheizung zurecht kommen. Noch Fragen, Gevatter Hein?






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen