Mittwoch, 16. April 2014

Wiener G'schichten - Betteln und Hausieren

Auch Österreich gehört zu den reichen Ländern. Entsprechend sind seine Bettler arm und reich zugleich: sie sitzen in der Kärnterstraße in Wien, oder am Graben und an den vielen schönen Plätzen wo das Leben pulsiert. Der Mythos vom bescheidenen Bettler, der sein Leben lang an der gleichen Stelle verharrt, mit dem Hut in der Hand, und dann nach seinem Ableben als Millionär geoutet wird, weil er nichts von seinen Gaben verausgabte, hat nie gestimmt. Eher sieht man dem Bettelnden das Schicksal an. Sie sehen meist keinen Ausweg aus der Misere.


Ich bin fasziniert von dem Mut, mit dem viele an der Ecke stehen und auf einen Groschen warten. Aber auch von der Scham, mit der manche ihr Gesicht verhüllen, weil sie "nicht gesehen" werden wollen. Da ich jeden Tag das Privileg habe, im belebtesten, aber auch teuersten  Stadtbezirk von Wien herumzugehen, schaue ich mir alles genau an: die vielen Touristen, die herumstehenden Sicherheitsleute, schwarz gekleidet, und die Bettler, die regelmäßig ihren Platz einnehmen. Ich habe davon aus Prinzip bisher keine Fotos gemacht, denn auch Persönlichkeitsrechte von Bettlern sind mir heilig.

Fasziniert bin ich auch von der Vielfalt und den Bettelmethoden der Bedürftigen. Der eine verhüllt sein Gesicht mit einer Kapuze, der andere stellt seine Blößen zur Schau. Bei dem einen fragt man sich, ob er wirklich blind ist, der andere zeigt das fehlende Bein. Auch Gelegenheitsbettler trifft man an. Sie brauchen schnell etwas Geld und sprechen die Passanten an. Oder, sie machen Musik, spielen ein Instrument oder singen mehr oder weniger diskret. Für viele überkommt mich Bewunderung, weil sie etwas anzubieten haben. Sie leisten etwas, zum Teil künstlerisch Einmaliges, und werden dafür dann auch belohnt.

Dennoch ist es schwer, der scheinbar immer häufiger auftretenden Bettelei gerecht zu werden. Natürlich sollte, wer kann, gelegentlich in die Tasche greifen und eine Münze opfern. Vom Standpunkt des normal lebenden Bürgers sind jedoch die Gemeinschaft, der Staat, die Kommune und die religiösen Einrichtungen die verantwortlichen Stellen, die dafür sorgen sollten, dass Bedürftige nicht durch den sozialen Raster fallen. Das wird jedoch systematisch vernachlässigt. Deshalb muss der Einzelne eben mit dem entsprechenden Mitgefühl selbst in die Tasche greifen und etwas tun. Wir fühlen uns dann auch besser, obwohl man mit Groschen die Welt nicht verbessern kann.


Und bevor die große Weltrevolution (sie wird kommen) den wenigen Milliardären, die ihr Vermögen oft durch Gaunerei erworben haben, das Geld wieder wegnimmt, wird noch viel Wasser die Donau hinunter fließen. Und auch bei einer verbesserten Verteilung der Einkommen wird es immer wieder Menschen geben, die einem "normalen" Leben nicht gewachsen sind. Mit Demut und Mitgefühl sollte man deshalb immer einen Euro in der Tasche haben, den man mit einem Lächeln an jemanden weitergibt.










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