Mittwoch, 30. September 2015

Die fotografische Selbstbefriedigung - mit dem Selfie Stick

Man kann sich nur wundern, welche Phasen des Irrsinns die Menschheit manchmal durchmacht. Es ist erst einige Jahrzehnte her, dass der Globus durch den Hula Hoop Reifen erschüttert wurde. Auch heute noch kann man diesen dünnen Hüpfring für 20 bis 30 € kaufen, aber keiner hoopt mehr. Oder?
Kurz nach Einführung der superhohen Damenabsätze, auf denen man nur gefährlich hin und her schaukeln kann, haben wir es jetzt mit dem sogenannten Selfie zu tun, gestützt durch die bequeme, teleskopfähige Ausdehnungsstange. Warum, möchte man sich fragen. Um sich selbst fotografieren zu können?

Elefantenselfie? 

Die Erfahrung lehrt, dass der Mensch in seinem Leben Tausende von Fotos herstellt. Früher kostete das viel Geld, wovon man sich überhaupt nicht abschrecken ließ. Dann kam die Zeit der Alben. Man klebte die Fotos ein. Eine auf Papier festgehaltene Erinnerung, sozusagen. Dann kamen die Jahre, wo man die zahlreich angehäuften Fotoalben nicht mehr sehen konnte. "Wer war den das wieder? Kann mich gar nicht erinnern. Wessen Tante war das eigentlich?" Die Fotodokumentiererei verkam ein wenig. Man will immer nur die 5 besten Fotos sehen, nicht die tausend anderen, die an irgend einen Blödsinn erinnern. Die Großmutter um die Jahrhundertwende mit dem tellerminenartigen Hut auf dem Kopf, wie eine Waffe getragen, mit spitz abstehender Feder.

Teleskopselfiestickstoffvergiftung

Jetzt leben wir im Selfierausch. Mit Stick. Der ist im Internet schon für 5 € zu haben. Natürlich auch mit Verbindungskabel zum Smartphone. Oder mit Extrastick, der das Schoßtierchen zum Lächeln bringt. Auch bei Tierbestattungen scheint der Selfiestick seine Pflicht zu tun. Am Wiener Graben, dem Herzstück der Walzerstadt, schreiten sie umher, die Japaner, die jungen Mädchen, die wie wahnsinnig sich selbst fotografierenden Fotografen und -Innen. Die Frage ist doch, was kommt als Nächstes? Werden wir Selfiesammlungen anlegen? 

Dienstag, 29. September 2015

Baschar al-Assassin - es reicht!

Als ich 1985 auf den Golanhöhen stand und hinab nach Israel blickte, gab es bei mir noch etwas Verständnis für die armen Syrer, deren Land man teilweise einfach enteignet hat. Inzwischen schaut man auf einen Syrer, der seit 1965 auf unserer Erde weilt und seit 2000 dieses Land regiert. Eigentlich war sein älterer Bruder als Nachfolger für seinen korrupten Vater, Hafis al-Assad, vorgesehen, doch der starb 1994 an einem Unfall. Also musste der jüngere Bruder Baschar antreten. Das syrische Parlament musste damals das Mindestalter für die Wählbarkeit auf 34 Jahre herabsetzen, damit Sohnemann zum Staatspräsidenten gewählt werden konnte. Die Rückgabe der Golanhöhen scheinen lange nicht mehr so wichtig, wie das Kleben an seinem "Amt".


Der Mann ohne Gesicht 

Die Vereinten Nationen, die in ihren Syriendebatten immer wieder durch Russlands Veto aufgehalten werden, nennen das Tun dieses Diktators -milde ausgedrückt- "Beeinträchtigung der Menschenrechte". Irgendetwas stimmt da nicht. Man versteht die Konflikte nicht mehr. Hat es etwas mit Religionen zu tun? Ist es etwas Ethnisches? Politisches? Doch sind Zigtausende Menschen als Opponenten der Assad-Regierung hingemordet worden, und Millionen fristen jetzt ein Leben als Flüchtlinge im Ausland. Die USA als "Ordnungsmacht" hat total versagt, und Putin versucht, einen Fuß in die Spielhalle der Global Players zu bekommen. USA und Russland, sowie die Europäische Union, sollten diesem Spuk schon lange ein Ende bereitet haben. Haben sie aber nicht.


Das Gesicht 

Dumme Rivalitäten sind da im Spiel: Die Amerikaner sind gespalten in Demokraten und Republikaner. Sie trauen sich nicht. Außerdem kostet das einen Haufen Geld. Das spielt jetzt für die USA auch eine Rolle. Der Irak, Afghanistan und der Rest haben viel gekostet, allein der Irak wöchentlich etwa 4 Milliarden Dollar. Die Russen haben kein Geld, aber Riesenprobleme mit der EU und der Ukraine. Dabei will Putin die Welt mitregieren. Das geht nur mit undurchsichtigen Spielchen, wie die lauwarme Unterstützung des Assad-Systems, angeblich um bei der Bekämpfung der IS-Rebellen zu helfen. Und die EU möchte lediglich Frieden, damit der Handel blüht. Die syrischen Flüchtlinge strömen jedoch weiterhin in die EU und nicht in die USA oder Russland. Und, warum sagt man vorsichtigerweise nur "Beeinträchtigung der Menschenrechte"? Das ist total untertrieben. Massenmord wäre ein passender Begriff.

Dieser Baschar al-Assad ist ein Schlächter, ein Mörder und ein unfähiger Despot dazu. Ein Feind seines eigenen Volkes, während der IS eine internationale Gefahr geworden ist. Worauf wartet die Welt eigentlich noch?





Montag, 28. September 2015

Ingrid Noll, ihre Krimis sind toll!

Es begann in Shanghai. Ich stand in einem Viertel, in dem Deutsche, Juden und Nichtjuden, lebten. Sie waren mit Beginn des 2. Weltkrieges irgendwie nach China gekommen. Manche blieben dort, andere kehrten später wieder nach Deutschland zurück. Im September wurde Ingrid Noll 80 Jahre alt. Es könnte sein, dass ich vor ihrem Geburtshaus stand, ohne je von ihr gehört zu haben. Das Leben geht eigenartige Wege. Ingrid Noll - auch ich habe viel im Ausland gelebt - wurde eine bekannte Krimiautorin, deren Werke in über 20 Sprachen übersetzt wurden. Auch sie hat Heinrich Heine und seine Gedichte schon mit 10 Jahren gelesen. Und sich, wie sie sagte, damals in ihn verliebt. Mich haben Heines erste Zeilen von "Denk ich an Deutschland in der Nacht....." seltsam angerührt und traurig gemacht. So ist das mit den Deutschen, die fern der Heimat leben. Ihre Vorstellungen vom Land der Väter können auf wunderliche Art falsch sein. Auch die kleine Ingrid hat in China offensichtlich von einem verklärten Deutschland geträumt, bis sie dann später auf die Realität gestoßen ist. Hat das ihre späte Hinwendung zur kriminellen Literatur verursacht?


