Montag, 12. Dezember 2011

Auberge de l'Ill - zeig mal was du kannst!


Irgendwie geht man auf Samtpfoten in ein Dreisternerestaurant. Man geht da nicht mit Getöse hin. An die große Glocke hängen, war nie mein Ding. "Der Kavalier genießt und schweigt". Verschwiegenheit kann auch etwas aussagen, vor allem, wenn man mit ein paar Worten nachhilft: mehr soll es heute nicht sein, lediglich einige Bemerkungen zu einem bekannten Thema. Ein Traditionshaus, die Auberge de l'Ill in Illhaeusern im Elsaß, bittet zu Tisch. Man kann es auch französisch sagen: "Les Grandes Tables du Monde", die großen Tafeln der Welt, zu denen die Auberge gehört, öffnen ihre Pforten. Da ist ein gehöriges Maß an Ehrfurcht geboten. Die Traube in Tonbach (im Schwarzwald), hat es da leichter: Drei Sterne, ja, aber als, anerkanntermaßen einer der besten 20 Speisetempel dieser Erde (dixit der britische "Guardian") muss er sich nicht besonders räkeln, um bemerkt zu werden. Und wie durch Zufall halte ich beim Niederschreiben einer Telefonnummer einen weißen Kuli in der Hand, auf dem diskret vermerkt ist: "Traube Tonbach". Hinterhältiger Zufall oder symbolträchtiges Menetekel? So etwas gefällt mir.

Andererseits kann die Behaftung mit einem Michelin-Stern auch eine Bürde sein, vielleicht sogar ein Klotz am Bein, vor allem, wenn die kreative Spontaneität würdevoll den Bach hinunter geht.
Ein ehrgeiziges, kompetentes und gastorientiertes Restaurant braucht eigentlich die höheren Weihen der französisch orientierten Gastroindustrie nicht. Gelegentliches Lob aus kundigem Mund und ständig besetzte Tische tun es oft auch. Dennoch: wir wollen hier nichts in die Pfanne hauen.

Ein 60jähriges Monument der französischen Gastronomie ist sie also, die Auberge de l'Ill. Vor ganz vielen Jahren hatte mein Weg mich einmal dahin geführt. Mein Gastgeber hatte mir als profunder Kenner der elsäßischen Weine damals  empfohlen, nicht den teuersten Wein, der etwa 2000 Francs (ca. 300 €) gekostet hätte, zu bestellen, sondern den billigsten, mit etwa 130 Frs. Wie recht er hatte, denn heute erinnere ich mich noch an diesen herrlichen Riesling, den die Haeberlin Brüder im Angebot hatten. Ein guter Rat, für ein gutes Restaurant, denn auch offene Weine müssen hervorragend sein. Also kein billiges Nasenwasser, bitteschön!

Ab sofort wird nicht mehr von Geld geredet, denn Geld kann die Laune verderben und zum Glücklichsein nur wenig beitragen. Also zähle ich auf:

Sie: Lauwarmes Langustentartar, gefolgt von gebratener Gänseleber mit Zitrusfrucht.

Ich: Gänseleberterrine, dann Kalbsnieren mit Kartoffeln in Blätterteigmanier auf Spinatbett.

Wir beide: sehr angetan, however, mit beiden Beinen am Boden geblieben.

Natürlich hat es einen Aperitif gegeben, und zu jedem Gang wollten wir einen anderen Wein. Der Riesling von Lorentz, Grand Cru 2005, passte auch ganz gut zur Gänseleber, es musste nicht der für meine Begriffe immer etwas theatralische Gewürztraminer sein. Zur lächerlich kleinen Portion Käse erhielt sie ein Glas Beaune les Aigrots Magnien 2008, das sie richtig glücklich machte.

Alles in allem eine Choreographie, die den Esser als Teil der Szene begreift. Zu dieser gehört auch der Blick hinaus in den Garten und auf den Fluss. Der Sommelier,
dem leeren Glas immer einen Schritt voraus, erweckt lange verdientes Vertrauen. Es ist jedoch besser, schon eine gute Vorstellung von Wein zu haben, statt sich auf Gedeih und Verderb dem Weinschenk auszuliefern. Wir sprachen von der Harmonie des Geschmacks, dem Zusammenspiel von Essen und Trinken, dem Augenschmaus, wenn wieder ein Gruß aus der Küche kam. Die Damen, wohl in der Überzahl Französinnen, waren fast ausschließlich in bescheidenes Schwarz gekleidet. Warum? Ist das eine Frage des Geschmacks, der Mode, der optischen Verschlankung von Körpern oder ganz einfach ein Ausdruck der spätherbstlichen Trauer? Der Weg zur Toilette war vornehm NICHT angezeigt. Es gab genug wartende Geister, die den Weg dorthin andeuten konnten. Alles in allem: Essen in der nun schon etwas betagten Auberge de l'Ill ist immer noch ein großes Erlebnis. Man kennt die Vorliebe der Franzosen für ihr eigenes Tun, für Traditionen, die auch etwas Gutes haben können. Doch manchmal freut man sich über einen Hauch von frischem Wind. Fazit: un grand compliment pour la vieille dame. Macht einfach so weiter, und wir sehen uns wieder!



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