Dienstag, 26. März 2013

Der Aufschrei

Wir haben die Nase voll! Es reicht jetzt! Dabei begann es wie eine Liebesgeschichte: man ist Kind, erwacht, weil es draußen so seltsam hell und still ist. Die Mutter kommt ins Zimmer und sagt: "Schau mal aus dem Fenster"! Alles ist weiß. Der erste Schnee macht Kinder fröhlich. Schnell haben sie die Mütze auf, die Handschuhe an, um jubelnd hinauszustürmen. Wir Älteren freuen uns natürlich auch. Aber in Maßen, denn man rutscht nicht gern. Der Winter ist da. Wenigstens auf der nördlichen Halbkugel. Die Kälte wird schnupfend in Kauf genommen. Schon steht der erste Schneemann vor dem Haus, die unvermeidliche Karotte als Nase, fest im Gesicht.

Diese Sonne! Kaum auszuhalten!

Gewöhnlich ist Ende März schon längst der Frühling eingekehrt. Die ersten Ostereier stecken ihre Rundungen ziehmlich aufdringlich und schokoladen entgegen. Doch jetzt ist eine Lage entstanden, die das Fernsehen weidlich ausnützt. "Halb England im Schnee versunken". Gewöhnlich regnet es dort. Jetzt sterben Schafe in Nordengland und Tausende sind ohne Strom. Und in Baden stehen im März die Veilchen stolz in den Rabatten. Die ersten Sonnenbrände sagen Hallo. Die Eisheiligen bereiten sich auf ihr schräges Tun vor. Pustekuchen! Dieser März wird im Gedächtnis bleiben. Die zähe Eiseskälte, auch hier in Wien: man möchte verzweifeln.

Frühling in Wien!

Andererseits, haben wir schon bemerkt, wie die Medien glücklich sind? Endlich wird der Wetterbericht wieder ernst genommen. Man bangt um jedes Grad Celsius, vermerkt jeden Zentimeter Schnee, den es gegenüber anderen Epochen mehr gibt. Superlative. Das ist es wonach wir eifern. Ich habe die innere Emigration angetreten. Ignoriere den Matsch unter meinen Füßen. Sage nicht viel, denn das Wetter kann man auch als gottgegeben hinnehmen. Ich nehme hin. Aber, wehe, der erste richtige Sonnenstrahl kommt heraus. Dann ziehe ich mein Kurzärmeliges an. Die Sonnenbrille auf und ergehe mich endlich mal wieder. Von den Eisheiligen hat man schon vorausgesagt, sie seien dieses Jahr nicht zu befürchten. Irgendwie haben sie ja ihre Überdosis an Kalt vorproduziert. Jetzt ist Schluss damit.




Montag, 25. März 2013

Max Ernst - sehr ernst, oder doch nicht?

Es wäre nicht angemessen, Max Ernst als einen malenden Spassmacher abzutun. Dafür ist er viel zu ernst. Dass seine Werke der Entarteten Kunst zugeordnet wurden, kann nur dem banausigen Wahnsinn des Dritten Reiches entsprungen sein. Irrige und pathologische Zuweisungen sind in der Kunst immer wieder an der Tagesordnung, wobei das Wort "Ordnung" seltsame Bedeutungen annimmt. Unordnung? Unterordnung? Abordnung? Verordnung? Öffentliche Ordnung? Diese war natürlich durch Künstler wie Max Ernst von Anfang an gestört, ja verstört.

Albertina in Wien

Man überzeugt sich am besten vom Schaffen dieses Surrealisten, indem man die derzeit auffälligste Ausstellung in Wien besucht: Scharen von Interessierten aus aller Welt strömen zur Zeit in die Albertina in Wien, wo das malende "alter ego" von Sigmund Freud, wie es scheint, gerade Hof hält. Es ist nicht die erste Max Ernst Ausstellung hier, in der Albertina. Auch die von 2008 ("Une semaine de bonté") war ein Erfolg. Wie die vielen anderen in Berlin, Paris, London, New York, Köln, Frankfurt, um nur ganz wenige zu nennen. Manche mögen Max Ernst noch zu den Spinnern des 20. Jahrhunderts zählen, ähnlich wie Dalí, Picasso oder Hundertwasser. Das Ungewöhnliche hat hier die Kunst bestimmt, nicht der traditionelle Pinselstrich. Aber, wie unmöglich es ist, einen Künstler wie Max Ernst, der auch Lebenskünstler war (1891-1976), unter einen Hut zu bringen, wird auch wieder einmal in der Albertina vorgeführt. Er hat in Köln den Dadaismus mitbegründet und ist in Paris Mitglied der ersten Surrealisten geworden. Darüberhinaus schuf er vieles mehr.

"Hier sterben die Kardinäle" (1962)

Wie so oft, ist es am besten, einfach hinzuschauen und selbst zu denken. Die meisten Entdeckungen macht man ohnehin selbst.

"Zwei Personen und ein Vogel" (1926)


Der Humor, vielleicht nur die Ironie, ist nie zu übersehen. Die Vielfalt seiner Ideen und Ausdrucksformen sind am leichtesten zu begreifen. Aber, warum er was gemalt oder geschaffen hat, bleibt das Rätsel, das Max Ernst seiner Nachwelt aufgibt. Ein Suchender, der auch nach der Liebe suchte und viermal verheiratet war, darunter mit Peggy Guggenheim, der Kunstmäzenin und Sammlerin. Ein Fliehender, weil er verfolgt und angefeindet wurde. Auch das hat ihn geprägt.

"Mondspargel" (1935)



"Landschaft mit Getreidekorn" 1936
Max Ernst, der große Surrealist. Maler, Grafiker, Bildhauer. Auch Gedichte hat er verfasst, mit Paul Éluard, dem französischen Dichter, und die Illustrationen dazu selbst geschaffen. Sein Einfluss? Kaum abzuschätzen. Von Mark Rothko und Jackson Pollok, den amerikanischen Malern, weiß man, dass sie ihm viel verdanken. Doch in der Kunst ist es so: der eine zeigt dem anderen den Weg. Das wird manchmal sehr deutlich. Epigone ist man dadurch nicht. Man findet den eigenen Weg und schreitet weiter. Max Ernst ist seinen Weg gegangen. Gut, dass er gelegentlich durch eine intelligent gemachte Ausstellung wieder zurück kommt.

"Der König spielt mit seiner Königin" (1944)


Das Auge des Betrachters, leicht verfremdet.











Freitag, 22. März 2013

Die Dinge des Lebens

Was sind die Dinge des Lebens? Wie sucht und wie findet man sie? Man sucht oft nicht und findet doch. Man findet oft, ohne zu suchen. Die Träume sind unsere Wirklichkeit. Wir erkennen es daran, dass wir an die Wirklichkeit oft nicht glauben können. Ungläubiges Erstaunen, wenn man als Kind unter dem Weihnachtsbaum das ersehnte Spielzeug entdeckt. Man hatte die Hoffnung schon aufgegeben. So lernt man, an das Gute zu glauben.


Die Mutter sagt: du bist ein braves Kind. Der Vater sagt: mach weiter so, Junge! Dann geht man hinaus ins Leben und sucht. Oft täuscht man sich. Macht alles falsch. Dann: hier ist sie, die Liebe, auf die man immer hoffte. Man weiß, dass sie unverdient daherkommt. Ein Geschenk, das man nicht ausschlägt, weil man es mit warmem Herzen zurückgeben kann.

Die Krankheiten: sie kommen ungefragt. Aber gehen sie wieder? Manchmal haften sie an dir für immer. Du musst damit leben (können). Auch mit ungeliebten Menschen. Bist du normal? Intelligent? Wie wirst du wahrgenommen? Dieses Lächeln dort, ist es echt? hinterhältig? reflexhaft? Augen können sprechen. Oft sagen sie nichts. Manchmal stechen sie. Ich muss Brille tragen. Das hat mein Schicksal irgendwann für mich bestimmt.


Meine Triebe? Ich freue mich, dass ich nicht hassen kann. Dass ich nicht geizen kann. Und, dass ich Triebe habe: die Lust auf die Geliebte in meinem (unserem) Bett. Zum Glück hasse ich den Geschlechtsgenossen nicht. Er ist gern gesehener Mitmensch. Aus Angst kehrt man seine Gefühle gegen den Andersartigen. Aber das Weibliche an sich, das andere Geschlecht, ist das Ding meines Lebens. Dafür leiste ich mir Dankbarkeit. Stell dir vor, du lebst im falschen Körper, du liebst das eigene Geschlecht. Das alles verstehe ich. Aber, nicht lieben zu können, oder einen zu niedrigen Trieb zu haben (auch der Geiz spielt da mit), würde mich schon ein wenig grausen.

Also sind die Dinge des Lebens wie sie halt sind: ich bin gerne allein, liebe den menschlichen Umtrieb, kann genießen, wenn es etwas zu genießen gibt. Kann leiden, wenn es sein muss. Lachen, dass mir die Rippen schmerzen. Und dem Ende mit Gelassenheit entgegen sehen. Kann man das?











Donnerstag, 21. März 2013

Die Mörder machen Hausbesuche

Und wir lassen sie ein. Als ich ein kleiner Junge war, liebte ich unseren Hausarzt, Dr. Nees. Er war ein älterer Herr mit einer großen Nase. Er war immer zur Stelle, wenn jemand krank war. Mit vier Jahren hatte ich etwas an der Galle. Dr. Nees kam in seinem braunen Opel P4 und sagte zu mir: "Du darfst jetzt ein Jahr lang nichts Gesalzenes essen und vor allem keine Butter". Ich folgte und wurde irgendwie wieder gesund. Was mir blieb, war die große Vorliebe für Butter, mein Leben lang. Hausbesuche von Ärzten sind heute selten geworden.


Gerade habe ich mir abgewöhnt, Kartoffelchips zu essen. Schon lange kenne ich den Zwang der Reisenden in amerikanischen Überlandbussen, vor allem der übergewichtigen, an jeder Haltestelle aus dem Bus zu klettern, an den Automaten zu gehen und für einen Dollar einen Beutel Chips herauszunehmen. Schon auf dem Weg zurück zum Bus - es sind nur ein paar Schritte - wird die Tüte aufgerissen, und das Geknistere beginnt von Neuem. Eine Sucht, wie mir scheint, der wir alle mehr oder weniger erlegen sind. Damit frisst man bis zu 35% Fett, viel Zucker und zu viel Salz. Alkoholiker haben es da unter Umständen etwas leichter, denn, wenn sie besoffen sind, essen sie weniger. Das gilt wohl auch für Nikotinsüchtige.

Das Suchtverhalten wird von der Ernährungsindustrie bewusst gefördert, obwohl es viele ahnungslose Mitmenschen ins Jenseits befördert. Ihre Lobby verhindert immer wieder, dass Maßnahmen getroffen werden, die eine gesündere Ernährung möglich machen. So verstehen es amerikanische Produzenten, über 50 Bezeichnungen von Zuckerzusätzen bei Lebensmitteln zu erfinden, darunter so etwas wie "verdampfter Rohrsaft", nur, um zu verschleiern, wieviel Zucker sich im jeweiligen Produkt befindet. Konzerne wie Nestlé (Maggi, Mövenpick, Thomy, Herta, KitKat etc.) machen im Jahr über 12 Milliarden € Umsatz. Da ist man sich mit den anderen Großen (Unilever, Danone, Lactalis etc.) immer einig, dass an dieser zerstörerischen Schraube nicht gedreht werden darf. Allein Nestlé gibt im Jahr 3 Mrd. $ für Werbung aus. Da kann man sich kinderleicht als Gesundheitskonzern, Familienförderer und Naturschützer darstellen. Eine bayerische Verbraucherministerin der Bundesrepublik wird da doch nicht einzugreifen versuchen. Die britische Ampel-Idee, nämlich, bei Lebensmitteln durch rot, gelb und grün den Grad der potenziellen Schädlichkeit anzuzeigen, hat sie geflissentlich an Brüssel abgegeben. Damit gewinnt die Fressindustrie erst mal wieder Zeit.


Bei der Zigarettenindustrie hat es auch Jahrzehnte gedauert, bis sie gezwungen wurde, das Tödliche am Rauchen zuzugeben. Wenn man der Autoindustrie in Deutschland an die Karre fahren möchte, taucht sofort ein Männchen auf, das einmal Verkehrsminister in Baden-Württemberg war, und beschwört die angeblich bedrohten Arbeitsplätze. Jetzt hört man, dass Tiefkühlfisch zwar kein Pferdefleisch enthält, aber zu viel Wasser (über 20%), was den Preis unnötig hochtreibt, denn dieses Wasser muss bezahlt werden. Zu viele Kohlehydrate, zu viel Fett, zu viel Zucker, zu viel Salz. Die Anzahl der Toten als Folge dieses gesteuerten Ernährungswahns ist schwer zu schätzen, aber hoch. Was muss eigentlich noch geschehen, damit eine verbrecherische Profitmaschine endlich zum Halten kommt?

Um meine Gesundheit muss sich niemand sorgen. Das tu' ich selbst, indem ich mir keine Chips und (fast) keine Fertigprodukte mehr kaufe und den Alkoholpegel unter der Kopfschmerzgrenze halte. Ein sehr übersichtlicher Artikel (Die Menschen-Mäster") befindet sich im SPIEGEL No. 10 (Essen kann tödlich sein). Obst und Gemüse habe ich immer schon gerne frisch gegessen. Anderen wird es ebenso gehen. Jetzt muss den Konzernen gezeigt werden, dass sie uns gnadenlos in den Tod schicken. Lassen wir sie auf ihrem Fressersatz sitzen!





























