Freitag, 16. Mai 2014

Wiener G'schichten - Conchita am Ballhausplatz

Nein, ich werde nicht über etwas berichten, das noch nicht stattgefunden hat. Conchita Wurst, die jetzt ihr Konterfei auch auf einer Torte oder als Mortadella mit Bart bewundern kann, gibt den Wienern am kommenden Sonntag auf dem Ballhausplatz ein Konzert. Zehn- bis Zwanzigtausend Zuhörer und Bewunderer sind angesagt. Conchita als local hero auf politischem Terrain. Als Objekt der Neugier. Und hoffentlich auch als Symbol für die von ihr so beschworene Toleranz.


In seiner (täglichen?) Kolumne in "Heute" nimmt sich auch Kardinal Christoph Schönborn des Themas "Conchita" an. Ein Kirchenmann, der mal nicht ins Stottern gerät, wenn er über die grenzwertigen Befindlichkeiten von Mann und Frau spricht. "Das Leben ist erst richtig lebendig durch die gegenseitige Anziehung von Mann und Frau. Wie köstlich und kostbar ist die Ergänzung der Geschlechter". So weit, so gut, Herr Kardinal. "Wie wir aber alle wissen, gibt es im Garten Gottes eine bunte Vielfalt", fügt er dann hinzu. Wie ich die etwas verstaubte Haltung der Kirche kenne, hat der Kirchenmann sich da bereits etwas weit aus dem Fenster gelehnt, denn der orthodoxe Katholik lehnt alles Ungewöhnliche im Spiel der Geschlechter entschieden zurück. Sieg der Toleranz? So weit sind wir noch nicht.

Der Kardinal wünscht Thomas Neuwirth, alias Conchita, "dass ihm dieser Erfolg nicht über den Kopf wächst". Ich wünsche dem neugebackenen Star allen Erfolg. Sollte ihm etwas über den Kopf wachsen, werden sich die eigens dafür zuständigen Moralapostel automatisch melden und den Finger auf die Wunde legen.  "Ja, unsere Welt braucht echte Toleranz" sagt der Kardinal. Ich wünschte, über den Begriff "Toleranz" müsste nicht so viel gestritten werden. Manche verstehen darunter immer noch nur, dass man jemand nicht gerade umbringen sollte, wenn er an die Grenzen der Toleranz gerät.


Toleranz jedoch ist auch liebendes Verständnis. Egal was einer treibt: wenn er die Rechte anderer nicht beeinträchtigt, ist er automatisch im Recht. Was wir brauchen, ist mehr vorauseilende Toleranz, nicht nur das elegante Abnicken, das dem Nicker eine großzügige Haltung bestätigt und den Verursacher mit hochgezogener Augenbraue gewähren lässt.

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