Samstag, 31. Mai 2014

Karl-Heinz Böhm und Romy Schneider

Eigentlich hätten sie im richtigen Leben ein Paar werden sollen. Dann wäre die schöne heile Welt von k. u. k. erhalten geblieben. Überreste davon sind noch da: nicht nur in Wien, sondern im gesamten Mitteleuropa, das es so nicht mehr gibt, sind sie zu erhaschen. Kaffeehäuser im alten Stil, vom Krieg verschonte Gebäude, gelegentlich noch ein völlig verstaubter Begriff aus der guten alten Zeit, den jemand unbewusst noch benutzt, obwohl diese Zeiten längst vorbei sind. Kladderadatsch, Gnä' Frau, oder Störenfried. Meine Oma hatte eine Freundin, die sehr begütert war. Wenn Frau Nordmann (Name von mir nicht geändert) zu Besuch kam - es war lange nach dem schrecklichen Krieg - gab es immer etwas zu lachen. Ich war klein und hörte aufmerksam zu. Frau Nordmann erzählte von einem Zahnarzt, der den Patienten die Kunst-Zähne nicht etwa einsetzte, sondern annagelte. Eine Vorstellung, die mich auch heute noch nicht losgelassen hat. Herr Nordmann, der längst verstorben war, hatte in den Dreißigerjahren ein amerikanisches Auto, einen alten Buick, wie Frau Nordmann so nebenbei erzählte. Damit "rasten" die Nordmanns auf der Autobahn von Pforzheim nach Stuttgart, um den Boxkampf mit einem Amerikaner anzusehen. Ich glaube, Max Schmeling war der Deutsche, der zum Kampf antrat. Wer gewonnen hat, weiß ich nicht mehr, aber, dass der Wagen Räder mit Holzspeichen hatte, das vergisst ein kleiner Junge nie.

 Modell von 1910

Die gute alte Zeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie für immer verloren. Das Herbeizaubern der verklärten Vergangenheit besorgte dann der Film, vorneweg die Schmunzelgeschichte mit Sisi und dem Kaiser Fran Joseph. Romy Schneider war ein ganz süßes Mädchen und eine begabte Schauspielerin. Ihr Partner, Karl-Heinz Böhm, ist gerade gestorben. Die Sisi-Filme haben damals im deutschsprachigen Raum Furore gemacht. Gerade auch wegen der heilen Welt, die sie für die Nachkriegsmenschen wiedererweckten. Gerne ist das Publikum dieser Traumwelt gefolgt. Obwohl das Ende der österreichischen Kaiserin traurig und unromantsich war: als sie inkognito in Genf weilte, wurde sie von einem Verrückten erstochen.

Kaiserin Sisi

Auch Karl-Heinz Böhm hätte seine Karriere als Star kinderleicht fortsetzen können. Romy Schneider wurde zur Frau und zum Weltstar. Sie war mit Alain Delon verheiratet, verlor ein Kind und wollte dann nicht mehr leben. Ihre scheinbar heile Welt war zerbrochen. Der Ausdruck der Verträumtheit auf ihrem Gesicht war der harten Realität des Lebens gewichen. Und Karl-Heinz Böhm begab sich in eine unspektakuläre Welt, in der er Gutes tun konnte. "Menschen für Menschen" heißt die Stiftung, die von ihm ins Leben gerufen wurde. Der Ausdruck seines Gesichtes war bis ins hohe Alter zufrieden und bescheiden. Er hatte, wie kaum ein anderer, diesen Spagat vom prominenten Filmstar zum uneigennützigen Helfer in Afrika geschafft. Es ist zu hoffen, dass er nicht nur als Kaiser Franz Joseph an der Seite von Sisi, sondern als ein ganz großer Wohltäter der Menschheit in Erinnerung bleibt.





Freitag, 30. Mai 2014

Amerikanisch-russische Befindlichkeiten

Die USA hören es gerne: sie seien eine Supermacht und hätten eine gewisse Verantwortung für den Gang der Dinge. Das mag einmal so gewesen sein. Inzwischen wissen wir mehr über Amerika. Der Koreakrieg ist irgendwie schief gegangen. Heute knabbert die Welt an den Folgen. Kim Jong-un, der Möchtegern mit den Raketendrohungen, sitzt uns allen gelegentlich im Nacken. Vietnam: eine Katastrophe. Irak: eine Katastrophe. Afghanistan, eine Katastrophe. Die Berlin-Krise, die Kubakrise, Probleme, die nicht auf diplomatischem Weg gelöst wurden. Natürlich kann man den Amerikanern vieles anlasten, aber für alles kann man sie nicht verantwortlich machen. Auch bei Syrien, hat es amerikanische Erklärungen und Rückzieher gegeben. Trotz hektischer Reisediplomatie haben auch die Streitigkeiten zwischen den Palestinensern und den Israelis nicht abgenommen. Und der Iran: was hat die Supermacht denn bewirkt? Man fragt sich also, wer das Sagen hat und warum, wenn nichts geschieht?

Herr Putin pokert von der anderen Seite her. Man hat den Eindruck, es wird so lange an der Kriegsschraube gedreht, bis wir wieder einen haben. Kann es sein, dass trotz eifriger Spionagetätigkeit, weder die eine noch die andere Seite genügend Infos hat, um sicheren Weges auf einen Weltfrieden hinarbeiten zu können? Von den USA weiß man, dass deren Bildungssystem keinen Platz für den Rest der Welt hat. Ein rechter Amerikaner kennt nur seine eigene beschränkte Welt, und die hat heil zu sein. Great, awsome, phantastic! Platz für Feinheiten ist da nicht. Eher für das pompöse Recht der Selbstverteidigung mit Feuerwaffen. Die US-Welt ist verwirrend, und außer Englisch,  profitbezogen oder strategisch-militärisch interessiert hier nichts. Seit dem Ersten Weltkrieg hat sich Amerika auf die Rolle des Guten eingeschossen. Nach dem großen Bankenkrach, Ende der Zwanzigerjahre, ging es schön weiter. Große europäische Unternehmen wurden im Namen des Kapitalismus übernommen. Das hat den berühmten American Way of Live heraufbeschworen. Der Mythos Amerika saß fest im Sattel. Und scheint immer noch zu sitzen, obwohl er allmählich teuer wird.

Die Alte Welt musste sich mit Diktatoren herumschlagen, von denen Hitler, Stalin, Mussolini und Franco am schlimmsten hausten. Dabei ist viel Porzellan zu Bruch gegangen, und die geschehenen Verbrechen haben Europa unglaubwürdig gemacht. Der alte Kontinent zerfiel in Sieger und Besiegte, Demokraten und Kommunisten, ehemalige Groß- und Kolonialmächte. Kein Wunder, dass Amerika wie selbstverständlich den ihm reservierten Platz auf der Weltbühne einnahm. Der Zweite Weltkrieg, bei dem Deutschland eine hoffentlich letzte zerstörerische Rolle spielte, hat eine Zeitenwende eingeleitet.
 Das alte Europa 

Eine andere Scheinwelt, weit weniger begütert, aber dafür bis an die Zähne hochgerüstet, war die sogenannte Sowjetunion. Sie gab ihren Bürgern Sicherheit und ein eigenartges Selbstverständnis. Der Sowjetmensch war verkrampft, ungebildet und aggressiv. Das wenigstens war das westliche Propagandabild. Als dann alles zusammenbrach, musste dieser Mensch neu beginnen, und das in einer Welt, die nur den materiellen Erfolg gelten ließ. Eine eingebildete Supermacht wurde nicht vom Westen zerstört, sondern hat sich selbst aus den Angeln gehoben. Gorbatschow war der große Visionär, dessen historische Einsichten heute noch vom ehemaligen Sowjetbürger verdammt werden, weil sie zur Demütigung eben dieser Sowjetmacht geführt haben. Die berühmte russische Seele, ein dem westlichen Europa so verwandtes Wesen, hat Schwierigkeiten, geschätzt und verstanden zu werden. Zwischen Amerika und Russland ist immer noch nicht die Ebene gefunden, auf der Vertrauen entsteht. Die USA denken doch nur, sie stünden im Zentrum des Geschehens. Weit gefehlt. Eine überalterte Illusion. Russland (siehe Insel Krim und Ukraine) versucht es immer noch als Kinderschreck. Aber auch Russland muss heute Rücksichten nehmen. Und, was ist mit China, Indien, Europa? Sind wir heute alle nur Zuschauer?

Historiker haben natürlich einen genaueren Zugang zur Geschichte. Sie brauchen oft auch mehrere hundert Seiten, um auf den Punkt zu kommen. Wenn Vereinfachungen und Verkürzungen in bester Absicht geschehen, müssen sie nicht falsch sein. Wie soll es also weitergehen? Das Ausspionieren unseres Privatlebens ist rechtswidrig und unergiebig. Reine Bürokratie wofür ein Großteil der Gelder zum Fenster hinausgeworfen wird. Niemand muckt mehr auf gegen diese Ungeheuerlichkeiten. Amerika, niemand nimmt dich mehr ernst. Und du, Russland, pass auf, dass du nicht zu einem USA-Verschnitt wirst!




Donnerstag, 29. Mai 2014

Me cago en tu leche - Scheißdrauf!

Schon als Kind haben mich deftige Ausdrücke immer wieder fasziniert. Manche haben den Gesichtsausdruck meiner geliebten Tante (sie war sehr katholisch) total entgleisen lassen. Das Wort "Scheiße" habe ich von ihr nie gehört. Einmal in meinem ganzen Leben musste ich das Wort "Gebambel" hören. Es war meine Tante, die es in äußerster Verachtung aussprach, als sie das männliche Geschlecht benamsen wollte. Ihre Lippen müssen ihr dann weh getan haben, und ihr Mund zitterte.
 Orientalisches Gebambel?

In meinem Berufsleben begegnete ich vielen, es waren meist Freunde, die eine ähnliche Neigung hatten: statt Busen hieß es dann Titten oder Tits. Undsoweiter. Ich werde mich hüten, alle Schmutzwörter aufzuzählen oder gar Namen von Freunden zu nennen. Ich bekam sogar einmal ein Wörterbuch mit spanischen Vulgärausdrücken geschenkt, das mir die Augen über die menschliche Fantasie völlig öffnete. Alle diese Freunde hatten großen Spaß daran, gelegentlich die Sau rauszulassen. Ich kannte einen superlieben, hochintelligenten Theologen, der es später bis zum Bischof brachte, bevor er leider viel zu früh gen Himmel fuhr. Wir waren insofern Studienfreunde, als wir an derselben Universität studierten. Wir waren echte Freunde, weil wir vieles gemeinsam hatten. Auch den Humor. Als Kirchenmann hatte er zu viel davon. Diesen konnte er auf normalem Wege nicht ausleben. Also machte er häufig freundliche Knüppelreime, die jeden erheiterten, der sie zu hören bekam. Plötzlich aber, mitten in einem Satz, stockte er dann. Ein peinliches Lächeln huschte über sein Gesicht. Er errötete schrecklich. Denn er war wieder auf eine jener verbalen Unwegbarkeiten gestoßen, die so anstößig waren, dass er sie nicht zu Ende sagen konnte. Ich liebte ihn wegen dieser Albernheiten. Und viele seiner anderen Freunde schätzten ihn dessertwegen auch.

Trotzdem lachen

Dann sah ich, ich weiß nicht mehr wann und warum, einen Fim, der in London spielte. Einen Krimi, in dem das Wort "Fuck" alle 5 Sekunden ausgestoßen wurde. Und hier in Wien, wo wir wohnen, musste ich an einer schönen blauen Donaubrücke lesen: "Fuck the Police". Der Grafittikünstler muss weit unter 20 gewesen sein, als er das hinmalte, denn, inflationäres Fucken von Polizisten ist nicht sehr aufschlussreich. Da scheint mir Schweigen und leichtes Erröten allemal besser, als ungehemmtes Herumpoltern mit Schimpfwörtern. Was sollen die anderen von uns denken? Ernest Hemingway, dem auch einmal die Stunde schlug, ließ einen seiner Helden ausrufen: Me cago en la leche de mi madre. Muttermilch. Das ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass viele nicht wissen, was sie tun. Hätte sich sonst Conchita Wurst CONchita genannt? Hätte sie dann mit "Carajo" den letzten Europa-GesangsCONtest gewonnen?

Dienstag, 27. Mai 2014

Zink oder die Steigerung der Lust auf Sex

Damit wir uns keine Illusionen machen: Zink ist ein Metall, das vor allem in China gefördert wird und zum Verzinken anderer Metalle dient. Feuerverzinkt ist das Zauberwort, das bei Dachrinnen und ähnlichen Produkten der Baubranche eine Rolle spielt. Auch der menschliche Körper benötigt Zink, aber Achtung: etwa 15 Milligramm am Tag reichen dem Mann, ca. 12 der Frau. Die tägliche Zufuhr von 200 mg etwa, würde zu Durchfall und Schlimmerem führen. Etwa 10 Millionen Tonnen Zink werden jährlich gefördert und verarbeitet. Man verspricht sich auch Erfolge bei der Zuführung geringer Mengen von Zink bei Depressionen. Und die visuelle Gedächnisleistung kann sich verbessern. Das wollen wir aber den Forschern und Wissenschaftlern überlassen. Selbst bei normalen Ärzten hätte ich da meine Bedenken. Den medizinischen Eintagsfliegen in der etwas lockeren Presse würde ich auch nicht trauen. Allzu oft haben sie schon Fantastisches an die Wand gemalt, das keiner Überprüfung standhält. Ganz zu schweigen von der Werbung, die dem ängstlichen Nochnichtpatienten jede Menge Unsinn aufschwatzen will.

Doch sind wir immer auf der Suche nach Wundermitteln wie Viagra, wenn es um die Steigerung der Lust geht, von der man nie genug bekommen kann. Das Thema "Potenz" dürfte alle über 20 interessieren. Deshalb hier die gute Nachricht: die Erdbeere, gerade auf natürlichem Weg in unseren mitteleuropäischen Gärten am Reifen, gilt nicht nur als köstlich, wenn sie nicht mit einem weißen Hinterteil behaftet ist, was bedeutet, dass sie unreifer Import ist, sondern auch als gesund und erotisierend. Natürlich ist es das Erotisierende an dieser Frucht, das unsere Aufmerksamkeit weckt. Hat man doch herausgefunden, dass die vorhandene Zinkmenge in der Erdbeere ausreicht, die Testosteron-Produktion so anzuregen, dass sowohl bei Mann als auch bei Frau verstärkte Lustgefühle entstehen. Das wollen wir gerne glauben. Darüber hinaus soll die Erdbeere auch noch das Herz stärken (Vitamin C Kalium), die Tätigkeit der Nieren anregen und den Körper schlank machen.
Papagei kann man das nicht nennen!