Mittwoch, 20. März 2013

Wiener G'schichten II

Die Sache mit dem Mann, der bei uns in der Blutgasse aus dem Fahrstuhl stürmte, als ich nach Hause kam, ging mir seitdem nicht aus dem Kopf. Ich hatte schlecht geschlafen. Eine unbestimmte Unruhe hatte mich gepackt, kaum erklärlich, denn ich bin kein ängstlicher Mensch. Allmählich schwächte sich dieses Gefühl ab, und ich verließ ziehmlich frohen Mutes das Haus. Es sah überall nach Frühling aus. Die Menschen bewegten sich heute schneller. Sie sprachen fröhlich miteinander. In wenigen Minuten war ich wieder am Graben, dem vitalen Zentrum von Wien.

Kärntnerstraße, Ecke Graben

Ich traf Cath um die Mittagszeit, an der Pestsäule, denn wir wollten zusammen essen. Es gibt im Zentrum endlos viele Möglichkeiten. Alle nationalen und internationalen Küchen sind hier vertreten. Noch habe ich etwas Zeit, die ich nutze, zum Judenplatz hinüber zu gehen. Dort, in einer Art Buchhandlung mit Antiquitäten erstehe ich ein silbernes Milchkännchen und ein seltsames Buch, von dem ich nie etwas gehört hatte: "Adolf Hitler mein Jugendfreund" von August Kubizek, zuerst erschienen 1953, jetzt in einer Sonderausgabe des Leopold Stocker Verlages von 2002. Knapp 300 Seiten, die penibel genau belegen, dass auch ein Monster in jungen Jahren ein Idealist sein und eine echte Freundschaft zu einem anderen Jungen haben konnte. Es war, wie immer, meine Neugier, die mich das Buch kaufen ließ. Es ist ehrlich, und es gibt Einsicht in einen jungen Adolf Hitler, von dem wir verständlicherweise eher nichts Gutes wahrnehmen wollen. Vielleicht eine unnötige Übung, die aber etwas zum Thema "Wer war Hitler?" beitragen kann.

Der schöne Judenplatz

Der Judenplatz hat es in sich. Ein klotziges Monument, von der britischen Künstlerin Rachel Whitehead geschaffen, 10 x 7 Meter breit, ist wohl als Hindernis für diesen schönen Platz gedacht. Es versperrt einfach die Sicht. Simon Wiesenthal hatte das schlichte Denkmal angeregt. Wer es betrachtet, wünscht sich, es hätte den Holocaust und die Judenverfolgungen nie gegeben. Diesen Sinn kann man herauslesen, obwohl die Geschichte der Juden, die an diesem Platz seit etwa 1150 lebten, so komplex ist, dass ein ganzes Studium nicht ausreicht, allen Geschehnissen gerecht zu werden. Da wirkt das Denkmal Gotthold Ephraim Lessings, dem deutschen Dichter des "Nathan der Weise", wie eine Erlösung. Doch auch hier haben die Nazis dazwischen gefunkt. Der Dichter der Toleranz war ihnen natürlich nicht genehm. Das zerstörte Standbild wurde nach dem 2. Weltkrieg neu gegossen. Man sieht, dass die Wiener ihren Judenplatz lieben, wie er heute ist. Doch das Jüdische Museum habe ich noch nicht besucht.

                                                              Lessing am Judenplatz

Wir hatten ein gutes Mittagessen, diesmal im Levante, einem türkischen Restaurant mit serbischer Bedienung. So ist das eben in Wien. Ich machte mich auf den Weg, um noch Einkäufe zu tätigen. Mit Tüten belastet (der Österreicher sagt: Sackerln) begab ich mich in die Blutgasse. Wieder beschlich mich ein ungutes Gefühl, als ich ihn wieder sah: den Mann mit dem großen Hut. Er sah nicht furchterregend aus, hatte tiefblaue Augen und schaute mich scharf an. Die Fahrstuhltür schnappte zu. Ich stand davor, und der Mann drehte sich nach mir um, als erinnere er sich, dass wir uns bei Nacht schon mal begegnet waren. Dann war ich mit meinen Tüten wieder allein und stieg verwirrt in den Lift. In der Wohnung holte ich das grässliche Massenblatt "Heute" aus der U-Bahn heraus und begann zu lesen: "Kind tot aufgefunden. Phantomzeichnung des mutmaßlichen Täters". Die Ähnlichkeit mit meinem Hutträger war nicht zu übersehen. Was, um Himmels willen, sollte ich tun? Ich kaufte noch eine Zeitung, die etwas vertrauenswürdiger erschien und las auf der dritten Seite, dass das mysteriöse Verschwinden eines dreijärigen Knaben in der Innenstadt noch nicht aufgeklärt war. Vor Müdigkeit muss ich eingeschlafen sein, denn ich kann mich nicht mehr an irgend etwas genau erinnern.












Montag, 18. März 2013

Das Krokodil beißt zu - es geht um Kroatien

Da denkt man, man kennt Europa, und wird plötzlich in ein Land verschlagen, das sich auf halbem Weg zum Balkan wähnt, und doch auch noch zu Mitteleuropa gehört: Kroatien, dessen Hauptstadt Zagreb an der Save liegt, jenem Fluss, der zumindest gefühlsmäßig Mittel- von Südosteuropa trennt, oder eher miteinander verbindet. Wie wenig man die bewegte Geschichte Kroatiens kennt, erfährt man schnell. Verwirrend ist sie, und sie beginnt vor über 900 Jahren. Papst Johannes Paul II feierte dies noch vor nicht langer Zeit mit über 1 Million Gläubigen in Zagreb. Dann kamen Sprünge, die man weitgehend überspringen muss, um sich nicht in einem Chaos historischer Wechselbäder zu verlieren. Nur so viel: Am Ende des Ersten Weltkrieges (1918) sagte sich Kroatien von jeglichen staatsrechtlichen Bindungen mit der ehemaligen Donaumonarchie Österreich-Ungarn los. Im Zweiten Weltkrieg war das Land zwar ein unabhängiger Staat, stand jedoch unter deutschem und italienischem Protektorat. Dann wurde es Teil von Jugoslawien, protestierte 1970-71 gegen die kommunistische Regierung in Belgrad, doch der sogenannte Kroatische Frühling wurde niedergeschlagen, und Kroatien nahm am Zerfall Jugoslawiens teil, genau wie die anderen Teile Jugoslawiens. Erst 1991 konnte das Land seine Unabhängigkeit wieder erlangen. Jetzt steht es vor dem Eintritt in die Europäische Union.

König-Tomislav-Platz, Hauptstadt Zagreb

Auf der Landkarte erinnert Kroatien an den Kopf eines Krokodils. Zagreb könnte das Auge sein, während die adriatische Küste den inselreichen Unterkiefer darstellt. Opatija, nicht weit von Rijeka entfernt, ist auch heute noch, was es vor über 100 Jahren schon war: die kroatische Riviera, Ferienort der Kaiser und Könige, der Künstler und der Reichen, mit einer hinreissenden Küstenpromenade von 12 km Länge. Cath wurde dorthin eingeladen, um eine Auszeichnung entgegenzunehmen,  die von einer südosteuropäischen PR-Vereinigung für professionelle Kommunikationsarbeit verliehen wird.