Bei Heinrich Heine, den wir so verehren und der auch ganz holprig reimen konnte, lesen wir viel über die Heimat. Was mir besonders gefällt, ist der Satz: "Eine große Vorliebe für Deutschland grassiert in meinem Herzen, sie ist unheilbar". Wie bin ich denn schon wieder auf Heinrich Heine gekommen? Ach, ja, Ingrid Noll. Ich habe den Verdacht, dass die Deutschen sie nicht sehr gut kennen. Agatha Christie hat auch "nur" Krimis geschrieben und ist damit weltberühmt geworden. Vielleicht habe ich, fern der Heimat etwa, sie einfach verpasst? Das kommt vor. Jetzt will ich es gutmachen. Morgen werde ich sehen, ob meine Wiener Lieblingsbuchhandlung wenigstens "Der Hahn ist tot" von ihr verkauft. Nein, sie hatte nur "Der Mittagstisch". Ich lese ihn gerade. Stört mich nicht!*

*Gelesen und für außerordentlich gut befunden.


Freitag, 25. September 2015

Lasst uns Witze machen!

Nein, danach ist uns gerade nicht. In den USA, so hört man, war der Papst zum ersten Mal. So what?  Putin will al-Assad unterstützen. Herr Seehofer, der den Franz-Joseph-Strauß-Zungenschlag längst drauf hat, weiß nicht so recht, wie er mit den Flüchtlingen herumeiern soll, und der einzige, der den deutschen Humor vorwärts gebracht hat, war Loriot, der von uns gegangen ist. Conchita Wurst ist nun nicht gerade zur Lachnummer mutiert. Also, was nun?


Wir wollen gelegentlich wieder lachen, doch die Berufswitzelkoryphäen haben ob all dieser Medienbesorgnis einen Kloß im Hals. Auch das Rheinland, mit seinem sprichwörtlichen Humor bringt nicht mehr viel hervor. Warten wir also auf den 11. 11. 11Uhr 11? Karneval kann vieles erklären, jedoch kaum, was mit den Auspuffgasen von VW geschehen ist. Das alles bleibt uns im Hals stecken, den manche nicht voll genug kriegen können.

Ich muss dem Finanzamt eine größere Nachzahlung machen, unverschuldet. Hat hier jemand gelacht? Das ist unfair! 

Dienstag, 22. September 2015

Made in Germany - wir sind ja so stolz.

Zunächst hatten die Briten gedacht, sie würden die drohende Gefahr einer industriellen Konkurrenz durch Deutschland verhindern können, indem sie deutschen Waren für den Export ein Etikett aufzwangen, das die mindere Qualität des Produkts deutlich anzeigte: Made in Germany. Wir wissen, dass der Schuss nach hinten losging. Bis heute steht dieses Label für anerkannte Qualität, ja, man reisst sich geradezu darum, deutsche Waren zu kaufen. Made in England oder gar China haben nicht diese Anziehungskraft. Noch nicht.


Audi, ganz neu. 

Volkswagenaktien haben in den letzten 2 Tagen über ein Drittel ihres Wertes eingebüßt. Wir wissen, warum. Es wurde mit den Dieselwagen geschummelt, weltweit. Jetzt müssen Milliarden zurückgelegt werden, damit dieser Schaden behoben werden kann. Was für einen guten Ruf hatte VW davor! Der Käfer war geradezu das Sinnbild für bescheidene, grundehrliche und zuverlässige Automobile. Die Profitgier sah man eher bei anderen Marken. Jetzt werden zu den üblichen Lügen neue hinzugefügt: wir werden alles schonungslos aufklären. Nun, klärt mal auf! Wir warten.

Auch andere Großkonzerne lügen das Blaue vom Himmel herunter. Immer gibt man sich zuerst erstaunt, dann wird von bedauerlichen Einzelfällen gefaselt. Dann wird knallhart aufgeklärt. Am Ende hört man nichts mehr. In der Politik war der schonungslose Aufklärer ein gewisser Roland Koch, Ministerpräsident von Hessen. Auch er hat die Fliege gemacht, und überlebt. Bei der Firma Nestlé weiß man, dass im Namen der Nachhaltigkeit ein Trinkwassermonopol entstanden ist, das schon Millionen Menschen in der Welt mit ihren bescheidenen Mitteln bedienen müssen. Auch sonst ist der größte Lebensmittelkonzern (Maggi etc.) auf rührende Weise um unsere Gesundheit besorgt. Gelegentliche Schäden, etwa für Millionen Babys, werden weggeschwafelt. So geht das heute.

Markenfreies Trinkwasser

Wo ist das Vertrauen abgeblieben? Gibt es das noch etwa in der Politik? In der Justiz? In der Medizin? Vertrauen in die Firmen, die etwas anbieten, aber nur mit Lügen und Schönfärberei hantieren? Wenn einmal die erste Milliarde auf die Seite gelegt ist, kann erfolgreich in die Politik gegangen werden. Berechtigte Kritik wird dann niedergeschwafelt. Dies gilt auch für die katholische Kirche, die immer noch nicht gesagt hat, wo die Milliarden der verstorbenen Mutter Theresa hingegangen sind. Etwa zu den Kindern, für die sie gesammelt wurden? Macht es noch Sinn, moralische Bedenken zu haben?

Versicherungen, Fluggesellschaften und all diejenigen, die aufgrund von Gesetzen und Verurteilungen verpflichtet sind, Schadensersatz zu bezahlen? Aussitzen lohnt sich, hat auch ein ehemaliger Bundeskanzler gedacht. Anhand des VW-Skandals verstehen wir, dass nichts mehr auf Anstand und Rechtschaffenheit beruht. Nur noch auf Lüge, Betrug und Manipulation.







Amerika macht schlapp, oder ist es die Angst vor den Muslimen?