Leider besteht höchste Lebensgefahr für Papageien, wenn sie in einem verzinkten Käfig sitzen. Weil der Papagei (warum tut er das?) sich mit dem Schnabel am Gestänge hochzieht, bekommt er eine Überdosis an Zink. Igitt.






Frankreich: la déconfiture?

Zuerst müssen wir uns klar werden, was "déconfiture" bedeutet. Eigentlich heißt es finanzieller Zusammenbruch, jedoch kann man auch Ruin oder Untergang dazu sagen. Dass das Wort "confiture" etwas Süßes, also einen Brotaufstrich, beinhaltet, ist den Feinschmeckern überlassen. Die "déconfiture" ist das, was ein enttäuschter Franzose der gegenwärtigen Politik in diesem essbewussten Land bescheinigen möchte. Die Europawahlen haben dem Land eine neue Führerin namens Le Pen beschert. Die hat die Mehrheit der Stimmen erhalten und sagt: wir wollen ein französisches Frankreich, das französisch regiert wird und für ein französisches Nicht-Europa kämpft. Also eine französische Gesellschaft (endlich!), mit einer französischen Politik und mit französischen Lösungen der französischen Probleme. Ein bisschen viel französisch? Wir dürfen gespannt sein.

Präsident Hollande hat dagegen Reformen angekündigt. Werden wir jetzt endlich eine "traction en avant" erleben, also einen politischen Frontantrieb, oder eher eine "décontraction", also eine Entspannung, seelenruhig in Szene gesetzt von einer rechtslastigen Hoffnungsträgerin, die ein Viertel der Wähler in Frankreich gewählt haben und die jetzt "le vent en poupe" zu haben scheint? Also Rückenwind verspürt? Obwohl die Rechten sich auch in anderen Ländern bemerkbar machen, vor allem in Großbritannien (UKIP 30%), Dänemark (Dansk Folkeparti 23,1%) und in Ungarn, wo die FIDESZ des Viktor Orban 51,5% erreichte, sind in den 28 Mitgliedsländern der Union die Dämme noch nicht gebrochen.

On aime la confiture, pas la déconfiture

Und für Fräulein Le Pen wird die Stunde der Wahrheit spätestens dann schlagen, wenn die Franzosen gemerkt haben, dass sie sich wieder einmal zur Abstrafung der von ihnen zuvor gewählten Regierung haben hinreissen lassen. Geben wir also Francois Hollande noch eine Chance, die Dinge zu richten. Marine Le Pen braucht mehr als nur ein französisches Frankreich, sondern auch weniger französische Arbeitslosigkeit und mehr französische Investitionsfreude. Und die französische Zusammenarbeit mit dem Resteuropa wird dann schon mit genügend Rückenwind vorankommen. Schließlich haben in den meisten Ländern die Konservativen und die Sozialdemokraten die Nasen noch vorn und "toujours le vent en poupe".






Sonntag, 25. Mai 2014

Ein Bett für Edward Snowden. Was ist Solidarität?

Wir haben es alle mitgekriegt: Ein völlig unbekannter Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes NSA hat ausgeplaudert, was diese Schnüffelfirma so alles treibt. Dabei kann uns das Ausspionieren amerikanischen Privatlebens herzlich egal sein, denn es sind die amerikanischen Steuerzahler, die diesen gigantischen Apparat finanzieren. Wenn sie sich nicht wehren wollen, ist das ihre Sache. Was jedoch Snowden ebenfalls enthüllte, war die Tatsache, dass NSA weltweit operiert, und dass auch das Privattelefon von Leuten wie Angela Merkel und anderen Politikern systematisch abgehört wurde. Daran hat sich bis jetzt wohl nichts geändert.


Edward Snowden, der Whistleblower, hatte genug davon und veröffentlichte unglaubliche Details, die die ganze Welt aufschrecken ließ. Am 6. Juni ist der Jahrestag dieses mutigen Vorganges. Ein Wunder, dass der Autor dieses Riesenlecks inzwischen noch nicht exekutiert wurde. Das heißt, dass auch die USA an Grenzen gestoßen sind. Snowden sitzt vorläufig in Moskau, einem Ort, den man nur mit großem Vorbehalt als sicheres Asyl bezeichnen kann.

Während die Weltempörung bisher nicht nachgelassen hat, hat sich die künstliche Empörung mancher Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks allmählich gelegt. Es heißt, alle würden schnüffeln und sogar zusammenarbeiten. Man würde überlegen, wie man Exzesse in Zukunft verhindern könne. Das scheinheilig-mutige "DAS GEHT GAR NICHT" einer deutschen Bundeskanzlerin hat sich in lauwarme Versuche umgekehrt, das Ganze möglichst schnell vergessen zu machen. Das geht gar nicht!

Der Initiative von Campact, nähmlich am kommenden 6. Juni ein Schild an meine Tür zu hängen mit der Aufschrift: Ein Bett für Snowden würden wir gerne gerecht werden, jedoch steht unser Haus in Deutschland zur Zeit leer. Also blogge ich, denn ich möchte zeigen, dass Edward Snowden in Deutschland willkommen ist. Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags hat das Recht, ihn anzuhören, und Deutschland hat das Recht (und auch den Mut?), ihm trotz amerikanischer Drohungen sicheres Geleit zu gewähren, sowie sicheren Aufenthalt und die Zusicherung, dass er nicht ausgeliefert wird. Nur Bananenrepubliken lassen sich so gängeln, dass sie ihre eigenen Rechtsprinzipien über Bord werfen.

Ich habe schon mehrere Male über NSA gebloggt und meiner Empörung auch auf English Luft gemacht. Was regelmäßig geschieht, ist das Einklicken der USA, wenn alle Amerikaner friedlich schlafen, außer den Schnüffelspezialisten von NSA. Oder, wie erklärt man sich, dass zwischen 2 und 4 Uhr in der amerikanischen Nacht nur ein paar Europäer sich einklicken, weil es schon Tag ist, und immer nur einer in den USA? Ich habe es zur Genüge ausprobiert. In einem engen Netz, das viele Steuergelder verschlingt, verfangen sich vor allem unwichtige Details, die mit Verschwörung, Terrorismus und ähnlichen Aufregungen nichts zu tun haben. Ich hoffe, dass unsere Republik, bei aller Sympathie für Bananen, die Kurve noch kriegt und den Herrn Snowden ins Land lässt, damit er ungehindert aussagen kann.

Freitag, 23. Mai 2014

George Clooney auf der Bettkante

Ist er nicht sträflich schön, dieser graumelierte Star (ich sagte nicht: grauer Star!!!), für den die Frauenwelt freiwillig ins Wanken gerät? Ein hübscher Bengel, zwar auch schon über 50, aber in einer fest(lich)en Beziehung mit einer Italienerin namens Elisabetta. Oder bin ich da nicht mehr auf dem Laufenden? In seinem dunklen Anzug mit schwarzer Fliege möchte man diesen Hingucker gerne bei sich auf der Terrasse sitzen haben.

Schöne Männer stechen oft durch fesche Wadeln  hervor, manchmal auch durch üppigen Haarwuchs, aber sehr selten entdeckt man in ihrem Blick so etwas wie heitere Gelassenheit oder gar Intelligenz. Schaut einer sehr intelligent drein, ist er meist hässlich wie die Nacht. Also, dem George Clooney möchte man auch als Mann in einem Fahrstuhl begegnen, wenn eine Strompanne unverhofft dazwischen kommt. Als Frau ist es nicht auszudenken, was dann passiert. "Entschuldigen sie, warum starren sie mich so an? Ich bin nicht der, für den sie mich halten." Oder: "Mein Fräulein, sie gefallen mir. Einen so schön geformten Leib habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Ich bin übrigens George Clooney, der Star". Man kann sich da allerhand vorstellen, denn nicht nur Männer können sich als Tagträumer outen. Auch Frauen haben etwas Schwärmerisches im Blick, wenn sie auf Clooney-Schau gehen.


