Sonntag, 14. Juli 2013

Quatorze Juillet - Frankreich starrt in den Himmel


Soll man auf die Franzosen neidisch sein? Den 14. Juli lautstark mitbejubeln? Oder Töne der Besinnlichkeit walten lassen, wenn am französischen Himmel zum Zeichen nationaler Potenz die Mirage-Jäger die Champs Elysées herunterdonnern, blau-weiß-rote Kondenzstreifen hinterlassend? Bei der Bemerkung, "es MUSS gefeiert werden", fällt mir die Variante ein: es DARF gefeiert werden. Da jeder sein eigenes Schicksal zu tragen hat, muss es ihm auch überlassen sein, wie ihm zumute ist. Doch das abschließende Feuerwerk wird gegen Mitternacht gerne in Augenschein genommen.


Es hat schon viele Revolutionen gegeben, die heute nicht mehr gefeiert werden, weil sie im Getriebe der Geschichte verpufft sind. Bei den Franzosen wird halt gefeiert: Champagner, Gänseleber, keine Austern, bitte, denn die sind um diese Jahrezeit schwanger und schmecken nicht gerade hinreissend. Für die anderen, denen die Arbeitslosigkeit die Lust genommen hat: Mousseux, Ententerrine und Quiche Lorraine.

Der Sturm auf die Bastille, Auslöser der Französischen Revolution, ist lange vorüber, doch der martiale Text der Marseillaise ist geblieben, blutrünstig, agressiv, hurrapatriotisch und überschwänglich. Geschichte, die sich selbst entleert? Warum feiern wir nicht die Entstehung von "Claire de Lune", das Claude Debussy geschaffen hat, eine wahre musikalische Revolution? Da könnte die ganze Welt mitfeiern und sich mitfreuen, statt sich bei einem historischen Schluckauf nach über 200 Jahren immer noch zu beweihräuchern. Lassen wir den Franzosen diesen einmaligen Triumph, zumal der Quatorze Juillet der Startschuss in den Urlaub ist. Danach wird massiv abgereist. Früher haben die Finanzminister an der Seine die Abwesenheit ihres Volkes dazu regelmäßig genutzt, den französischen Franc abzuwerten. Strafe muss sein.


Deutschland feiert am 3. Oktober den Tag der Deutschen Einheit, der immer ein schales Gefühl hinterlässt, denn für ein schmetterndes Hurra reicht es nicht aus. Angesagt sind eher Zufriedenheit und Dankbarkeit. Da reicht ein Glas Sekt und ein kurzes Gedenken. Obwohl: die Wiedervereinigung hat auch echt viel Freude gebracht. Aber eine neue Oktoberrevolution ist dabei nicht entstanden. Manchmal wird durch eine Revolution nur eine Art der Bürokratie durch eine andere abgelöst. Auch hierfür wäre Claude Debussys musikalischer Rahmen der richtige gewesen. Er bringt Ruhe in den Laden. Doch "Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand" geht auch. Einer mit Migrationshintergrund muss beim Wort "Unterpfand" allerdings zum Wörterbuch greifen.

In Österreich, der deutschen Bruder(oder Schwester?)nation, haben Nationalfeiertag und Bundeshymne komplizierte Prozesse durchlaufen. Die Entbindung aus dem Deutschen Reich hat aus den Dirndl und Jagerhut tragenden Reichsdeutschen erst wieder echte Österreicher gemacht. Dann sind die Russen und die anderen abgezogen, und das Bundesverfassungsgesetz, BGBI. Nr. 211/1955 über "die immerwährende Neutralität Österreichs" trat in Kraft. Erst seit 1965 hat das Land einen Nationalfeiertag, den 26. Oktober. Ein Franzose würde sich für solch historischer Verspätung richtig schämen. Das Bundeslied wurde zwar schon 1946 zur Österreichischen Bundeshymne, doch der Text des Liedes, eines Gedichts einer Paula Preradovic, "Land der Berge", erst 1947 angenommen. Und dann, am 1. Jänner, ist die Bundeshymne per Gesetz "geschlechtergerecht" angepasst worden. Glückliches Österreich. Alle 10 Jahre gibt es eine Parade auf dem Wiener Ring und in den Landeshauptstädten, und am Wiener Heldenplatz werden Leistungsschauen des Bundesheeres durchgeführt, mit Waffen, Hubschraubern, Panzern und Sportlern. Für den Größenwahn unseres gemeinsamen Führers, der auch am Heldenplatz einmal die Stimmung angefeuert hatte, ist da wahrlich nicht mehr viel Spielraum.


Lassen wir die Franzosen heute, an ihrem Nationalfeiertag, ruhig in den Himmel starren. Ich gehe solchen Feiertagen gerne aus dem Weg, aber gegen eine Flasche Champagner oder Sekt habe ich nichts.
















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