Wir kennen dieses Land als selbsternannte Führungsmacht in der Welt. Russland hingegen scheint in dieser Klasse nur zweite Wahl. Die USA haben Korea auf dem Gewissen, Vietnam,  Afghanistan, Irak und jetzt auch Syrien. Wir wollen nicht kleinlich sein: auch die Europäer drehen am Rad. Sie verkaufen Waffen, Autos und Nestlé-Wasser, auch in den Nahen Osten.


Bei den Millionen Flüchtlingen, die nicht mehr in diesem zerstörten Syrien, mit einem schwachsinnigen, an der Macht klebenden Präsidenten Baschar al-Assad, der an der Verrottung seines Landes arbeitet, fragt man sich, welche Rolle die Vereinigten Staaten dabei spielen? Nun, wir wissen es: die Ordnungsmacht vom Potomac River ist von Furcht zerfurcht, dass zu viele IS-Terroristen mit syrischem Pass, gefälscht natürlich, ins gesegnete Land kommen könnten. Also überlässt man dieses Dilemma den Europäern. Oder wie erklärt man sich, dass die sonst so hilfreichen USA nur etwa 1500 Syrer aufgenommen haben und ca. lausige 5000 vielleicht noch hereinlassen wollen? Die Türkei hat 2 Millionen, der geplagte Libanon 1,2 und Jordanien 630000! Die USA also 1500. Kleinkariert!


Dear old Europe! 

Da kann man sich als Europäer nur noch fremdschämen. Amerika kümmert sich einen Dreck um dieses Problem, das man lieber den Deutschen, Österreichern, Schweden oder anderen überlässt. Was, wenn die Europäer herausfinden, dass sie die Atommacht, die aus dem 2. Weltkrieg siegreich  hervorgegangen ist, gar nicht mehr benötigt? Als Hüter des Weltfriedens haben die USA nur bedingt getaugt. Jetzt wollen sie nicht einmal mehr den Schlamassel verantworten, den sie in Syrien, im Irak und in Afghanistan selbst angerichtet haben. Damit ist Amerika ruhmlos ins zweite Glied auf der Weltbühne getreten. Amerika wird nicht mehr gebraucht.

*Diesen Blog habt ihr gegen 4 Uhr morgens abgeschnüffelt, ihr Helden von NSA.


Montag, 21. September 2015

Nach Bratislava mit dem Schiff - dann ins "urban bistro"


Bratislava wird gerne unterschätzt. Es ist nicht das Paris des Ostens, und die malerische Innenstadt ist nicht sehr berühmt aber wunderschön. Eine typische Stadt Mitteleuropas und Hauptstadt der Slowakei. Mit herrlichen alten Kirchen, hübschen Fassaden und - immer mehr guten Restaurants mit originellem Angebot. Der Sozialismus alten Schlages ist längst vergessen. Wir wollten mit dem Schiff von Wien nach Bratislava. Doch der Trip fiel unvorhergesehen aus, und wir mussten mit der Bahn anreisen. Dafür klappte es mit der Rückreise auf einer grünlichen Donau, ganz herrlich anzuschauen.


Wir wollen nicht erzählen von der Ausstellung auf der alles überragenden Burg, zu der Rob beitrug. Auch nicht vom Bummel durch eine modebewusste Großstadt, die vor allem die Damen erfreute: Kate und Cath, die beiden schwesterlichen Schwägerinnen. Kate machte die Fotos  und ich große Augen als wir im "urban bistro" landeten, einem angesagten Alternativresto in der Innenstadt. Ein unromantischer, aber nicht ungemütlicher Industrielook mit offenliegenden Rohren und unverdeckten Glühbirnen empfing uns.

Als fanatischer Salatesser, der im süddeutschen Baden aufgewachsen ist, juckte mich der auf der Speisekarte angesagte Salatteller, dem ich zunächst mit leichtem Misstrauen entgegensah, denn er kam mir etwas ungewöhnlich dunkel vor. Dazu gab es einen Radler, der erstaunlich gut passte.





Zum Salat: es war ein Rotebeetesalat mit Ziegenkäse auf einem Bett von jungem Blattspinat. Darunter Stücke von Quittenpaste gemischt mit Nüssen. Unmöglich, herauszufinden, welche Salatsoße diesen herrlichen, ungewöhnlichen Geschmack produzierte. Ich war von diesem Kreativsalat so angetan, dass ich mit großer Lust



diesen Ziegenkäserotebeetespinatquittenpastenusssalat verspeiste und kein Blättchen übrig ließ.



Dieses "urban bistro" werden wir so schnell nicht vergessen.

Mittwoch, 16. September 2015

Wiener G'schichten - Sie sind überall!

Der Gang zum Wiener Hauptbahnhof war voller Rätsel: die vielen Menschen, die da auf dem Boden saßen. Wo kommen sie her, wo gehen sie hin? Sie sahen aus als hätten sie das Schlimmste gerade hinter sich. Keine glücklichen Gesichter, aber eine gewisse Zuversicht, vor allem bei den Kindern strahlen  sie aus. Man versteht es nicht ganz: Auf Englisch und Arabisch wird provisorisch mitgeteilt, dass heute keine Züge nach Deutschland fahren und von Deutschland kommen. Man scheint abzuwarten und zeigt sich geduldig. Die vielen Helfer sind durch Anstecker gekennzeichnet. Die Flut der Flüchtlinge erinnert an die Sturzbäche im Frühling.

Es wirkt wie ein Schub der Menschlichkeit nach vorne, der Zwischenmenschlichkeit. Was einerseits ein unerhörtes Unglück ist, für Millionen von Menschen auf der Flucht, gibt uns, den reichen, wohlgenährten Einwohnern in Österreich und in Deutschland, eine Chance, die Kälte und Ungastlichkeit an die wir uns gewöhnt haben, zu überwinden. Das Bessere in uns hervorzuholen. Und das, gegen die immer einsamer werdenden Stimmen des Unverstandes, der Ablehnung.


Diese Menschen werden nicht mehr in ihre Heimat zurück kehren. Sie haben meist schon längst damit abgeschlossen. Jetzt müssen wir, die Älteren, uns an die Zeit des Kriegsendes erinnern als die halbe Welt unterwegs war. Millionen von Flüchtlingen wurden damals bei uns zwangseinquartiert. Meist ging es sogar ganz gut. Nach einigen Jahren war es durchgestanden.