Wo habe ich das gelesen, vielleicht unter "heißer Gossip" in der BUNTEn? Die lese ich aber nicht. Also ist es mir zugeflogen: George Clooney ist kein Kostverächter und hat schon manches Techtelmechtel erfolgreich bestanden. Damit kommen wir zum Punkt: Wer seit Jahren mit einer halbwegs hübschen und superintelligenten Frau verheiratet ist, sieht keine Möglichkeit, sich selbst immer wieder als attraktiver Schönling ins Gespräch zu bringen. Wir Männer finden uns leicht damit ab, haben wir doch noch andere Sachen am Hals: Müll runter bringen. Hund ausführen. Die Spülmaschine füllen und den Dreck unter dem Sofa endlich entfernen. Da bleibt keine Zeit, sich die Fingernägel richten zu lassen oder den Fußpilz mit asiatischen Tinkturen zu bekämpfen.

Dear old Georgie war zweimal schon der Sexiest Man Alive. Das dauert ein ganzes Jahr. Was er jedoch tut, wenn er gerade nicht der lebende Erotik-Stenz des Jahres ist, bleibt weitgehend im Dunkeln. Vielleicht hat er dieses Schweigen den Politikern abgeschaut, die auch fast nichts über ihr Privatleben bekannt geben, obwohl sie gerne jeden Tag in der Zeitung stehen. Aber das gewisse Etwas muss man schon haben. Schließlich schreibt eine prominente Journalistin über "dear Georgie": "den würde ich nicht von der Bettkante stoßen". Als ich das meiner Liebsten vorlas, huschte ein seltsames Lächeln über ihr Gesicht. Was sie dann zu mir sagte, bleibt leider im Dunkeln. Ich darf also auch meinerseits weiter von George Clooney tagträumen. Sie tut es ja auch.


Mittwoch, 21. Mai 2014

Wiener G'schichten: das Suchtverhalten in der U-Bahn

Alkoholiker, Kettenraucher und DrogenUser haben etwas gemeinsam: die Sucht. Mit der Zeit wirkt sie sich auf das Gesicht und den Geldbeutel aus. Deshalb ist kaum ein Süchtiger dazu zu bewegen, auch noch stolz darauf zu sein. Meist wird geschwiegen, damit niemand etwas merkt. Gut beobachten lässt sich das oft dreifache Suchtverhalten in den U-Bahnen der Welt. Die vielgeliebte Wiener U ist da keine Ausnahme.
We speak English

Bevor ich mit meiner Jahreskarte in die U-Bahn steige, greife ich mir noch die täglich neue Postille, die es da gratis gibt, und die über das Geschehen in der Welt, in der Gesellschaft und in der Hauptstadt berichtet. Da gibt es Politik-Insider, einen Society Reporter (Conchita hat gerade das Näschen vorn und Arnie kann seinen Top-Body zeigen), und im politischen Teil erfährt man, dass das Parlament die Austro-Pop-Quote diskutiert. Und die Fuzo in der Mahü ist neu und mit viel Bahö. Als Fremder sollte man hier keine Fragen stellen, denn hier geht es um WIEN Heute.  Dann, widerum, wird auf Livesex hingewiesen, als ob Sex mit Toten eine Alternative wäre. Unter MONEY heißt es volle Power sparen! Unter SPORT erfahren wir von einem Showdown um den Titel. Und das alles all inclusive. Auch der Countdown zur Fête Impériale ist ein Highlight. Ob die Sprache Shakespears süchtig macht? Im Weichbild der Hauptstadt, und vor allem, wo die Touristen zu Tausenden herumeilen, scheint die Sprache Martin Luthers für immer ausgebootet. Sie wird nur noch als Hilfsgequake von Balkanflüchtlingen geradebrecht. Dabei könnte man außer Mahü, Fuzo und Bahö so leicht etwas längere Worte auf Deutsch als Ersatz für Society, Top-Body, Money und Showdown finden. Man muss nur suchen.

 RELIEFPFEILER

Eine Wortfindungskommission könnte vielleicht unter Umgehung bürokratischer Mätzchen Abhilfe schaffen, denn eine übergestülpte Muttersprache ist keine Muttersprache mehr. Andererseits sind die verquasten Meldungen in den Gratisblättern (der "King of Pop" ist auferstanden) eine echte Bereicherung. Also eine Ergänzung zu seriösen Tageszeitungen und zum täglichen Radioprogramm. Man kann das auch mit Humor sehen. Ich greife mir fast jeden Tag in der U-Bahn ein solches Blatt (nicht ohne ein gewisses Schaudern) und frage mich ob auch ich süchtig bin?

Endlich wieder eine gute Idee!

Dass ausgerechnet die Amerikaner die besten Geschäftsideen haben, wissen wir. Ich erinnere mich noch an das erste Buch, das über das Bermudadreieck verfasst wurde. Am Anfang war eine Theorie und eine Sammlung von Gerüchten über das unerklärliche Verschwinden von Flugzeugen und Schiffen in einer Meereszone an der Ostküste der Vereinigten Staaten. Die neugierige Menschheit war fasziniert. Ein weiteres Rätsel, das nie gelöst wurde. Das flink aufgelegte Buch muss ein Erfolg gewesen sein, wenigstens was den Verkauf betrifft. Obwohl ich äußerst zurückhaltend bin, wenn es darum geht, an neue Märchen zu glauben - Erich von Däniken steckt uns allen noch in den Knochen - habe ich mich damals dazu hinreissen lassen, das Buch zu kaufen. Wie fast erwartet: ein geistloser Schinken, der mit Gewalt glauben machen wollte, dass es dieses Dreieck tatsächlich gibt. Und Erich von Däniken konnte damals seinen Außerirdischen, den er getroffen haben will, auch nicht gerade auf dem Präsentierteller servieren.

 Alles über das Bermudadreieck 






Man muss eben eine gute Idee haben, wenn man die Menschheit mit einem neuen Buch beglücken möchte. Deshalb passiert jetzt der klassische Coup schon wieder. Da verschwindet ein Flugzeug mit 239 Passagieren. Wir werden nach bestem Wissen und Gewissen über den Todesflug MH370 informiert. Wir wissen fast alles. Oder doch nicht? Die Boeing der Malaysian muss ins Meer gestürzt sein. Zeugen gibt es keine mehr. Aber das erste Buch über diese Katastrophe ist jetzt erschienen. Ein Amerikaner besitzt die geschmackliche Größe (Geschäft ist Geschäft), zur Beschreibung eines sattsam traurigen Phänomens noch ein paar Details nachzuliefern. Damit dieser programmierte Bestseller ein Verkaufsschlager wird.

