Donnerstag, 6. Oktober 2011

Schwenk nach oben



Wie habe ich sie gehasst, diese stereotypen Einstellungen der Kamera, diese hohlen Dialoge der hollywoodschen Filmkunst. Die Sagas, Dallas und Dynasty, und wie sie alle heißen. Diese Serienprodukte, die nach der 2. Werbeunterbrechung, allein in den USA, ihre Produktionskosten eingespielt haben und dann für ein' Appel und ein Ei ins Ausland verkauft werden. Profit pur. Die Kamera schwenkt im Dunkeln hinauf in den 20. Stock. Dort ist ein Fenster erleuchtet. Schnitt, und schon sind wir im Büro, wo ein Einsamer am Telefon irgendwelche Äußerungen tut. "High, I love you too" oder so. Dann kommt eine geistlose und ziemlich geräuschintensive Verfolgungsjagd auf dem Highway. Am Schluss, neben den Toten ein glückliches Paar. Auch kommt es nie zum Entblößen von Brüsten. Ein nackter Hintern ist auch nicht erlaubt. Die religiös verbrämte amerikanische Befindlichkeit lässt dies nicht zu.



Wenn ich jetzt aus reiner Neugier die Techniken der rein deutschen Soaps betrachte (ja, es gibt sie, und sie sind viel besser als das amerikanische Produkt), entdecke ich ähnliche Obsessionen, die einfach der Kreativität ins Gesicht schlagen: Rote Rosen, Sturm der Liebe, Lindenstraße usw. haben bei dem täglichen Ausstoß an Szenen und Bildern keine Chance, das Klischee zu verlassen. Also wird Frühling geheuchelt, oder Winter, mit Zwischenschnitten, die so beknackt sind, dass man beim Betrachten lieber noch nebenher Zeitung liest und Erdnüsse kaut. Schwenk auf den Fürstenhof, Stadtszenen von Lüneburg, Seenlandschaft mit Vogel usw. "Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen". "Ich wünsche einen wunderschönen Guten Tag" usw. Dafür wird bei deutschen Liebesszenen schon mal ein nackter Po gezeigt. Das ist gar nicht so schlecht.

Es war mal eine Filmkunst. Die bestand nicht nur aus originellen Szenen und Szenarien, sondern auch aus wundervollen Details, für die oft der Kameramann zuständig war. Man musste ihm allerdings etwas Zeit lassen, um das Kätzchen auf der Fensterbank oder den Regentropfen zu finden, der lautlos über die Nase der Protagonistin lief. Erotische Momente
können dabei auch ins Bild kommen. Daran stirbt keiner. Das Leben ist ja vielfältig. Stereotyp ist es meistens nicht. Wenn man die Kreativität mit dem Blick aufs Publikum in bloße Klischees presst, kann dabei nur Mist herauskommen. Der Zuschauer ist kein Künstler, und für rein handwerkliche Bildproduktion benötigt man weder Film noch Fernsehen. Das kann heute jeder mit seiner Kleinkamera selbst besorgen. Und manchmal viel besser. Mancher ist sogar kreativ. Es sollte einen Oscar für gefilmten Schwachsinn geben.

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