Die Ausgezeichneten


Wir haben uns über diesen PRO-PR-Award 2013 sehr gefreut. Der Rahmen war großartig, die Veranstaltung perfekt durchgeführt, während einer Konferenz zu PR-Fragen, und alle Teilnehmer freuten sich über die Herzlichkeit dieses Ereignisses. Ich musste natürlich mitkommen. Der Sprung von Wien nach Zagreb war kurz, die Autofahrt nach Opatija (ca. 170 km) angenehm. Es lag noch viel Schnee, doch die Riviera empfing uns mit kräftigem Sonnenschein , eiskaltem Wind, der sich am nächsten Tag legte und ersten Frühlingsboten: Osterglocken, Gänseblümchen und die Vorahnung, dass in ganz wenigen Tagen der Frühling ausbrechen würde. Doch der Weg führte uns ganz schnell wieder zurück nach Zagreb.
Tomo mit Enkel beim Frühstück

Eine Übernachtung gönnten wir uns dort, denn wir wollten Tomo treffen. Einen alten Freund aus den Zeiten des Studiums in Freiburg. Tomo wurde durch seine Tochter Irena auf unseren Besuch vorbereitet. Abends noch erschien er im Hotel und nahm uns mit in die Altstadt. Wir überquerten den König-Tomislav-Platz, eine schöne Parkanlage, die an K.u.K.-Zeiten erinnert. Alles an dieser Stadt erinnert an etwas: Herrschaften, Kirchenfürsten, Minderheiten. Obwohl über 90% der Zagreber Kroaten sind, leben dort auch Serben, Bosniaken, Deutschsprachige, Ungaren, Slowenen, Tschechen, Ukrainer. Entsprechend ist die Hinwendung zu anderen Ländern. Keine andere Stadt hat soviele Städtepartnerschaften wie Zagreb. Um die 15 sind es. Dazu gehören Mainz, St Petersburg, Shanghai, London, Wien, Budapest, Pittsburgh. Das Agramer Tagblatt und die Agramer Zeitung, die beiden deutschsprachigen Tageszeitungen, sind verschwunden. Auch das Kriegsschiff, das den Namen "Zagreb" trug. Es wurde 1941 versenkt.

Man spürt den Frühling

Am Vormittag unseres Abfluges nach Wien besuchten wir mit Tomo dessen Tochter Irena, den Mann und die drei Kinder. Eine bosnische Familie wie aus dem Bilderbuch. Irena ist Dolmetscherin für Deutsch und Englisch, doch spricht sie auch andere Sprachen. Nach dem gemeinsamen Frühstück nahm uns Tomo in die barocke Altstadt, in die Gemäldegalerie, in den Dom. Am Spätnachmittag verabschiedeten wir uns: ich drohte Tomo damit, für eine Woche wieder zu kommen, um ihm endlich ein paar Grundregeln des Kochens beizubringen. Tomos Frau verstarb vor Jahren, und er hat zwar seine regelmäßgen Essplätze, doch das Kochen blieb für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Unglücklich scheint es ihn nicht zu machen, denn bei Irena und ihrem Mann wird gut gegessen. Für uns war es sicher nicht der letzte Besuch in Zagreb. Wie schön, dort einen alten Freund zu haben.


The crocodile swallowed us


When you look at the map of Europe towards the South East where Mitteleuropa (Central Europe) melts into the Balkans, with the River Save flowing through the Croatian capital Zagreb as an imaginary border between two different cultures, you discover a crocodile's head with its mouth wide open.  That crocodile was the route we took as we headed out through masses of snow covering the mountains on our way to Opatija (via Rijeka) the old holiday ressort where emperors, royals and famous artists enjoyed the charm of the Kvarner Bay, already more than a hundred years ago. This Eastern coast of the Istrian peninsula is lovingly called the Opatija Riviera, with its beautiful Adriatic beaches and a 12 km long promenade.


A cold wind was blowing, when we arrived there, but the sun announced the imminent outburst of Spring. Daffodils and other rather exotic flowers already sticking their necks out. We attended a conference about recent developments in PR, starting on Friday, 15 March and culminating in the evening with a perfectly organised award ceremony followed by a pleasant dinner. Music, speeches and dance accompanied the handing over of well deserved awards to experienced communication specialists. The Kvarner Hotel, an illustrious place for such ceremonies, with its famous cristal room,


was at walking distance from the other magnificent Hotel, where the participants were housed, the Ambasador. As a loving husband, who had no other choice then to come with her all along from Vienna, I was nicely included in it all and enjoyed it a lot (as well as the excellent bottle of white wine I entirely emptied), namely to be present when Cath received her PRO PR Award 2013.



The only regret one has is that it all ends so fast. One wants to continue to dream. Stay a bit longer to welcome Spring after a cruel Winter and to find out more about the slightly rusty glamour of past times which is omnipresent in this wonderful place Opatija. We would come again, one day, we thought, and then we were brought back to Zagreb for an other exciting day.

Isn't she proud and happy?




Donnerstag, 14. März 2013

Wiener G'schichten I

Etwa seit 2 Monaten sind wir in Wien. Alles ist neu: wir leben in einer Weltstadt, mitten im 1. Bezirk, das heißt direkt hinter dem Stephansdom. Der Stephansplatz liegt uns zu Füßen. Von unserem Erker, im 4. Stock der Blutgasse, blicken wir direkt in Richtung Graben, neben der Kärtner Straße das Herzstück Wiens. Vier weitere Fenster erlauben uns, das Mozarthaus in der Domgasse Nr. 5 zu betrachten, in dem Wolfgang Amadeus Figaros Hochzeit komponierte. Wir genießen das Gefühl, an einem echten Nabel der Welt angekommen zu sein. Wien, die historisch geschwängerte Metropole!


Der Graben ist eine Promenierstraße, eine Einkaufsattraktion, ein Sammelplatz für Touristen, eine Anhäufung von Kaffees. Wehe, man geht in ein Café und bestellt einen Kaffee. Sofort wird man als ortsunkundiger Kaffeebanause eingestuft. Es heißt: kleiner Brauner oder großer Brauner. Melange oder Einspänner. Das Unwort "Espresso" hört man nur in italienischen Einrichtungen. Nicht gerade ideal zum Erkunden der wiener Kaffeekultur. Um den Graben herum haben sich auch alle Weltmarken angesiedelt, die ihre teuren Waren an die Frau oder den Mann bringen wollen: Tiffany, Cartier, Vuitton, Salamander, Bally, Hermès, Gucci, Hilfiger, Burberry, Diesel und die speziell wienerischen Läden, die ebenfalls einen Klang haben: Sacher, Meinl, etc.