Ja wohin fliegen sie denn?
Der Autor, ein in Chicago geborener Vielschreiber - er nennt sich selbst eine echte Schreibfabrik -  hat schon über 150 Werke veröffentlicht. Sachbücher und Schöngeistiges, darunter 12 Bände über das Liebesleben der Päpste, berühmter Schwulen und Lesben, Präsidenten und anderer. Seinen Namen muss man sich merken: Nigel Cawthorne. Was er enthüllt, ist beunruhigend, denn seine Nachforschungen haben ergeben, dass die USA, zusammen mit Thailand an dem Verschwinden der Boeing schuld sind. Nach den Bermudaereignissen und den Verschwörungstheorien, die im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sonst noch kursieren, ist man schon geneigt, zu glauben, dass ein amerikano-thailändisches Militärmanöver zu Abschuss der Maschine geführt haben könnte. Wie gut das wieder vertuscht wurde, ist Gegenstand dieser Enthüllungen.


Das Liebesleben der Päpste mag vielleicht nicht so viel hergeben, aber das Verschwinden einer Maschine mit 239 Menschen sollte uns alle interessieren. Merkt euch den Namen Nigel Cawthorne. Sollte eines seiner Bücher in der Buchhandlung XY gesichtet werden, unbedingt die Schließung des Ladens verlangen. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben es gar nicht gerne, wenn man gegen die auferlegte Schweigepflicht in solchen Angelegenheiten verstößt. Ainsi soit-il.

Montag, 19. Mai 2014

Wiener G'schichten - endlich Licht am Ende des Tunnels


Wien ist eine teure Stadt. Nur das Konzert, das Conchita gestern gab, kostete nichts. Ansonsten steigen die Preise auf unerklärliche Weise. Konzerne haben die Lage im Griff. Das benachbarte Deutschland produziert viele Kosmetika, die hier in Wien zum Teil doppelt so viel kosten wie im Ursprungsland. Arme Conchita: für eine Nivea Cremeseife zahlt sie hier 14o% mehr als in Deutschland. Wimperntusche, ist im Land der Dichter und Denker schon für 4,45 € zu haben, im schönen Wien zahlt man für die gleiche Menge (10ml) 9,98 €. Das ist irgendwie ungerecht. Die Produzenten sollten auch etwas Fairness an den Tag legen und nicht nur hinlangen, wo der Markt es hergibt. Man kann dies nur als hemmungslose Gier bezeichnen.

Auch das ist Wien: Blutgasse

Eigenartig, dass auch viele Lebensmittel, wie von Geisterhand geführt, teurer werden. Dabei bleibt die Qualität oft ganz schön auf der Strecke. Wie oft habe ich die verführerisch angepriesenen Erdbeeren wütend ins Fach zurückgeschmissen, wenn ich sah, dass das Hinterteil der Erdbeere weiß und unreif ist. Dafür gibt es diese Witzbeeren das ganze Jahr über, genau wie die Trauben, die kernlos aus Indien angeschleppt kommen. Lecker kann man dazu jedoch nicht sagen. Und dann, plötzlich (die Unschuld vom Lande?) heißt es: Die Erdbeeren sind da. Was denn nun? Die Erdbeersaison aus heimischen Feldern hat begonnen. Da wird dann wohl die Qualität wieder steigen. Der Duft der Erdbeere gehört zu den Freuden des Frühlings, wenn sie reif sind. Da möchte man gerne eine Handvoll Früchte in eine Schale tun mit kräftig Schlagsahne drüber, in Wien liebevoll  Schlagobers genannt.
Sind wir nicht süß?

Dass jetzt alle verbale Variationen mit Wurst durchgespielt sind, hat mit der Erdbeersaison nichts zu tun. Conchita ist daran schuld. Nach ihrem Großkonzert am Ballhausplatz hat das Lokalblatt "Heute" etwas unverständlich getitelt: Wurstastisch. Und voll in der Wurstmania fragt sich der Kommentator politisch: Wird die EU-Wahl jetzt verwurstet? Ich glaube, dass für Conchita die  kryptische Phase ihrer Karriere begonnen hat. Am geilsten sind die Wurst-Selfies, die links und rechts der Szene entstehen. Vielleicht ist der Untergang Europas ja doch nicht mehr so weit? Wien, jedenfalls, freut sich. Auch auf die kommenden Temperaturen.

NSA: Ihr werdet uns nicht los!

Es ist unglaublich: die sogenannte älteste konstitutionelle Demokratie der Welt "weiß einiges über den Schutz der Privatsphäre. Daran sollte niemand zweifeln", kann man im Spiegel vom 5. Mai nachlesen. Es ist ein Zitat des US-Präsidenten Barack Obama, der gerade mal wieder die sogenannte mächtigste Frau der Welt in Washington empfangen hat. Die Kanzlerin, als sie herausbekam, dass ihr Telefon abgehört wurde, hatte gesagt: "Das geht gar nicht". Jetzt scheint es doch zu gehen, denn die Dame kam mit leeren Händen von ihrer Reise zurück.


Ein Journalist hatte gefragt, warum es nun doch kein No-Spy-Abkommen zwischen Deutschland und den USA gäbe - davon wurde einige Zeit lang fröhlich herumgeplappert - war die Antwort des Präsidenten sehr unklar. Auch auf die Frage, ob Merkels Leute weiterhin belauscht würden, kam nichts Verständliches. Obama hat andere Probleme. Seine sogenannte Gesundheitsreform (Obamacare) wird systematisch angefeindet und mies gemacht, das Mindesteinkommen krebst ebenfalls am Boden. Nicht zuletzt: der hemmungslose Gebrauch von Schusswaffen, auf die ein Amerikaner ein natürliches Recht zu haben glaubt, führt zu einer Unsicherheit, die nur in Krisengebieten zu erwarten ist. Und der amerikanische Rassismus wird in den sozialen Medien praktiziert wie eine liebgewonnene Sportart. Nichts davon ändert sich. Auch der Präsident hat da seinen Anteil.

Nach Angela Merkels abgeklärter Meinung gibt es auch nichts  aufzuklären. Meinungsverschiedenheiten kann es auch zwischen alten Freunden geben. Um die auszuräumen, durfte die Kanzlerin doch tatsächlich den Gemüsegarten des Weißen Hauses besichtigen. Wieviele Mikrofone und Kamera dort hinter Broccolistauden lauern, möchte ich nicht wissen. Dabei geht es eigentlich um den im März im Bundestag ins Leben gerufenen Untersuchungsausschuss, der partout den Verräter Snowden nach Berlin zu einer Befragung einladen wollte. Auch das geht jetzt gar nicht, denn die Kanzlerin hat Obama entsprechende Zusagen gemacht.

Unser aller Sicherheit

Wie lange lassen wir uns noch verschaukeln, von einer Supermacht, die keine mehr ist? Müssen wir die USA fürchten? Warum? Sanktionen sind dort vor allem Ankündigungspotenzial, sonst nichts. Die Wirtschaft würde darunter noch mehr leiden. Das zeigen Krisen wie die in der Ukraine. Natürlich arbeiten die Geheimdienste zusammen. Zusammen mit der NSA und dem GCHQ aus Großbritannien dürfen wir mitschnüffeln. Im höheren Interesse unser aller Sicherheit. Auch FBI und MI5 sind dabei. Und ein Rechtsgutachten aus Washington belehrt uns, dass jeder, der mit Snowden zu tun hat, ein potenzieller Krimineller ist. Also darf er nicht zur Befragung nach Deutschland. Die von Snowden "gestohlenen Informationen" dürfen nicht weitergegeben werden. Spiegel, sei achtsam, sonst geht es auch dir an den Kragen!

Warum brauchen wir ein Freihandelsabkommen mit einem solchen Land? Die Europäische Union ist wirtschaftlich ohnehin mächtiger als die Vereinigten Staaten. Damit wir uns weiterhin in ungute Abhängigkeiten begeben? Des Kaisers neue Kleider ähneln verdächtig dem zahnlosen Tiger. Man muss es allerdings selbst herausfinden. Danke für deine Hilfe, Edward Snowden. Verschaukeln können wir uns jetzt selbst.