Was wir jetzt noch lernen müssen, ist das bewusste Herbeiführen von Nähe zu diesen Menschen. Gehen wir auf sie zu. Das ist ein logischer nächster Schritt. Außer den Geld- und Sachspenden, dem Lächeln des Willkommens, muss es jetzt entschiedene Berührung geben, sonst bleiben unsere neuen Nachbarn uns fremd. Oder wollen wir weiter zusehen, wie vereinsamte Menschen in ihren winterfesten Behausungen einfach so dahindämmern und auch unbemerkt sterben, wie wir es immer wieder über einsame Rentner erfahren müssen, weil wir uns nicht darum kümmern. Jetzt können wir helfen und gleichzeitig zufriedene Gesichter bekommen, wie man sie auf den Wiener Bahnhöfen zur Zeit sehen kann. 

Montag, 14. September 2015

Petra László - Brutalität hat wieder ein Gesicht.

Diese ungarische TV-Dame wird gefilmt wie sie einem Flüchtlingsvater mit Kind das Bein stellt. Das Kind wird von ihr getreten. Vater und Kind stürzen zu Boden. Ihr Sender, N1, der dieser rechtsextremen Jobbit-Partei nahesteht, soll sie gefeuert haben. Ob das eine ehrliche Reaktion war, darf bezweifelt werden. Wann darf sie im Innendienst wieder beginnen? Diese Laszlo hat der menschlichen Brutalität und den ungarischen Polizeihandlangern noch einen draufgesetzt. Und die ganze Menschheit hat es gesehen. Bravo! Ein neuer Schlampenstar am Himmel. Soweit ist es gekommen: Hauptsache, man fällt auf. Auch als weiblicher Dreckskerl. Eklig.


Wisst Ihr was? Ich habe keine Lust mehr, meine tippenden Finger weiter zu bemühen, um so eine Sauerei auch noch zu beschreiben. Ungarn, Ihr könnt auf die da stolz sein!

Sonntag, 13. September 2015

Die Internationalen und das Geld der Steuerzahler.

Von einigen Einrichtungen wissen wir, wie sie mit dem Geld der Steuerzahler umgehen. Man möchte erröten, wenn man etwa an Geheimdienste wie BND oder NSA denkt oder an Waffenkäufe, Bauprojekte, Prestigeobjekte. Da wird oft sinnlos im Geld der Bürger gewühlt. Der Steuerzahler ist der letzte, der über den Verbleib seiner Abgaben ausreichend informiert wird. Wahrscheinlich müssen wir das meiste auf diesem Gebiet einfach abschreiben, weil wir es ohnehin nicht ändern können.


Über internationale Organisationen, zwischenstaatliche oder nichtstaatliche, erfährt man oft recht viel. Sie sind gegründet worden, um einem Zweck zu dienen. Sei es, die Menschenrechte zu verteidigen, die Zusammenarbeit auf allen möglichen Gebieten voranzubringen. Einige haben mit den Jahren vieles erreicht. Amnesty International, EU, NASA und Europäische Raumfahrtorganisation, Vereinte Nationen und viele, viele mehr. Meist schwimmen sie nicht im Geld, denn die Mitgliedsländer sind knausrig, versuchen sogar zu sparen, wo größere Einsätze nützlich und notwendig wären. Die einen machen mehr oder weniger diskret ihre Arbeit, die anderen nutzen die Aktualität der Stunde, um ihren Auftrag zu erfüllen. Die OSZE mit ihren 57 Mitgliedsländern, der Europarat mit 47, sie alle sind sehr fleißig, doch der große endgültige Erfolg ist nicht zu erwarten.

Was selten nach außen dringt, sind die Eigengesetzlichkeiten, denen internationale Organisationen oft unterliegen. Man will sie unter Kontrolle halten. Sie dürfen nicht allzu viel Aufsehen erregen. Publikationen, die oft sehr interessant sind, werden fast vergessen. Es fehlt der Geschäftssinn. Vermarktung findet kaum statt. Die Konstruktion einer Organisation lässt oft eigene Initiativen nicht zu. Auch das Ausbremsen durch Gründer-Staaten geschieht immer wieder. Wer mehr als 10 Mitgliedsländer hat, muss mit endlosen Wahlperioden rechnen, die alle Arten von Initiativen lähmen. So kommen Reformen nur langsam voran.

Auch interne Probleme,  die von außen kaum sichtbar sind, können eine Organisation in eine Art Koma versetzen. Die Sprachenregelung kann manchmal alles hemmen, wenn Dokumente in zig Sprachen übersetzt werden müssen. Die Motivation des Personals kann mit den Jahren auch abhanden kommen. Der mangelnde Enthusiasmus der Führungskräfte kann ein Problem sein. Mangelnde Kompetenz in der Vermarktung des eigenen Tuns. Oft hat der Außenstehende keine Ahnung mehr, was die Ziele einer Organisation sind. Was eigentlich getrieben wird. Viel Platz wird auch dem Konkurrenzgehabe einzelner Nationalitäten zugeschrieben.

Die Arbeit mit den Medien, die eine Aufgabe verdeutlichen soll, wird oft unterschätzt oder nicht fachmännisch genug betrieben.  Dann wird Kritik geäußert, zurecht oder nicht, eine nicht gewollte Schieflache wird sichtbar, doch scheint es unmöglich, eine einmal aufgebaute internationale Struktur wieder zum Verschwinden zu bringen. Die Führungskräfte, die Generalsekretäre, Präsidenten und Geschäftsführer sind dann oft nicht mehr die erste Wahl. Der unspektakuläre Alltag setzt ein, der einer Organisation die Dynamik rauben kann. Man beobachtet immer wieder gutgemeinte Belebungsprozesse, die nicht lange anhalten.

Wenn man von den wenigen Institutionen absieht, die im Geld zu schwimmen scheinen (Geheimdienste, Verteidigungsministerien, Industrieverbände etc.), fristen die meisten internationalen  Organisationen ein prekäres Dasein, das sie für ihre eigentlichen Aufgaben oft unbrauchbar macht. Es wäre nicht gut, konkrete Beispiele zu nennen. Doch die allzu langsamen Entwicklungen auf allen Gebieten sind sicher dem Umstand zu verdanken, dass die Auftraggeber (meist die Regierungen) bremsen so gut sie können. Dann wird eine internationale Einrichtung zu einem bloßen Alibi für die Untätigkeit, die wir von den Regierungen kennen.







