Montag, 14. März 2011

Du Schleckmaul,

pflegte meine Oma zu mir zu sagen als ich ein kleines Männchen von sechs war und mein Gesicht hohe Zufriedenheit über ein gelungenes Mahl ausstrahlte. Ich halte auch heute nichts davon, ein gutes Essen nur mit einem „war ja ganz ordentlich“  abzutun, wenn  einem das Mundwasser hinterher noch den Gaumen benässt. Ein Koch braucht das Lob. Auch alle anderen, die am Wohlbefinden des Essers teilhaben. Schön ist es dann, wenn ein Gasthaus für einige Zeit in einen Dornröschenschlaf versunken und dann mit einem Paukenschlag wieder erwacht ist. Das erlebt man immer wieder, und man leidet mit den Waghalsigen, die den Karren aus dem seichten Wohlfühlgekoche mutig wieder den Berg hinaufschieben und etwas Großes daraus machen. Das dauert oft lange und erfordert zielstrebiges Durchhaltevermögen. Meine Großmutter hatte es da leichter, denn sie wusste, was kleinen Jungs schmeckt und wie man schnell ein dankbar-zufriedenes Lächeln auf ihre Wangen zaubert.


An einem Ort, der ohnehin für gute Küche berühmt ist, muss man sich jedoch immer wieder etwas einfallen lassen, um den Feinschmecker anzulocken. Die neue Besatzung eines altbekannten Seglers der gastronomischen Art, der „Linde“ in Durbach/Baden, weiß ein Lied davon zu singen. Es ist nicht damit getan, Zahnärzte oder Bankiers aus dem Ruhrgebiet anzulocken, die regionalen Esser aus Baden und dem Elsaß sind hier nicht zu unterschätzen, nein, das Konzept muss stimmen, und der interessierte Kunde muss mit dem Gaumen einen Höhenflug antreten können, zumal der Geldbeutel doch ein wenig in Anspruch genommen wird. Das New Otani Hotel in Tokio, dem bei der Naturkatastrophe hoffentlich nichts geschehen ist, kann mit seinem Superrestaurant im 50. Stockwerk nicht zum Vergleich herangezogen werden. Es ist auch für Zahnärzte unerschwinglich. Ein Menü der europäischen Art kostet da soviel wie ein Gebrauchtwagen. Dafür ist das Essen auch unglaublich lecker. Bei der Linde in Durbach haben wir es jedoch, unter neuer Führung,  mit einem professionellen Esstempel zu tun, der den mühsamen Weg mit einer begeisterten Kundschaft nach oben geht. 
Wir werden von einer uns bereits bekannten Dame bedient, die, zusammen mit dem Chef(?) den Laden schmeißt, sodass ein wohliges Zufriedenheitsgefühl entsteht. Der Koch bleibt für heute unsichtbar. Kein Wunsch scheint unerfüllbar, obwohl die Speisekarte erstaunlich kurz angebunden ist. Nicht die Anzahl der aufgeführten Speisen ist das Wichtige, sondern, was hinter den einfach und verständlich anmutenden Angeboten zu entdecken ist. Die gebratene Entenleber, serviert mit Chutney aus getrockneten Früchten und Portweinkaramel: das klingt nicht nur jammi-jammi, das mundet auch orgasmisch. Wolfi, Omas ehemaliger kleiner Junge, begnügte sich mit einem Tatar vom Rind mit Wachtelei und Mesclun-Salat. Dabei langte er gelegentlich über den Tisch, wo Cath sich diskret an die Entenleber gemacht hatte. Gebratene  Entenleber, ich konnte da nicht widerstehen. Wenn man andererseits bedenkt, dass die Tatarkultur schon seit Jahren in einem Sumpf der Vergessenheit versunken scheint (wer kann denn heute noch ein ordentliches Tatar zubereiten?), dann konnte man hier von einer erstaunlichen Wiedergeburt einer Delikatesse schwärmen. Und Cathies  Großmutter, im moorigen Yorkshire, hatte anderes zu tun, als über die Qualität von Kalbsrücken nachzudenken. Sicher würde sie sich im Grabe umdrehen, ob des aufgetragenen Kalbsrückens mit Kartoffelstampf, Black bean (was ist denn das?) und Zuckerschoten. Kalb ist hier relativ selten auf dem Teller. Umso herrlicher muss es dann schmecken. Das Fleisch war so zart und rosa, dass unbedingt ein winziges Stück verpackt und der gefräßigen Nachbarkatze zum sonntäglichen Fraße vorgelegt werden musste. Über Nachtische will man bei solch gelungenem Hauptessen nicht groß spekulieren. Man kann sich nur für je eine Süßspeise  entscheiden. Und das ist auch gut so. 
Bei den Weinen stellt sich Durbach als badischer Weinort als eine wahre Weltmacht heraus (vergesst mal den durchaus trinkbaren australischen Shiraz, den kalifornischen Zinfandel und den südafrikanischen Merlot), was immer man bestellt, es kommt gut an. Auch der offene Wein, ob rot oder weiß, der in Frankreich leider zu oft als teure "de la piquette" daherkommt, schmeckt nach mehr. Lasst uns, so möchte man wünschen, dieses ehrgeizige Unterfangen, das die Linde in Durbach beseelt, fröhlich fortsetzen. Der zufriedene Feinschmecker wird es danken.

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