Es ist jetzt 6h30 MEZ. Ich frage mich, wer heute in den USA mein erster Kunde sein wird? Gut geraten: NSA. Euer NSA-Deutsch wird immer besser! Ihr werdet uns nicht mehr los, bis wir über unsere eigene Privatsphäre selbst wieder  mitbestimmen können.



Freitag, 16. Mai 2014

Wiener G'schichten - Conchita am Ballhausplatz

Nein, ich werde nicht über etwas berichten, das noch nicht stattgefunden hat. Conchita Wurst, die jetzt ihr Konterfei auch auf einer Torte oder als Mortadella mit Bart bewundern kann, gibt den Wienern am kommenden Sonntag auf dem Ballhausplatz ein Konzert. Zehn- bis Zwanzigtausend Zuhörer und Bewunderer sind angesagt. Conchita als local hero auf politischem Terrain. Als Objekt der Neugier. Und hoffentlich auch als Symbol für die von ihr so beschworene Toleranz.


In seiner (täglichen?) Kolumne in "Heute" nimmt sich auch Kardinal Christoph Schönborn des Themas "Conchita" an. Ein Kirchenmann, der mal nicht ins Stottern gerät, wenn er über die grenzwertigen Befindlichkeiten von Mann und Frau spricht. "Das Leben ist erst richtig lebendig durch die gegenseitige Anziehung von Mann und Frau. Wie köstlich und kostbar ist die Ergänzung der Geschlechter". So weit, so gut, Herr Kardinal. "Wie wir aber alle wissen, gibt es im Garten Gottes eine bunte Vielfalt", fügt er dann hinzu. Wie ich die etwas verstaubte Haltung der Kirche kenne, hat der Kirchenmann sich da bereits etwas weit aus dem Fenster gelehnt, denn der orthodoxe Katholik lehnt alles Ungewöhnliche im Spiel der Geschlechter entschieden zurück. Sieg der Toleranz? So weit sind wir noch nicht.

Der Kardinal wünscht Thomas Neuwirth, alias Conchita, "dass ihm dieser Erfolg nicht über den Kopf wächst". Ich wünsche dem neugebackenen Star allen Erfolg. Sollte ihm etwas über den Kopf wachsen, werden sich die eigens dafür zuständigen Moralapostel automatisch melden und den Finger auf die Wunde legen.  "Ja, unsere Welt braucht echte Toleranz" sagt der Kardinal. Ich wünschte, über den Begriff "Toleranz" müsste nicht so viel gestritten werden. Manche verstehen darunter immer noch nur, dass man jemand nicht gerade umbringen sollte, wenn er an die Grenzen der Toleranz gerät.


Toleranz jedoch ist auch liebendes Verständnis. Egal was einer treibt: wenn er die Rechte anderer nicht beeinträchtigt, ist er automatisch im Recht. Was wir brauchen, ist mehr vorauseilende Toleranz, nicht nur das elegante Abnicken, das dem Nicker eine großzügige Haltung bestätigt und den Verursacher mit hochgezogener Augenbraue gewähren lässt.

Donnerstag, 15. Mai 2014

Der Ton wird rauher

Ich weiß, es klingt überspannt, der Welt eine Weltrevolution voraussagen zu wollen. Niemand will eine solche Revolution. Niemand kann sich etwas Genaues darunter vorstellen. Wie wird sie sich gestalten? Warum soll sie stattfinden und vor allem wann?  Revolutionen, totale Umstürze, chaotisches Umkippen geschichtlicher Entwicklungen gab es schon viele. Nur zwei Revolutionen - wenn man von der badischen von 1848 einmal absieht - sind uns als nennenswert in Erinnerung: die Französische, um die noch heute in den Geschichtsbüchern viel Wind gemacht wird, und die industrielle Revolution, die im 19. Jahrhundert viele Länder erfasste, darunter Großbritannien und kurz danach Deutschland. Die Folgen dieser Umbrüche sind noch heute zu spüren, wobei die Französische Revolution von 1789 eher ein nationaler Knall war, der allerdings auch über die Grenzen des Landes hinweg Rauchschwaden hinterließ.

Schluss mit Idylle

Die industrielle Revolution brachte viele Veränderungen: das Entwurzeln eines Teiles der ländlichen Bevölkerung, die Entstehung eines Proletariates und der Beginn der Aufhebung der Klassengesellschaft, sowie die Bildung von Großkapital. Wer kein Historiker ist, kann sich erlauben, solche Entwicklungen gerafft darzustellen. Eine Erfindung jagte die andere. Die Vorbereitung der Menschen durch die Aufklärung hat dazu geführt, dass alles machbar schien und alle Probleme einer Lösung entgegen gebracht werden können. Die Gleichheit der Menschen, auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau ließen den Glauben entstehen, dass wir einer menschlich ertäglichen, um nicht zu sagen, einer vielversprechenden Zukunft entgegen gehen würden. Kommunikation entstand im modernen Stil: Telefon, Rundfunk, Fernsehen, Mobilität jeder Art und jetzt das Internet. Dann die Rückschläge, in denen wir noch heute knietief stecken: Weltkriege und Zerstörungen im großen Stil, Holocaust, Rassismus, Verarmung, Naturkatastrophen, Entstehung und Vernichtung von Kapital durch unsachgemäßen Einsatz, Tsunamis, fast alles im biblischen Ausmaß. Ein positives Weiterso unserer Erde ist bei all diesen Möglichkeiten von Fehlentwicklungen nicht mehr denkbar. Dabei ist an die schweren Folgen des bevorstehenden Klimawandels noch nicht einmal gedacht.

Schluss mit Luxus

Seit George Orwell wissen wir, dass es einen Großen Bruder gibt, der uns überwacht. Heute heißt er NSA, National Security Agency, oder, je nach Land, halt eben anders. Die Entwicklung der Weltbevölkerung hat schon lange die sogenannten großen Länder hinter sich gelassen. Andere sich jetzt groß: China, Indien, und zum Erstaunen vieler, die Facebook-Gemeinde. Die bereits drittgrößte der Welt. Was wir jetzt brauchen, ist das englische Gebrabbel, weltweit, dessen schon wir schon fähig sind. Damit ist die minimale Verständigung auf Weltebene möglich, zumal es immer welche gibt, die auch gerne in ihre Muttersprachen übersetzen. Kommunikation rund um den Globus ist eine Voraussetzung für das Zirkulieren von revolutionärem Gedankengut.

Wie wird eine solche Revolution also aussehen? Sie wird sich in Zerstörung äußern und dabei an die versteckten Geldmassen herankommen wollen. Also notwendige Umverteilung? Warum, wann und wo? Das sind die Fragen, die uns in den kommenden Jahren beschäftigen. Das Warum hat mit der Untätigkeit der Politiker zu tun, die sich mit kosmetischen Korrekturen zufrieden geben, statt den Stier bei den Hörnern zu packen. Auch mit dem systematischen Verschweigen wichtiger Sachverhalte (Besitzverhältnisse, Lobbytätigkeit, Seilschaften). Auf mehr Steuergerechtigkeit hat man ein Bürgerrecht. Die gemeinsame, internationale Bekämpfung von Steuerflucht ist Staatenpflicht. Wenn die Mehrheit eines Volkes in gleicher Weise verarmt und keine Chancen für ein normales Leben mehr gesehen werden, ist es so weit. Ein freiwilliges Herausgeben von Vermögen, wenn man genügend hat, ist undenkbar. Da kommen Gedanken der Gewalt auf. Wann? Sobald alle begriffen haben, dass es keinen Ausweg mehr gibt und dass man nichts mehr zu verlieren hat.