Donnerstag, 10. September 2015

Die Veränderungen anhand der Queen

Ein etwas rätselhafter Titel. Die englische Königin hat jetzt solange regiert wie ihre Ururgroßmutter Victoria, also 63 Jahre und einige Monate. Als Elisabeth II den Thron bestieg, nein, es war kurz danach, besuchte sie die Pottery Region in Stoke-on-Trent. Dort wurde noch in den Fünfzigerjahren das berühmte Porzellangeschirr hergestellt, aus dem man selbstverständlich aß, natürlich auch die Krönungsgäste. Wedgwood ist immer noch ein Begriff. Zu jener Zeit hatte die Hälfte der britischen Bevölkerung noch nie einen Schwarzen gesehen, und kaum einen Asiaten. In einer Kleiderfabrik in Leicester waren noch 1958 alle Arbeiterinnen weiß. In Nottingham gingen 4000 Briten auf die Straße, um gegen etwas Unerhörtes zu protestieren: in einem Pub wurde ein Schwarzer aus Westindien gesehen wie er mit einer weißen Frau flirtete. Solche Dinge vollziehen sich nie reibungslos.

Dieser Teller kam aus Stoke-on-Trent über Zypern, Frankreich, Deutschland nach Österreich. 

Es ging alles Schlag auf Schlag. Menschen in ehemaligen Kolonien erhielten die britische Staatsbürgerschaft. Viele kamen aus allen Ländern und ließen sich für immer im Reich nieder. Heute ist die Gesellschaft in Großbritannien ein ethnischer Schmelztiegel. Die Sprache ist nicht das vielgerühmte Oxford Englisch. Das Englisch auf den Straßen hat ebensoviele Klangfarben wie Gesichtszüge. Keiner scheint darüber traurig zu sein. Man regt sich eher über unkorrekte Geschäftsgebaren auf oder über den Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im großen Stil, als über Verfremdung. Dann eher über die in Brüssel, die alles besser wissen wollen.

Was Deutschland und Österreich betrifft, wo gerade viele Fremde ankommen, die nicht mehr in ihre Länder zurückkehren werden, so muss eine solche ethnische Veränderung niemanden beunruhigen. Die Flüchtlinge werden sich anpassen (helfen wir ihnen!) und unsere Gesellschaft zu einer bunteren machen. In Wien und anderen europäischen Städten kann man es täglich sehen: im Zentrum ist fast jeder ein sogenannter Ausländer. Man hört es an den Sprachen und Akzenten. Wenn wir freundlich helfen, klappt es mit der Integration besser und schneller.


Ausländer, wohin das Auge reicht. 

Die englische Königin kann ein Gradmesser für all diese Veränderungen sein. Sie hat in den fast 90 Jahren ihres königlichen Daseins alles erlebt und auch das Gegenteil. Krieg und Frieden, Schwarz und Weiß, Hunger und Völlerei, Anstand und Frömmelei, Betrug und Ehrlichkeit. Jede Gesellschaft sucht sich ihr Mitte aus und bestimmt, welche Werte ihr am wichtigsten sind. Auch Deutschland und Österreich zeigen gerade, auf welche Werte man nicht verzichten mag. Das wird auch in Zukunft unsere Gesellschaft bestimmen. Freuen wir uns darauf.









Mittwoch, 9. September 2015

Elisabeth II. ist jetzt die dienstälteste Königin.

Man kann über die Monarchen sagen was man will, aber auf ihre Herkunft lassen sie nicht so schnell was kommen. Obwohl: in welcher Familie hat es keine Skandale gegeben? Erbstreitigkeiten? Bruderkriege? Auf und Abs, teilweise mit hoffnungslosem Ausgang. Da ich Hofberichterstattung und jegliche Art von Hudeleien energisch ablehne, behaupte ich, so gut wie nichts über die britische Monarchie zu wissen.


Ururgroßmutter als Briefmarke. 

Obwohl es historisch nicht stimmt, scheint alles mit der ganz schön pummeligen Viktoria begonnen zu haben. Die Erbschwierigkeiten lassen wir einmal weg. Die Bedeutung der Herkunft kann bei Royalen nie geleugnet werden. Sie wurde 1819 geboren. Ihre Mutter war eine Victoire von Sachsen-Coburg-Saalfeld. Sie war von 1837 bis zu ihren Ableben, 1901, Königin des Vereinigten Königreiches von England (usw.) und ab 1877 auch Kaiserin von Indien. Pro forma war sie die Herrscherin über ein Drittel der damaligen Menschheit und mehr als einem Fünftel der zivilisierten und unzivilisierten Welt. Old Vickie war gleichzeitig - das zergeht auf der Zunge - Ururgroßmutter der heutigen Königin Elisabeth und des Gemahls, Prinz Philip. Royale Ururoma. Sie hat eindrucksvoll regiert, und zwar, 63 Jahre und 7 Monate lang. Die Zahl ihrer Nachkommen war groß, ja, sie wurde als Großmutter Europas bezeichnet. Dies wäre nicht möglich gewesen, jedenfalls so nicht, hätte sie sich nicht, siebzehnjährig, in einen Cousin mütterlicherseits verliebt, der ihr 4 Tage nach einem Besuch einen Heiratsantrag machte. Sie heiratete den Albert von Sachsen-Coburg und Gotha und eröffnete damit weltweit die Eigenart, nur noch im weißen Brautkleid vor den Altar zu treten. Deutscher kann es gar nicht mehr gehen.

She looks gorgeous

Und jetzt zu unserer immer etwas gebrechlich wirkenden Elisabeth: Prinz Philip, der auch deutsch bewurzelt ist, soll sie "my sausage" nennen, wenn er ganz zärtlich sein will, was man sich nur schwer vorstellen kann. Fast unauffällig, hat Elisabeth II. jetzt ihre Ururgroßmutter als Regentin überholt. Irgendwann im September 2015, ist es so weit: Uns' Elly ist die längste Königin in Großbritannien. Wer will da nicht gratulieren! Neben den vielen Eröffnungen und Händeschütteleien, Staatsbesuchen und sonstigen Dienstleistungen einer Königin, hat sie auch eine eigene Technik entwickelt, aus einer Sache wieder herauszukommen, wenn sie genug hat: Sie stellt ihr Handtäschchen diskret und senkrecht auf den Tisch. Das Personal weiß dann, dass die Königin gehen möchte.

Die deutschen Boulevardblätter haben die immer freundliche Elisabeth von Anfang an zur Königin  auch der Deutschen gemacht. So soll es von jetzt an bleiben. 

Montag, 7. September 2015

Was denn nun: You Tube, Netflix, TV, Radio, sonstnochwas?