Pestsäule am Graben

Die Pestsäule steht in der Mitte des Grabens. Japaner und andere zücken bedenkenlos die Kameras um das barocke Getürme, teils vergoldet, teils durch Drahtverhau vor Taubenschiss geschützt, zu knipsen. Sie knipsen auch alles andere, wie überhaupt in Wien wahnsinnig viel fotografiert wird. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass Wien etwas Sinnliches hat. Viele eindrucksvolle Fassaden werden, wie zum Beweis, von nackten und halbnackten Frauen und Männern üppig gestützt. Wien zeigt hier die Schokoladenseite. Die engen Gassen hingegen führen in ein oft unbekanntes Wien, das aber nicht weniger interessant ist.





Der Schuh an sich




Imielda Marcos, die ewig lebende Witwe des philippinischen Diktators Marcos, hatte in ihren jungen Jahren schon um die 2000 Paar Schuhe gesammelt. Ob sie alle an ihren pfiffigen Füßen ausprobiert hat, ist nicht verbrieft. Hier in Wien hätte sie die helle Freude an dem Angebot an Schuhkreationen. Nicht alle sind tragbar. Das ist sicher. Aber der Schuh des Winnetou hat hier auch seinen Platz: Sioux heißt das Geschäft.

Am 12. März, vor 75 Jahren, erlebte Wien den "Tag der Schande". Adolf Hitler, selbst ein gebürtiger Österreicher, marschierte ein und vollzog den sogenannten Anschluss. Eine Gedenkveranstaltung hält fest, dass es nicht nur Gegner dieses Anschlusses gab, sondern auch solche, die das nationalsozialistische Hetzgut freudig begrüßt haben. Die Gratis-Ausgabe von HEUTE (KEIN MORGEN OHNE HEUTE), ein Blatt mit einem gestrichenen Maß an journalistischer Unsäglichkeit, widmete dem Erinnern ein paar wenige Zeilen. Dafür steht auf dem Titelblatt: "Wienerin erfand Wunder-Schuh".  Und nochmal eine Drittelseite weiter hinten, nachgelegt: "Schmerzfreie Höhenflüge auf ganz bequemen High Heels" . Die Gewichtungen sind eigenartig. Vielleicht braucht der gelangweilte U-Bahn-Fahrer diese Droge. Denn dort liegen die Erzeugnisse aus.

Jetzt bemerke ich etwas Seltsames. Am Stephansplatz sehe ich ein kleines Kind mit einem kleinen Rollkoffer hurtig und ganz allein in Richtung Graben laufen. Sofort schaue ich nach der eventuellen Mutter, die das 2-3jährige Baby im Auge hat. Ich kann weder Mutter noch Vater entdecken und schaue dem Kind beunruhigt nach. Andere Passanten scheinen ebenfalls verwundert. Dann verliere ich es aus den Augen. Ich beruhige mich mit dem Gedanken, dass keine sorgende Frau dieses Kind einfach weiterrennen lässt. Jemand wird sich ihm nähern und nach der Mami fragen. Der Gedanke lässt mich los, doch fühle ich mich nicht wohl dabei, nichts unternommen zu haben. "Fressen ihn die Raben, fällt er in den Graben"? Ich hätte Verantwortung übernehmen sollen, geht es mir durch den Kopf!

Schon wird es dunkel. Der Graben wendet alle Lichter auf, um im abendlichen Glanz zu strahlen. Ich eile in die Blutgasse, warte im winzigen Hof auf den Aufzug, der mich in den 4. Stock bringen soll. Die Fahrstuhltür öffnet sich, und ein älterer Herr mit tief heruntergezogenem Hut stürmt heraus. Er hält ein vermummtes Paket in den Armen. Im Nu ist er draußen verschwunden. Meine Unruhe begleitet mich bis zur Wohnung. Dann fällt mir ein, dass ich nicht in den Briefkasten geschaut habe. Also drücke ich auf Erdgeschoss und fahre nochmals hinunter. Post war keine da, doch der Herr mit dem großen Hut erschien plötzlich wieder im Hauseingang, immer noch mit dem Paket auf dem Arm. Schnell schließe ich die Fahrstuhltür und drehe den Schlüssel um, der mich in den 4. Stock zurück bringt. Dann verschließe ich die Wohnung von innen.  



















Mittwoch, 13. März 2013

Warten auf den Rauch

Das Konklave in Rom spitzt sich zu: wird es ein Italiener, Brasilianer, Afrikaner? Wer es nicht wird, wissen wir schon: kein Deutscher, kein Österreicher, kein Australier, keine Frau, keiner, der nicht Kardinal ist. Das ist in etwa alles, was gewusst werden muss. Die Hysterie der Medien ist unerwünscht. Warum können wir nicht in Ruhe gelassen werden. Der letzte Papst ist in den Ruhestand getreten. Der Vorletzte hatte Parkinson. Davor gab es einen Herzensguten, einen, der nach kurzer Papstzeit verstarb, einen, der vielleicht mit den Nazis, wer weiß? Wichtig ist, dass die Berichterstattung nicht unnötig hysterisch sondern einigermaßen historisch verläuft.


Warum müssen die Medien, das heißt vor allem, das Fernsehen, immer wieder auf den Trick hereinfallen: nicht alle Menschen sind katholisch oder "gute" Katholiken. Warum immer den gleichen Unsinn wiederkäuen? Wir wissen jetzt alle, dass es 115 Kardinäle sind, die den neuen Papst wählen. Warum ein mäßiges Ereignis zur Sensation hochputschen, während brennende Fragen in den Hintergrund treten? Wir warten geduldig auf den Ausbruch eines Vulkans. Auch Kriege künden sich an, werden jedoch erst eingeblendet, wenn es die ersten Toten gibt. Aber sind wir so geil auf die Nachricht aus dem Vatikan?


Können wir die Frage bereits beantworten, wie der neue Pontifex mit den Problemen der Zeit umgehen wird? Mit der bekannten Heiligenscheinheiligkeit? Mit dem gesetzten Pathos des Politikers? Mit dem nüchternen Menschenverstand? Ich kann warten. Ich muss nicht live mit Rom verbunden sein, um schwarzen oder weißen Rauch aus der Sixtinischen Kapelle aufsteigen zu sehen. Ich kann warten. Seelenruhig.

Dienstag, 12. März 2013

Bauernfängerei

Ein treffendes Wort, das etwas aus der Mode gekommen ist. Genau wie unsere Werte, die einen atemberaubenden Abstieg erleben: Banken, Supermärkte, Politiker, alles kriminell? Wenn jemand naiv war, glaubte er zunächst an das Gute in anderen Menschen. Was ist daran falsch? Wenn jemand christlich war, benötigte er nicht die viel beschworene christlich-jüdische Wertegemeinschaft (die Andersgläubige automatisch außen vor lässt). Wenn jemand (etwas) Geld hatte, brachte er/sie es auf die Bank, der er/sie genug Vertrauen schenkte. Heute vertraut nur noch die Bank der Dummheit ihrer Kunden. Das mehrt den Gewinn. Wenn im Supermarkt drinstehen würde, was draufsteht, könnten wir vertrauen. Doch die Pferdewurstfreilandeier-Arie bliebe für immer ungesungen.