Dann genügt der bekannte Funke, der in Eile überspringt. Dass Milliarden Menschen innerhalb von Minuten weltweit auf den gleichen Informationsstand kommen, erfahren wir bereits täglich.
Dann heißt es nicht mehr: "Allons enfants de la patrie", denn das Vaterland ist dann nicht mehr die überschaubare Welt, sondern die internationale Wüste, frei von Visionen und Illusionen. Wo sollen die Befreiungs-Ideen dann herkommen, wenn nicht aus dem Internet. Tsunamis, die in Augenblicken alles umreißen, sind dann der Anfang einer Weltrevolution, die sich keiner wünscht, die aber kommen wird. Wann? Früher als man denkt.













Dienstag, 13. Mai 2014

Nachtrag zu Conchita Wurst

Es ist leicht, über so etwas zu meckern. Sich auch lustig zu machen, ist sicher ganz einfach. Aber Conchita Wurst, oder Tomas Neuwirth hat sich gut geschlagen. Österreich fühlt sich geehrt wie noch nie, Mozart hin oder Johann Strauss her. und hochgehoben. Der Russe Wladimir Schirinowki hat sich zwar das Maul zerrissen und vom Untergang des Abendlandes gesprochen. Er ist ein hirnloser Idiot, nicht ernst zu nehmen. Das wissen auch viele Russen. Ich hatte mehrere Male das Vergnügen, mit ihm auf Pressekonferenzen herum zu sitzen. Er hat es auch geschafft, mich als Moderator grundlos zu beleidigen. Conchita muss also noch viel Schmäh dieser Art ertragen. Man kann nur hoffen, dass er/sie das alles an sich abprallen lässt.


Der Song Contest ist tatsächlich so etwas wie ein europäisches Kulturereignis geworden, dank Conchita. Ich kenne nichts Ähnliches, das so typisch europäisch ist. Dabei kann man natürlich auch von einem Lalala Event sprechen, denn echt kulturell hochfliegende Ereignisse haben nicht das Talent, von Millionen Zuschauern ferngesehen zu werden. Der Rest sind traurige Krisen, wie die in der Ukraine, die täglich abgefrühstückt werden oder was auch immer.

Es wäre verfrüht, den endgültigen Durchbruch für die Schwulen und Lesben und sonstwie sexuell Gearteten zu feiern. Doch Conchitas Aufruf für mehr Toleranz war wichtig. Toleranz kann doch nicht beim Sexuellen enden, nur, weil die meisten wohl immer noch auf diesem Gebiet total verkrampft sind. Sex ist etwas Schönes. Das gilt auch für Heterosexuelle. Wer beim Sex Liebe, Lust und Freude empfindet, liegt goldrichtig. Die Zeiten, wo so etwas verboten und geächtet war (hallo, ich grüße vor allem unsere Freunde im Vatikan und alle mit dem Herz auf der erzkonservativen Seite), sind dann wohl vorbei. Schön wäre es jedenfalls. After all: sex ist not everything on Earth. Aber, es gehört dazu.

Sonntag, 11. Mai 2014

Conchita Wurst - Wien steht kopf

Hat der Bengel es doch geschafft! In der schlüpfrig-selbstmörderischen Arena des Eurovision Song Contests in Kopenhagen hat er/sie sich bis an die Spitze des europäischen Singwettbewerbs hochgeschluchzt. Nein, nicht geschluchzt, wie viele andere, sondern mit ehrlichem Einsatz eben hochgekämpft. Bei der bekannten und gefürchteten Stimmabgabe, bei der politische, nachbarschaftliche, sentimentale und taktische Argumente überwiegen (Griechenland und Zypern, Weißrussland und Russland, Deutschland und der Zweite Weltkrieg?) war eigentlich für Conchita nur die Karte mit der bizarren Einmaligkeit, immerhin aber gepaart mit dem gekonnten Halten eines Tones, am Stechen. Allerdings war jedoch auch das beherrschte Gestenspiel und die majestätisch-bescheidene Haltung während des Auftritts gespickt mit Pluspunkten. Conchita hat nicht sinnlos mit den Händen herumgefuchtelt. Sie hat auch nicht versucht, als Sexbombe das Publikum kirre zu machen, und sie ist nicht wie eine Kampfsportlerin auf der Bühne herumgeturnt. Das wurde belohnt. Sogar das traditionell deutschfeindliche Israel (ja, das ist verdient) sorgte für den Anschluss und gab Österreich reichlich Punkte. Da kann von Vetternwirtschaft gar nicht gesprochen werden.


Einmal abgesehen vom Mut, in Frauenkleidern einen Bart stehen und sich wie eine Frau aussehen zu lassen, auf jede Art von Geschlechtsbestimmung zu verzichten und auch noch einigermaßen gut zu singen, gehört wohl auch ein verzweifelter Sprung ins kalte Wasser dazu, der geübt sein muss. Obwohl, die musikalische Qualität dieses Spektakels lässt schon seit ewigen Zeiten die Haare des Publikums wild zu Berge stehen lässt. Es scheint einfach nichts mehr Zündendes herüber zu kommen. Frankreich war ein solches Beispiel: hilflose Bemühungen und abstruses Gehopse führten denn auch zu einer Punktlosigkeit, die die gerne französisch parlierende und singende Nation ins Hinterfeld absacken ließ.

Bleibt also Conchita. Ich habe mich ein wenig in dieses Wesen verliebt. Man muss störrisch sein, an sich glauben und Leistungsbereitschaft zeigen, um so etwas durchzustehen. Conchita hat wahrscheinlich einen eigenartigen internationalen Tsunami ausgelöst. Ich frage mich, ob die Geheimdienste dieser Welt, voran die NSA aus den USA, von der Entwicklung der Dinge im Voraus eine Ahnung hatten. Man kann ja nie wissen. Vielleicht arbeitet die National Security schon an der Entdeckung des dritten Geschlechts. Der Gebrauch von Schusswaffen sollte da verboten werden, damit die fleißigen US-Sekten nicht auf falsche Gedanken kommen. Ich gebe Conchita Wurst satte twelve points und gratuliere ihr. Gut gemacht, Conchita. Mach weiter so!







Freitag, 9. Mai 2014

Spin doctor - Kultmacker

Politiker haben ihn. VIPs haben ihn. Unternehmer haben ihn. Das über 10 Jahre alte Wörterbuch sagt überhaupt nichts, denn den Begriff gab es noch nicht. Was treiben diese Spindoktores? Fisch ist sexy, lese ich irgendwo. Das muss ein Spindoktor erfunden haben. Meine Nachforschungen haben ergeben, dass Fisch nicht sexy ist. Aber, was ergeben heute schon sogenannte Nachforschungen? Was ist sexy? Ich hatte immer gedacht, Frauen seien sexy. Sie können Männer sexuell erregen. Heute weiß man, dass auch Männer sexy sein können. Dank des Erfindungsreichtums der Spindoktoren.


