Dienstag, 14. Oktober 2014

Hauptstadt Berlin - einige müssen sich schämen

Als es darum ging, die Hauptstadt für ein vereinigtes Deutschland zu finden, bot sich das befreite Berlin selbstverständlich an. Dass es überhaupt Diskussionen geben musste über das Für und Wider, empört mich heute noch. Da gab es Spießer, Egoisten, Provinzler und Lokalmatadoren, denen Bonn als "neue" Hauptstadt recht gewesen wäre. Historische Instinktlosigkeit musste man das nennen. Nur weil sich einer in der Rheingegend um Bonn ein Häuschen erworben hatte, wollte er den Hauch der Geschichte an sich vorbeiwehen lassen. Man stelle sich vor, die Abstimmung im Bonner Bundestag hätte gegen Berlin entschieden, wir wären diese Schande nie mehr los geworden.


Der Aufstand gegen das sozialistische Regime der DDR, der 17. Juni 1953, die jahrelange Unterdrückung der Freiheit, vor allem der Meinungs- und Reisefreiheit, das Unrecht an Millionen Menschen, die das alles nicht verursacht hatten, all das schien plötzlich vergessen. Eine kleinliche Abstimmung im Parlament, wo sonst wie selbstverständlich Demokratie geübt wurde, hätte das Projekt "Hauptstadt Berlin" zu Fall bringen können. Schon der Gedanke, einige Ministerien und Ämter in Bonn zu lassen, sah wie ein mieser Kompromiss aus. Unverfroren dazu.

Jahrelang wurden Fensterreden gehalten, die deutsche Teilung beklagt, so getan, als würde eines Tages die ersehnte Wiedervereinigung ganz von selbst kommen. Wer hat noch daran geglaubt? Als Süddeutscher, mit einer Tante und einigen Freunden in Berlin, hat mich das alles traurig gestimmt. Solch kleinkarierte Haltungen haben mir das Vertrauen in die Politik genommen. Zum Glück dachte der von mir nicht besonders verehrte Helmut Kohl ebenfalls sehr süddeutsch und historisch. Die Gründung des Deutschen Reiches, die nicht unbedingt im Spiegelsaal von Versailles hätte durchgeführt werden müssen, hat uns den Hass der Franzosen eingebracht, ein Preis, der - wenn man an die Folgen denkt - viel zu hoch war. Aber, die bis 1870 dahindämmernden deutschen Kleinstaaten, hatten es schließlich geschafft. Und der Bonner Bundestag hätte dies fast zunichte gemacht. So geschichtslos darf man in der Politik nicht sein.

Bahnhof Friedrichstraße: Blick in den Osten
"Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten", sagte damals dieser spitzbärtige Handlanger der Sowjetunion. Alle (im Westen), die es konnten, machten das unerträglich komische Sächsich Walter Ulbrichts nach. Oft war ich in Ostberlin, aber auch einmal in Sachsen, und litt mit den Eingesperrten.
Als mich die Schlaflosigkeit in einem New Yorker Hotel vor den Fernseher trieb - es war der 9. November 1989 - glaubte ich es kaum: "The Berlin Wall is open" hieß es da. Ich rief sofort in Berlin an, konnte jedoch niemand erreichen. Und als ich einen Freund aus Frankreich beim Frühstück traf, war es allen klar, denn wir sprachen deutsch: hier sitzt ein Deutscher. Menschen, die ich nicht kannte, gingen auf mich zu und umarmten mich. Die Welt stand kopf. Mein Dank geht deshalb heute an all die Kleingläubigen, die damals nicht wollten, dass unser vielgeliebtes Berlin wieder Hauptstadt des geeinten Landes wird.

Und der Sonderzug nach Pankow ist längst abgefahren, gell, Honni!





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