"Ich bin eine anständ'ge Frau" hieß es mal in einem fröhlichen Lied. Das hat damals niemand zum Lachen gereizt. "Er ist ein aufrechter Kerl" klingt noch in unseren Ohren. Heute, wo die Doktortitel offiziell ab- statt anerkannt werden, Bundespräsidenten, bevor sie wieder ausschieden, das Händchen aufhielten (zum Glück hatten wir nur einen solchen Fall), scheint die Werteskala außer Kraft gesetzt. Wer mehr verdient als er zum guten Leben braucht, wird steuerlich geschont, wer an der Armutsgrenze herumirrt, oder gar schon an der Bürgertafel sitzt, wird geflissentlich übersehen. Und die Politik lebt nur noch davon, geschliffene Reden zu halten. Inhalte kommen nicht mehr vor. Und, noch diese Woche wird es zu einem neuen Papst kommen. Ein Erneuerer? Die alten Werte und so? Wir werden sehen, wie der sich aus der Wertespirale herauswinden wird.


Interessant, wie die Werbesprache heute so formuliert: wir sind es uns wert, die Haut über 40, frei von Beschwerden, und: lesen wir eigentlich, was gesund macht? Der %-Vorteil, nur solange der Vorrat reicht, vernebelt, dass woanders Preise nicht etwa steigen, sondern einer angemessenen Anhebung unterliegen. Und die Medien? "Schneechaos auf Deutschlands Straßen", "Angriff Israels auf Iran rückt näher" las man gestern irgendwo in Österreich. Bauernfängerei ist zwar ein angestaubter Begriff, aber, passt dieser nicht hervorragend in unsere Zeit?



Sonntag, 10. März 2013

Geadelt, doch nicht gepudert

Meine Frau, ein kluges Kerlchen, das beruflich weit herumkommt, hat mir gerade gemailt, dass sie mit der holländischen Königin (ja, sie ist noch Königin!) zusammen einen Orangensaft getrunken hat. Das geschah in Den Haag, wo gerade wieder mal etwas Internationales stattgefunden hat. Wie schön: eine Holländerin, zugleich Königin, und eine Engländerin, die aus Wien kommt, haben sich getroffen und ein paar nette Worte getauscht.


Bevor ich wegen solcher Adelung einen leichten Neidschub verspüre, erinnere ich mich schnell, dass auch ich in jungen Jahren einmal mit einem leicht und vornehm stotternden Earl und Vetter der englischen Königin in Wimbledon auf einem roten Teppich stand. Small talk, der feinen Art, sonst nichts. Hape Kerkeling hat sich nie an der englischen Königin versucht. Vielleicht kommt das noch. Beide Damen haben jedoch zur Genüge bewiesen, dass sie Humor haben. Elizabeth, zuletzt, als sie mit James Bond aus dem Hubschrauber "sprang", um die Olympischen Spiele in London zu eröffnen. Beatrix fährt dafür in der Öffentlichkeit Rad.

Und ich? Da tut sich nicht mehr viel, außer, man bezeichnet das, was mir heute früh zugestoßen ist, als eine Art Ritterschlag: ich konnte um 10 Uhr 5, mitteleuropäischer Zeit, den 10.000sten Seitenaufruf meiner Blogs, weltweit, vermerken. Wer mich allerdings durch diesen Knopfdruck geadelt hat, konnte ich nicht herausfinden.

Mein Kampf

Ich vermute mal, dass der Buchtitel "Mein Kampf" nicht urheberrechtlich geschützt ist. Sollte er es doch sein, pfeife ich drauf. Der Autor war ein weltbekannter Verbrecher, der ein konkretes Ziel in seinem politischen Leben erreicht hat: er brachte Deutschland (damals noch relativ unschuldig) und Österreich (ein auf Kleinstaatdimension geschrumpftes Weltreich) im Rahmen eines lange gehegten Führertraumes unter dem Stichwort "Anschluss" zusammen. Ob gewaltsam oder unter Begeisterungsstürmen, da sind auch heute noch die Geister uneins. Er war Österreicher, und als Eroberer eher mit Napoleon als mit Bismarck zu vergleichen. Die Geschichtschreibung versucht immer noch, diesen Störenfried mit seinem ominösen Buch so gut es geht außen vor zu halten.


Da ich vor Jahren eine türkische Fassung dieses Werkes auf der Insel Zypern zu sehen bekam, fragte ich mich, was wohl der Sinn (und Zweck) einer andersprachigen Ausgabe sein kann. Blindes Vertrauen in einen, der nur große Töne gespuckt hat? Hatte der Autor uns damals etwas zu sagen? Womöglich heute? Ich erinnere mich: Am Ende des Krieges, der "Feind" war gerade durch unser Dorf gezogen und begann, Haus für Haus nach Verdächtigem durchzuforsten. Meine Mutter öffnete alle Fenster, um die Frühlingsluft ins Haus zu lassen. Auch der väterliche Bücherschrank wurde geöffnet und, siehe da, meine Mama brachte ein Buch zum Vorschein, das ich noch nie gesehen hatte: "Mein Kampf" soviel konnte ich schon lesen. Später hieß es, man habe das Buch geschenkt bekommen und ein Buch wurde kaum weggeworfen, wenn man es noch nicht gelesen hatte. Dieses wurde weggeworfen. Meine Eltern hatten es nicht gelesen.

Das Schlimmste was einem Buch passieren kann, ist, nicht gelesen zu werden

Dann, Jahre später, hatte ich Mühe, das einzige Exemplar der Universitätsbibliothek in Freiburg zu Gesicht zu bekommen. Ich konnte es nicht ausleihen, sondern musste es im Lesesaal Kapitel für Kapitel nachlesen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Nicht nur stieß ich auf recht unvergorenes Zeug, das keiner Nachprüfung standgehalten hätte, nein, das Buch war voller grammatikalischer Fehler und stilistischer Ungereimtheiten, sodass mir sofort der Gedanke kam, nur geistig behinderte Adolffans konnten es überhaupt gelesen haben. So gesehen, kann "Mein Kampf" auch heute noch gelesen werden. Eine Gefahr wird davon nicht ausgehen, denn das Buch ist einfach grottenschlecht. Und beim Einmarsch in Österreich sollen auch nicht alle gejubelt haben. Jetzt sind die beiden Länder im europäischen Rahmen eigentlich ganz nahe beieinander. Was ist falsch daran?