Wir haben die Entwicklung der Medien begleitet. Als es nur Rundfunk war, durften wir Angehörige einer hörenden Gemeinde sein. Alles in der Landessprache. Die Hörspiele waren gut. Musik aufregend, wenn auch technisch unreif. Die Schallplatte machte es schon besser. Adolf Hitler und andere haben den gläubigen Zuhörern oft den Kopf verdreht. Was im Radio gesagt wurde, galt meist als wahr. Eine historische Dimension kam hinzu, aber man konnte leider nicht sehen von wo und wie der Ton ankam. Einige Künstler erlangten durch den Funk Weltruhm.


Meine Insel 

Das Fernsehen aber änderte wirklich das Leben. Zuerst in Schwarz/Weiß. Kurz nach dem Ereignis (die englische Königin heiratete vor Millionen Zuschauern, oder war es die Krönung in den Fünfzigerjahren?), konnte man die Bilder sehen. Statt ins Theater oder in die Oper zu gehen, fläzte man sich in einen gemütlichen Sessel, knabberte Salzstangen und und holte sich ein Bier, wann immer man das wollte. Dabei konnte man die besten Aufführungen des Landes sehen. Die Farbe machte das alles zu einem noch größeren Genuss für das Auge. Die künstlerische Kreativität wanderte eindeutig ins Fernsehen ab. Dann kamen die Privaten und Satellitengesteuerten. Grenzüberschreitend. Da fing der Blödsinn an. Zu viele Programme von zweifelhafter Natur. Auch viel Nacktes und Pornografisches. Und das berühmte Wort zum Sonntag.


Mein Zuhause 

Jetzt versuchen sich immer mehr Junge bei You Tube, die individuelle Gestaltung des bewegten Bildes. Selbermachen. Banale Inhalte, meist von Lieschen Müller. Die echten Talente bleiben auf der Strecke. TV-Ersatz? Nur die besten bringen es ein wenig voran. Auf das Fernsehen verzichten jetzt schon alle, die sich mit Netflix vergnügen: ein unbegrenztes Spielfilmprogramm, das TV weitgehend überflüssig macht. Radio hat immerhin heute den Vorzug, dass auf dem Klo, in der U-Bahn und im Bett per Ohr zu jeder Zeit die letzten Nachrichten abgefragt werden können.

Natürlich gibt es noch andere Netzwerke zur individuellen Nutzung. Ich für meinen Teil habe das Bloggen entdeckt, das ich seit Jahren betreibe. Achthundert davon habe ich in die Welt gesetzt. Alle Themen nach meinem eigenen Geschmack. Von erotisch bis historisch. Unterhaltsam und schockierend. Politisch und exotisch. Beobachtend. Ich tu es nur für mich, mit dem Angebot, auch andere daran teilhaben zu lassen. Über 275 000 haben schon bei mir hereingeschaut. wolfgangundsoweiter.blogspot.com







Friedensnobelpreis für Deutschland und Österreich?

Wir wissen natürlich, warum. Und wir wissen natürlich auch, warum nicht! Trotz mies gesinnter Protestler werden Tausende Menschen freundlich in unseren Ländern aufgenommen. Die Hilfsbereitschaft der Österreicher und der Deutschen hat dieser Tage epidemische Ausmaße angenommen. Kaum hat sich die quälende Hitze in Eiseskälte verwandelt, tragen die Ankömmlinge Winterkleidung, gespendet von den vielen, die helfen wollen. Das mit dem Nobelpreis ist selbstverständlich ein Scherz. Dennoch: Ganze Länder haben gezwungenermaßen ihr Großherzigkeit entdeckt.

Wenn man daran denkt, was unsere ehemals faschistischen Länder auf dem Kerbholz haben. Wenn man sieht, wie knallhart unsere Welt geworden ist, muss man sich wundern, dass da irgendwo bei uns ein weicher Kern freigelegt wird. Obwohl Hilfe für die Notleidenden eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist man überrascht, über diese Offenheit. Während die einen sich ganz sicher für das rüde Verhalten ihrer Regierung schämen, können die anderen ein wenig stolz sein. Man konnte spontanes Helfen für veraltet halten. Dennoch macht es stolz, ein wenig dabei zu sein, wenn sie ankommen. Unsere Gaben bestanden in großen Mengen an Datteln, Rosinen, Feigen und Cashew-Nüssen, denn das ist das, was vor allem Kinder bei dieser unendlichen Flucht entbehren könnten. Anderes kam in großen Massen wie von selbst an: Trinkwasser, Obst, Unterwäsche, Schuhe usw.


Man stelle sich vor, ein Land würde für solch nobles Verhalten einen Nobelpreis erhalten. Die Zahl der Neider, Feinde und Nörgler würde ins Unermessliche steigen. Vielleicht zurecht. Andererseits könnte man sich unsere politischen Vertreter als begabte Sprecher einer guten Sache vorstellen. Angela Merkel, bei der Entgegennahme des Preises hätte sie kleine Flügelchen umgeschnallt. Himmlisch! Oder der süße österreichische Außenminister Kurz, mit einem adeligen Häubchen geschmückt. Diese Welt hätte sich dann entschieden verändert. Das tut sie übrigens zur Zeit ohnehin. Freuen wir uns darauf!

Sonntag, 6. September 2015

Hans-Dietrich Genscher: Jetzt ist die Gelegenheit!

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Besonders bei Politikern muss man vorsichtig sein. Viele verbrennen nur Strohfeuer und erwarten dann auch noch die üblichen Ehrungen, bis hin zum Friedensnobelpreis. Bei Hans-Dietrich Genscher möchte und muss man nicht warten bis die Nachrufe anstehen. Er stand im Zentrum historisch-politischer Entwicklungen, die geteilte Heimat betreffend, und der größte menschliche Triumph seines Lebens, der halbe Fenstersatz in der Prager Botschaft, den er vor lauter Jubel nicht zu Ende sagen konnte, verdient liebendes Gedenken. Es war im Oktober 1989. Viele DDR-Deutsche waren in die Tschechoslowakei gekommen, weil die Einreise in dieses sozialistische Land damals möglich war. Dann flohen sie in die west-deutsche Vertretung und warteten auf die Befreiung. Genscher war an so vielem beteiligt, dass es schwerfällt, das alles zusammenzufassen.


