Sonntag, 19. Oktober 2014

Ehrlich ist blöd!

Wenn einer sich als schwul outet, hat er den Schritt in die Ehrlichkeit vollzogen. Ein Kind, das sagt: Mama ich habe Hunger, ist der Ehrlichkeit noch sehr nahe. Aber, wie sieht es sonst aus? Hersteller, Supermärkte und Kaufhäuser, Banken und Versicherungen? Politiker? Wie oft ärgern wir uns über einen Politiker, der trotz schlechter Prognosen behauptet: wir sind gut aufgestellt. Zweckoptimismus oder Lüge? Was machen wir mit dem sieghaftseinwollenden Grinsen, wenn erklärt wird, dass zwar Schwierigkeiten bestehen, aber viel investiert wurde, um die Lage in den Griff zu bekommen? Verdammtnochmal, warum ist die Ehrlichkeit aus unseren Köpfen entwichen? Persönliche Interessen sind eigentlich nur noch auf Sex, Mammon, und Kriegsspiele zu reduzieren. Oder, irre ich mich?


Als ich zwei Jahre in einem Land in Europa wohnte, in dem man sich darauf spezialisiert hatte, finanzkräftigen Kunden das Geld heraus zu locken, ging es nur um Steuerbetrug und Profitgier. Wahrscheinlich gibt es schmeichelndere Worte dafür: Sei nicht blöd und umgehe einfach den Fiskus! Oder, Gewinnmaximierung ist angesagt. In der Politik wird für Steuergerechtigkeit geworben und vor allem auch verhindert, dass große Einkommen "fair" versteuert werden. ich entdeckte in jenem Land, dass der Lidschlag von Menschen zunahm, wenn von Geld die Rede war. Das hat sich heute verallgemeinert. Je höher der Betrag, desto (und nicht umso!) heftiger gehen die Augenlider auf und ab. Das lässt sich nachprüfen.

Die Philosophie ist: wer am Straßenrand sitzt und bettelt, mag zwar ehrlich sein, aber er hat nichts und ist blöd. Jemand, der freiwillig großzügig ist, wird vielleicht bewundert, aber ebenfalls für blöd gehalten. Freiwillig etwas bezahlen? Nur wenn die rechtliche Lage eindeutig ist und mit Prozess gedroht wird. Und dann kann man es immer noch darauf ankommen lassen.  Fluggesellschaften tun das, wenn sie bezahlen müssen. Die Eisenbahn tut es, und der Supermarkt schwafelt davon, wie er die Kunden liebt. In Wirklichkeit wird man schnell vor die Tür gesetzt, wenn man an der Kasse dem Tempo der Kassiererin nicht folgen kann. Danke schön. Besuchen sie und bald wieder!

Man hat immer größere Lust, abzuwählen, zu verweigern, unfreundlich zu antworten, zu sabotieren und aus Trotz das Unerwartete zu tun. Die Welt ist dabei, sich zu verändern. Dabei müssen wir uns verändern, sonst geht die Verarschung fröhlich weiter.


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