Freitag, 8. März 2013

Musik von Wolfgang, Franz und Ludwig

Wir wissen, dass das Komponieren eine ausschließlich männliche Angelegenheit ist. Beispiele gibt es genug. Auch Maurice, Claude und Igor deuten auf das Männliche in der Musik hin. Seit es Autos gibt wissen wir auch, dass das Einparken, rückwärts, eher von Männern gemacht werden sollte. Sind wir Männer deshalb glücklicher? Ist unsere Lebenserwartung dadurch etwa höher geworden? Und der Vatertag? Da ist mancher Beschwipste glücklich, wenn er sich auf die Fahrkünste seiner Frau  stützen kann. Warum gibt es keine komponierenden Frauen? Diese Frage ist von Anfang an falsch gestellt. Es gibt sie!

Natürlich fällt in diesem Zusammenhang unsere heilige Hildegard von Bingen auf, die nicht nur Dinkelsuppe kochte und den weiblichen Orgasmus studierte, sondern schon im 12. Jahrhundert auch komponierte. Barbara Kuntz aus Ulm hingegen (1661 - 1730) dürfte den meisten Zeitgenossen kein Begriff sein. Selbst eine Komponistin des 20. Jahrhunderts, Felicitas Kukuck (1914 - 2001), blieb weitgehend unbemerkt. Das hat sich auch mit der GEDOK nicht geändert, in der Malerinnen, Musikerinnen und Dichterinnen, sowie andere Künstlerinnen zusammengeschlossen sind: der Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreunde. Und die Musikfrauen e.V. Berlin scheinen auch eher zarte Töne anzuschlagen und bleiben im Dunkeln.

Schon lange sitzen Frauen erfolgreich am Steuer. Viele auch im Orchestergraben, und wenn sie so richtig aus vollem Herzen singen, jubiliert das hohe C, und der Applaus lässt sich nicht mehr aufhalten. Marlene Dietrich, Zarah Leander, Madonna und andere singende Schwestern deuten darauf hin, dass mit den Frauen eigentlich alles in Ordnung ist. Warum, jedoch, ist das weibliche Komponieren fast eine Terra incognita? Wir können nur spekulieren: obwohl die Geschichte über 5000 komponierende Frauen kennt, hat die Frau (und Mutter) an sich immer schon alles getan, um unsere männliche Begabung zu fördern. Sie hat für die Kinder und den Mann gekocht, höchstens mal ein Liedchen dabei geträllert und die höhere Lebenserwartung genutzt, um Mozart (Mann), Beethoven (Mann) und Debussy (Mann) zu hören.


Heute ist der Internationale Tag der Frau. Wollen wir Männer uns da nicht von der besten Seite zeigen und den begabteren unter den Frauen helfen, diese offensichtlich letzte männliche Domäne auch noch zu erobern. Wir wünschen dabei alles Gute! Aber, wie macht man das?







Mittwoch, 6. März 2013

Barbara, so nicht, bitte!

Ja, man muss es bemerken, du bist immer schon eine schöne Frau gewesen. Die Jahre haben natürlich gezehrt. Sie machen das mit allen Menschen. Doch dein bezauberndes Lächeln hat Bestand. Die Schicksalsschläge, von denen du etliche kennst, sieht dir keiner an. Du hast sie selbst überwunden und bist heiter geblieben.

Halb Schwedin, halb Badenerin, halb Französin? Keine explosive Mischung für dich! Eher ein glückliches Zusammentreffen der besten dieser drei Identitäten: du bist Barbara, wie wir sie alle lieben. Deine Kinder, deine Familie, deine vielen Freunde. Ja, ich muss auch von Necla in Istanbul reden, und von Felix und seinem Haus in Nordzypern. Jahrelang gab es diese besondere Freundschaft, an der ich teilhaben durfte. Der gesellige Gipfel war immer dein köstlicher badischer Kartoffelsalat mit Wiener Würstchen in deinem Haus in Lampertheim. Er symbolisierte die einfache Freude, zusammen zu sein und gemeinsam über das Leben nachzudenken und zu lachen.


Ich erinnere mich, dass du einmal einen spanischen Orden verliehen bekamst. Was mir immer auffiel: du bist mit vielen Persönlichkeiten, auch Politikern, vieler Länder befreundet. Manche machen dir den Hof, erfreuen sich deiner Nähe. Mich hat es nun nach Wien verschlagen. Zur Unzeit. Du bist dem Elsaß treu geblieben. Bis zum Ende. Wie gerne hätte ich dich wieder gesehen. Warum musstet du uns so schnell verlassen? Jetzt müssen wir ohne dich weiterleben. Es ist nicht zu fassen. Da wäre noch so viel Zärtlichkeit. Was machen wir jetzt damit? Barbara, so hättest du nicht gehen dürfen!

Dienstag, 5. März 2013

Die Superreichen - frei von Scham?

Man weiß nicht, was man sagen soll, aber superreich scheint irgendwie alle zu faszinieren. Die US-Zeitschrift Forbes hat sich da spezialisiert. Angeblich gibt es 1426 Dollar-Milliardäre auf dieser Welt. Lasst mich raten: wenn diese nicht aus Gier ihr jeweils eigenes Süppchen kochen würden, könnten sie, vereint, die ganze Welt kaufen, den Papst stellen, alle Könige und Königinnen entthronen, und jeden Tag Kaviar essen. Man weiß jedoch, dass auch ein Milliardär neben Trüffeln, Kaviar und Gänseleber gerne auch Wiener Würstchen mit Kartoffelsalat isst, ein Vergnügen, das sonst Proletariern vorbehalten ist. Dazu dann ein Glas Wein, aus der Flasche, die 2000 € kostet. Wem das nicht schmeckt, der kann sich das Gasthaus kaufen und von seinen Sklaven zerstören lassen. Dann kann ihn der Staranwalt mit links raushauen indem er die Richter auf eine seiner Latifundien einlädt und die Strafe auf Bewährung fast verschämt entgegen genommen wird.


Dagegen kommt niemand an. Bei den ganz Altreichen kann man sich noch vorstellen, wie sie als Ritter geraubt haben, in der zweiten Generation Kaufleute, Kirchenleute und Landbesitzer wurden, und in der dritten Generation wurden sie adelig, vornehm oder intellektuell, denn sie durften das Geraubte verwalten. Wie ist das heute? Man versteckt sich. Selten sieht man in Zentraleuropa einen Rolls Royce, Maybach oder Phaeton. Dagegen wimmelt es an Porsche Cayennes, S-Klasse und Jaguar. Luxus des kleinen Mannes, der sich gerne als Bürger tarnt. Auch das ganz Kleine wird gerne gefahren. Es signalisiert automobile Leutseligkeit. Richtige Macht kommt schwarz daher. Allenfalls Metallic grau. Wir haben verstanden.

Dass dann bei Forbes der reichste Deutsche (vom Aldi-Clan, mit 20 Mrd. $) jetzt von Platz 10 auf Rang 18 degradiert wurde, ist nur ein Zeichen der Zeit. Chinesische Milliardäre gibt es angeblich über 400, die meisten in Hongkong. Dann folgen Amerikaner und Russen. Viel Geld haben, ist nicht die Frage, sondern, was man damit machen kann.