Vielen hat sein "Verrat" an der sozialliberalen Koalition unter Helmut Schmidt weh getan. Es war schwer, ihm das zu verzeihen. Seine Karriere als bundesdeutscher Außenminister litt darunter jedoch kaum. Es kam zur Koalition mit der CDU/CSU und zur Kanzlerschaft unter Helmuth Kohl, die auch mit Genschers tatkräftigem Wirken zur Wiedervereinigung führte. Sein Verhandlunggeschick, etwa bei der Schlussakte von Helsinki, heute durch die KSZE (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) fortgesetzt, erreichte internationale Dimensionen und überbrückte den Ost-West-Konflikt. Lasst ihn uns nicht so schnell vergessen.

Auch nicht seinen gelben Pulli, der sein Markenzeichen war. Man sagt, er habe mehrere davon getragen. Alle gingen irgendwie bei Auktionen in den Besitz seiner Fans über. Der höchste erzielte Betrag waren über 7000 DM. Das soll ihm ein anderer Außenminister erst einmal nachmachen. Also, wie gesagt, keine abschließende Ehrung für diesen großen Politiker, sondern nur ein ehrender Zwischenruf zu einer Zeit, da viele tausende Flüchtlinge zu uns kommen, die vor unmöglichen Regimen davonlaufen. Sollten wir da Genschers Tat in der Botschaft der BRD in Prag vergessen können, die nach leidvoller Trennung in Ost und West Millionen Menschen zusammengebracht hat?

Lasst uns ab und zu ein wenig geschichtlich denken, bzw. dankbar herumgenschern.





Samstag, 5. September 2015

Er hieß Manfred und hatte Polio

Seltsam, er war behindert, war mein Freund, und wir machten Ausflüge in die Natur. Kinderlähmung hatte er und es fiel ihm oft schwer, mir nachzukommen. Manfred war ein kluges Kerlchen, seine kleinere Schwester kletterte gerne auf Bäume und trug gerne Lederhosen. Eines Tages - wir könnten um die 6 - 7 Jahre alt gewesen sein - fanden wir im Wald ein Versteck. Eine Laubhütte mit einer Art Sitzecke und einem alten Ofen, dessen Rohr einfach irgendwie ins Freie führte. Der Besitzer oder Erbauer dieser Hütte, ein großer Junge namens Alex, entdeckte uns und forderte uns auf, nach Hause zu gehen und Zündhölzer zu holen, damit wir ein Feuer machen könnten.


Manfred und ich gingen nach Hause. Unterwegs berieten wir uns. Beide kamen wir überein, dass wir das mit den Zündhölzern lieber nicht tun sollten. Manfred humpelte neben mir her und sagte, wir machen kein Feuer im Wald. Kurze Zeit später brannte der Wald lichterloh, denn Alex hatte irgendwo Feuer gefunden. Unsere Eltern waren froh, als wir unsere Unschuld beteuerten, denn man hatte uns aus dem Wald kommen sehen und Schlimmes befürchtet.

Später hatte Manfred Glück bei den Mädchen, studierte Jura und fuhr mit Wonne einen alten 200er Mercedes. Unsere Wege trennten sich. Von Manfreds Schwester erfuhr ich dann nach Jahren, dass er noch sehr jung verstorben ist. Kinderlähmung - eine Geisel der Menschheit. Wieviele Menschen mussten ihr Leben mit dieser schrecklichen Krankheit beginnen und damit leben. Andere starben.
In Europa und den USA war das Virus Polio in den Achtzigerjahren fast ausgerottet, aber in der Dritten Welt starben trotz Schluckimpfung noch viele. Indien scheint heute von Polio endlich ganz befreit und weltweit werden nur noch in Afghanistan, Pakistan und Nigeria Fälle von Kinderlähmung gemeldet.

Die Weltgesundheitsorganisation sieht für das Jahr 2018 die endgültige Ausrottung dieser Krankheit vor. Oft denke ich an meinen lebenslustigen Freund Manfred, der sich nicht unterkriegen ließ. Doch über diese Kinderlähmung haben wir nie gesprochen.

Freitag, 4. September 2015

Veganisch, vegetarisch und karnivor.

Gut, es ist ein bisschen unfair, das Wort "karnivor" in einem Atemzug mit "veganisch" in den Mund zu nehmen. Die Natur hat es aber so gewollt, dass einige unserer liebsten Pflanzen als Fleischfresser gelten. Pflanzen, die auf stickstoffarmen Böden wachsen und mit Vorrichtungen wie Klebdrüsen, Klappfallen, Fangblasen und Fallgruben ihre Opfer fangen, um sie dann zu verzehren, gibt es auch. Die Natur hat sie so gemacht. Auch Menschen können des Guten zuviel tun und unglaubliche Mengen an Fleisch, Wurst und sonstigen Tierprodukten wegputzen. Die Lust, zu essen, führt oft sogar zu körperlichen Übermaßen, die jedoch auch von exzessiven Sofaaufenthalten herrühren können. Soviel zur menschlichen Natur.

Seit das Bewusstsein für Bio-Esswaren ins Groteske gestiegen ist, wird es offensichtlich immer  gefährlicher, gesundheitlich traditionell zu leben. Was Bio ist, weiß jedoch niemand mehr so recht. Es steht einfach drauf. Basta. Es könnte auch Bio-Schuhe geben. Das würde niemand wundern.

Nichts gegen vegetarische Küche. Obwohl, als es begann, etwa mit Grünkernbratlingen, war noch großes Verbesserungspotenzial vorhanden. Inzwischen haben sich allerdings auch die anderen geoutet, die mehr Glutenfreiheit anstreben und bei denen alles lactosefrei sein muss. Von Weizenunverträglichkeit ganz zu schweigen. Das alles kann sogar ganz gut schmecken.


Wahrscheinlich hat auch die Riege der Geschmacksverstärker versagt. Die unzähligen Nahrungszusätze haben den Verbraucher müde gemacht. In den USA werden über 50 Umschreibungen auf Produkten benutzt, die verhindern wollen, dass das Wort "Zucker" auftaucht. Bei einer derartigen Ernährungshysterie, darf man sich nicht wundern, wenn der essende Mensch das Vertrauen in die Leberwurst endgültig verloren hat und vegan wird.

Ich lebe mit einer ernährungsbewussten Frau zusammen, die Weizenprodukte nicht verträgt. Das ist schwierig genug. Ich selbst bin in der glücklichen Lage, alles essen zu können, obwohl mir nicht alles schmeckt. Also passen wir unsere Essgewohnheiten den neuesten Entwicklungen ein wenig an: ein schöner Apfel muss nicht bio sein, und ein Stück Tofu-Ente beim Vietnamesen kann köstlich schmecken. Aber das ständige Erörtern der letzten Erkenntnisse auf diesem so wichtigen Gebiet stinkt manchmal gewaltig. Dann werfen wir alles über Bord und essen einfach.