Wer also einen Spindoktor hat, braucht sich um sein Image oder seinen Life Style nicht mehr zu sorgen. Entdeckt ein kluger Journalist, dass zu viel Zucker in einer Nahrung ist, für den es in den USA über 50 verschiedene Vokabeln gibt, die das verbergen, oder, dass ein bestimmtes Produkt durch Kinderarbeit und Sklavenmaloche entstanden ist, erfindet ein Spindoktor so etwas wie Coca Null, oder einen schönen Unsinn über Fair Trade, Bio, oder Umweltschonung, vom Erzeuger persönlich abgefüllt usw. Bei der antiken Reklame trat oft noch eine hausfraulich gekleidete Dame auf und schilderte das Weißeste Weiß oder gar die Aprilfrische. Ein guter Texter - das konnte auch der Enkel des Firmenbesitzers sein - kreierte einen Slogan, den dann jeder nachbeten konnte: Der gute Stern auf allen Straßen, oder so. Der Spindoktor tritt nicht persönlich in Erscheinung. Er operiert im Hintergrund.

Ein wenig anders ist es in politischen Kreisen. Da kommt es immer noch auf Eloquenz an. Wer etwas gut und (un)verständlich formuliert, hat gewonnen. Da werden Phrasen gedroschen, die einen Allgemeinstatus beanspruchen, weit ab von jeder Kompetenz. "Die Renten sind sischer", parlierte ein Minister namens Blüm. Für diesen hanebüchenen Unsinn sollte er heute noch ein Ehrenabzeichen erhalten, denn Mut gehörte dazu, so etwas zu behaupten. Politische Diskussionen über Renten, Steuerreformen, Bankenaufsicht, Klimawechsel und Wohlstand sollten bei Strafe verboten werden. Oder kommt da doch etwas heraus?

Spindoktor, beim Verschaukeln der Menschheit
Ein Spindoktor ist also jemand (kann auch eine Frau sein), der so deutlich mit Nebelkerzen herumläuft, bis auch der Scharfsinnigste nicht mehr kapiert, worum es geht. Alles muss im grellen Licht kosmetischer Reparaturen erscheinen. Dabei sind nebulöse Vereinfachungen genau das, was wir nicht brauchen. Es beruhigt uns, zu wissen, dass es eine "gesunde" Ernährung gibt. Dass unsere Banken für uns mitdenken, auch wenn sie hohe Prozente für Überziehungskredite kaum erwähnen. Wenn der Wohlstand steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt, Mindestlöhne eingeführt werden und für randvolle Supermärkte gesorgt ist, bleibt das Wesentliche im Dunkeln. Spindoktoren sind also Verschönerungsheinis, Kultmacker, Lügenspezialisten. Hauptsache, wir glauben daran. Im englischen Wörterbuch lesen wir u.a. unter "spin": sich etwas ausdenken, etwas erzählen, spinnen. Eine Art Brüder Grimm also, eine neue Art, Märchen zu erzählen. Vielleicht war die gute alte Reklame doch nicht so schlecht? Sie hat versucht, zu betören, zu überzeugen und mit Informationen zu dienen. Das ist schon lange vorbei.






Dienstag, 6. Mai 2014

Zeitzeugen?

Ja, wir brauchen sie. Alte Videos reichen nicht. Was hat sich in 50 - 60 Jahren alles verändert! Junge Menschen, wenn sie intelligent und neugierig sind, wollen wissen, was vor ihnen war. Das kann nur jemand vermitteln, der schreiben und/oder erzählen kann. Doch, was ist wissenswert? Was fasziniert einen jungen Menschen, wenn er gewisse Erfahrungen (noch) nicht gemacht hat? Ein Anruf, neulich, meines einzigen noch lebenden Vetters, machte es wieder deutlich: So viel Gemeinsames haben wir gar nicht. Wir sind in verschiedenen Städten aufgewachsen, hatten unsere eigenen Familien und kamen zusammen, wenn Opa, der schon weit über 80 war, mal wieder Geburtstag hatte. Wir haben also diese Erinnerungen und bleiben damit weitgehend allein.

Dabei möchte man so vieles an die Jungen weitergeben. Nicht, um vor selbst einmal gemachten Fehlern zu warnen. Nicht, um Grimms Märchen nachzuerzählen, wie schön einmal alles war. Sondern, um Wissen weiterzugeben, das sonst einmal unwiderruflich verloren geht. Der Krieg, die Nachkriegszeit. Der Hunger. Die erste Liebe. Die erste Waschmaschine. Der erste Flug. Gestern war ich noch in Budapest. Nicht zum erstenmal. Da fielen mir unsere ungarischen Flüchtlinge ein, eine Familie mit einem Großvater, einer Mutter, zwei kleinen blonden Töchterchen und einem Kleinkind, im Laufe von 1945 zu uns gekommen. Sie durften unsere Küche benutzen, und wir sangen zusammen. "Awla kumban, awla kumban .......hulwila". Die Melodie ist mir geblieben, den Text kannte ich nicht. Vor ein paar Tagen traute ich mich, im jüdischen Viertel von Budapest im Gasthaus einen jungen Ober danach zu fragen. Er lachte, kannte das Lied aber nicht. Es fing an: "Am Fenster, dort, am Fenster" oder so. Jahrelang hatte mich die Neugier nach diesem Lied geplagt.

Budapest, Budapest

Dann lernte ich in den Sechzigerjahren in der Schweiz eine Ungarin kennen. Sie arbeitete als Lehrerin in einem spießigen Internat. Sie hieß Esther J. Ihr Bruder sei Filmemacher und im kommunistischen Budapest geblieben, sagte sie. Sie wanderte dann nach Kanada aus. Was ist aus ihr geworden? Die interessanten Menschen, denen man im Leben begegnet, vergisst man so leicht nicht. Aber die Umstände verblassen. Dass man anstehen musste, um einen halben Liter Magermilch zu bekommen. Dass das Lädchen an der Ecke Frau Kratzer gehört hatte, die Wild, Eier und herrlich duftende Äpfel verkaufte. Wer mag sich daran noch erinnern?

Bei Kriegsende sah ich die ersten Schwarzen in meinem Leben. Wesen aus einer anderen Welt. Sie sprachen Französisch, dann Amerikanisch. Letztere verteilten an uns Kinder Massen an Kaugummis. Nicht, weil sie schwarz waren, sondern weil sie Kinder liebten. In Deutschland war da ein Kind noch ein züchtigungswerter Jungmensch. Nein, vor Pädophilen musste man normalerweise noch nicht gewarnt werden. Die verseuchten noch nicht das Internet und waren auch nicht organisiert. Briefmarkensammeln war eine Leidenschaft für Knaben. Dann kam das Karl-May-Lesen. Coca Cola war noch nicht als zuckerverseuchte Pest verschrieen, sondern kam wie eine Errungenschaft aus Amerika. Dafür verschwanden alle Tante-Emma-Läden. Sie wurden nach und nach von den Supermärkten zerstört. Mein Vater sagte mir einmal, dass eine Brezel in seiner Jugend 6 Pfennige gekostet hatte. Heute finanzieren wir die Supermärkte mit ihren Parkplätzen, die Bankfilialen mit ihren Parkplätzen, die Autobahnen. Da muss eine Brezel bis zu 2€ kosten. An Sparen ist da auch nicht mehr zu denken.

Seit ich vor blutjungen Studenten von der Syracuse University bei New York auf Englisch meine Kindheitserinnerungen aus der Nazi-Zeit, und was davon übrig blieb, schilderte, weiß ich, was zu tun ist, damit nicht noch mehr verloren geht. Nicht nostalgisch verklärt zurückblicken, sondern relevante Beobachtungen von gestern vermitteln, damit die Welt nicht einfach in eine hirnlose Zukunft stolpert.