Was kann man damit machen? Bill Gates zeigt einen Weg. Aber, er steht fast allein. Die Schere zwischen Superreichen und Habenichtsen kann nicht weiter auseinander gehen. Die cleveren haben es sich genommen, von denen, die vielleicht unklug oder am Geld nicht interessiert sind. Das läuft auf Zusammenstöße hinaus, wie wir sie bis jetzt nicht kennen. Wie ein riesiger Tsunami wird das die Reichen überrollen. Habt Ihr keine Angst? Ihr glaubt, mit Zaster ist alles käuflich? Ich würde meine Liebe für eine Milliarde nicht opfern. Wozu braucht man Geld, wenn man nicht vor hat, Gutes damit zu tun? Wie tut man Gutes? Am besten, man hört nicht auf die karitativen Einflüsterer. Die bringen es nicht. Verschwenden zu viel, ganz wie manche Kommunen und andere Behörden, die schamlos Steuergelder verprassen. Es ist an der Zeit, radikal umzudenken.

Übrigens hat Forbes zum 4. Mal eine gewisse Angela Merkel zur mächtigsten Frau der Welt gewählt. Auch Michelle Obama gehört jetzt zu den Welt-Power-Frauen. Da fragt man sich, was Forbes so den ganzen langen Tag treibt.






Montag, 4. März 2013

Wien, du zahnluckerte Krapfendatschen!

Ich gebe zu, dass ich diese Bezeichnung selbst erfunden habe. Für einen Neuwiener ist die Sprache ein Erlebnis besonderer Art. Der Maulkorb für Hunde, die U-Bahn fahren wollen, wird zum Beißkorb, und die zahlreich aufgestellten Abfallkübel und -Körbe sind nummeriert und tragen eine Telefonnummer. Jetzt habe ich das atemberaubende Entsorgungssystem der Stadt entdeckt: Ist ein "Papierkorb" voll, ruft jemand an und gibt dessen Nummer durch. Dann kommt jemand vorbei und leert den Müll. Wahrscheinlich ein gutes System, und die Nummer heißt "Misttelefon". Da kommt man sich mit dem "Krapfendatschen" eher unoriginell vor.


Wien hat viele Gesichter. Der letzte Sonntag brachte viele Städter auf die Donauinsel, die den Spaziergängern, Joggern, Rollerbladern und Radlern vorbehalten ist. Schwimmen geht erst im Sommer. Aber Sonne darf auch schon im März scheinen. Wir erwanderten uns ein schönes wienerisches Mittagessen: ein Cordon Bleu mit Erdäpfelsalat und etwas mit Lamm und Broccoli. Dazu den roten Zweigelt, eine Flasche, weil Sonntag war.


Das moderne Wien mit den Hochhäusern, liegt an der Donau, jedem Klischee zum Trotz. Dreimal konnte ich schon lesen: "Fuck the police", was verständlich ist, wenn man unter 15 ist und unter "Fuck" nur Bahnhof versteht. Aber, warum allen Journalisten in klarem Deutsch die Normalität absprechen? Dahinter muss System stecken. In einem kleinformatigen Massenblatt, das sich "Heute" nennt (Kein Morgen ohne Heute) lese ich auf der Titelseite: "Wien begrüßt den Frühling". Alles andere ist vom journalistischen Standpunkt her null und nichtig. Anonyme Beleidigungen können nicht strafrechtlich verfolgt werden. Auch Journalisten wissen das.


Die Schokoladenseite Wiens zeigt was es zu bieten hat: prächtige Menschen und Gebäude, Kunst und Können, Kirchen und Museen, Burgen und Schlösser, viele Verkehrsmittel, die den Fremden an alle Orte bringen. Zu den Prachtstraßen und in die kleinen Gassen. Die zahnluckerte Krapfendatschen (ein schönes Wort für eine schöne Stadt!) hat auch einen großartigen Steffel, der über allem thront.











Samstag, 2. März 2013

Musik, Musik, Musik, das große Rätsel

Sie siedelt sich gerne an zwischen Ton und Stille, wobei reine Stille keine Musik ist und Töne alles andere als Musik sein können. Doch schon vor Dr. Schiwago, als Omar Sharif seine sehnsüchtige Liebe für Lara unter emotional erschwertem Tongepränge mit Blicken in die Ferne verstärkt hatte, gab es sie schon: die alles untermalende Filmmuisk. Auch als Stockhausen seine "vier Hubschrauber" zu Ende komponiert hatte, wurde von Kritikern das Wort Musik noch in den Mund genommen.
The harp, the old man's only joy was carried by an orphan boy (Walter Scott)


Den Karnevalsschlager wollen wir mal nicht als klassische Musik bezeichnen, und der Bolero von Maurice Ravel kann mit Recht auch eine Art musikalischer Terrorakt genannt werden. Ach, wären wir doch bei dem Instrument geblieben, das ganz am Anfang der Entwicklung des harmonischen Klanges gestanden hat: eine aus dem Hüftknochen eines Bären gefertigte Flöte. Wie man jedoch darauf kam, mit Hilfe der dort angebrachten Löcher zum Ergötzen der Steinzeitmenschen Töne hervorzubringen, bleibt weitgehend unerforscht. Es gibt sie halt, die Musik, und wir lieben sie.

Hansi Hinterseer und Florian Silbereisen sind und bleiben für mich jedoch singende Missverständnisse. Denn zur Musik gehört entweder ein intelligenter Begleittext, oder ein nicht allzu melodisch-leichtes Lalala. Etwa so: "Schwesterlein, komm tanz mit mir, beide Hände reich ich dir. Einmal hin und einmal her, ringsherum, das ist nicht schwer". Zu diesem Lied durfte ich mit einem wunderschönen Mädchen auf einer Bühne tanzen. Ich war vielleicht vier Jahre alt. Den Namen meiner Schönen weiß ich nicht mehr, aber in der ersten Reihe saß meine Mama mit einer Dame, die Sängerin war und wie ein echter Star lächelte und applaudierte. Für das kleine Paar ein Triumph fürs Leben. Musik halt.


Damit sind wir in der Frage nach der Musik keinen Schritt weitergekommen. Kann man sagen: man hat es oder man hat es nicht? Geschmacksache, könnte es auch treffen. Ich fahre seit vielen Jahren auf Debussy, Mahler und Gershwin ab, aber das muss nichts bedeuten. Andere haben es lieber klassisch oder romantisch. Einer, der Musik wie eine Götterspeise herübergereicht hat, war Leonard Bernstein. Ein Genussdirigent, der Lust aufs Zuhören machte. Auch ist es wie beim Essen: mal liebt man Schnitzel, mal nur den Nachtisch. Wir wohnen in der Gasse in Wien, in der Mozart  Figaros Hochzeit komponiert hat. Da sollte man mit seinen Gedanken über Musik etwas vorsichtiger sein. Mein Fazit: ich liebe die Musik, aber auch die Stille. Lärm sollten nur Kinder machen dürfen.