Eine verlorene Generation : das wollen wir nicht!

Der ertrunkene dreijährige Aylan am Strand von Bodrum ist zum Symbol geworden. Endlich können sich fast alle das Leid vorstellen, das es auch vorher schon gab und auch weiter geben wird. Die Menschen benötigen so etwas. In Frankreich waren plötzlich alle: je suis Charlie. Als das Foto des nackten Mädchens aus Vietnam, das sich vor Napalm rettete, um die Welt ging, gab es einen Aufschrei. Im geteilten Deutschland war es der Volkspolizist Conrad Schumann, der beim Mauerbau gerade noch über den Stacheldrahtzaun sprang, das Gewehr geschultert. Solche Symbole sind immer auch ein Zeichen für totalitäre Unmenschlichkeit.


Was da ein ungarischer Politiker gerade zum Flüchtlingsproblem geäußert hat, wird hoffentlich bald als unsinniges Gestammel eines völlig unbedeutenden, böswilligen und nazigeschädigten Zeitgenossen in der europäischen Versenkung verschwinden. Seinen selbstbeschmutzten Namen muss man nicht mehr nennen. Angesichts dessen, was gerade ganz Europa bewegt, kann nur die international gesteuerte Menschlichkeit die Antwort sein.

Lange werden uns die Flüchtlinge aus der Welt der Gewalt, der Armut, des Fanatismus beschäftigen. Machen wir uns nichts vor und machen wir jetzt nicht noch mehr Fehler. Die Politik kann höchstens versuchen, das Chaos etwas zu ordnen. Was wir tun können und müssen, ist den Menschen, vor allem den Kindern eine Lebensperspektive zu zeigen. Dazu könnten auch die reichen Länder am Golf beitragen, für die zwar der Koran wichtig scheint, die sich aber sonst nur noch um die Vermehrung ihres Besitzes scheren. Wo ist die sprichwörtliche orientalische Gastfreundschaft?

Eine länderübergreifende Lost Generation können wir uns nicht leisten. Alle, die eine Flucht, wie schrecklich auch immer, hinter sich haben brauchen Hoffnung und Perspektive. Sie kommen nicht als Schnorrer, sondern weil sie überleben wollen. Geben wir ihnen als erstes Hilfe beim Erlernen einer neuen Sprache. Informieren wir sie über unsere Art zu leben. Über ihre Möglichkeiten, ein wenig voranzukommen. Oder sollen wir uns von nun an schämen?

Donnerstag, 3. September 2015

Yes, we have a problem, Mister Orban! The problem is you!

Don't you think you will get away with it. Treating refugees like you do at present is criminal. Your visit to Brussels today revealed your true face. Not, that you did  not understand the situation. You know very well what you are doing. Shame on you and all the other countries wo do not show that European   solidarity we all need so badly. How dare you - in the eyes of the whole disgusted world - deliver such a mean image of your country.


Yes, the refugees want to go to Germany, where they will get disappointed as well. But the population of this country shows a lot of sympathy and good will to accommodate at present hundreds of thousands and Hungary should help, but has become so selfish and miserable. Remember how it was, when the communist system collapsed? And already in 1956, when your country wanted to get rid of the communists, we in the free Western World welcomed refugees from Hungary. And never regretted it.

Try to become a bit more European, Mister Orban. That would do.

Wiener G'schichten: 2 € für die Straße.

Es sieht so aus, als würde der kommende Herbst neue Ängste schüren: ich stelle mehr Bettler in den Straßen um den Stephansplatz fest. Von meiner Gasse bis zur U-3 (Kärntnerstraße) gehe ich an mindestens 4-5 Menschen vorbei, die um Geld bitten. Da man nicht allen immer helfen kann, hat sich  die Gepflogenheit ergeben, wenigstens 1 € lose in der Tasche zu haben, damit man im Vorbeigehen schnell etwas geben kann. Jetzt scheinen die Bitten wieder dringender zu werden. Auch werden wieder mehr Obdachlose im Stadtpark gesehen.

Nach dem ersten Schock der Begegnung mit der Armut am Wiener Westbahnhof, wo auch wieder Flüchtlinge aus Budapest ankommen werden, wenn die Ungarn sie endlich weiterreisen lassen, sieht man die bettelnde Armut in den Straßen mit anderen Augen: wir sind immer noch nicht großzügig genug. Könnte es sein, dass wir die Not der anderen teilweise als selbstverschuldet empfinden? Das ist fatal!

Helfen ist schön! 

Ups, da ist es passiert. Vor mir sitzt einer, dem ich etwas geben möchte. Aus Prinzip habe ich jedoch immer nur einen € gespendet. Jetzt finde ich ein 2€Stück in der Hand. Scheißdrauf. Sei nicht so geizig. Nur ich weiß, wie gut es mir geht. Deshalb werde ich jetzt einen Teil meines schönen Lebens, zusammen mit meiner lieben Frau, diesen unübersehbaren Nöten widmen. Als ehemaliger Journalist und Medienmensch weiß ich, dass das Hinschauen wichtig ist, bevor man etwas unternimmt. Schauen wir hin!

Mittwoch, 2. September 2015

Helles Deutschland, auch Österreich - hell.

Der Spiegel, das Magazin hat Deutschland in ein helles und ein dunkles Land geteilt. Wie schön, dass wir auch mit Österreich verbunden sind, wenn es darum geht, Fremden mit dem nötigen Respekt zu begegnen. Cath und ich waren heute Abend am Wiener Westbahnhof. Wir brachten den Flüchtlingen und ihren Kindern große Portionen von Datteln, Feigen, Rosinen und Cashew Nüssen. Unsere Kalkulation war, dass die meisten Helfer zuerst an Wasser, Kleidung, Grundnahrung dachten, weniger an die orientalischen Köstlichkeiten, die vor allem die Kinder seit Wochen vermissen. Unsere Gaben wurden mit großer Freude aufgenommen. Wer sie bekommen hat, wissen wir nicht. Das ist auch nicht wichtig.

Schön war es, mit Menschen zusammen zu kommen, die nur ein Ziel haben: zu helfen. Die Kleingeister mit ihren erbärmlichen Bedenken und egoistischen Reaktionen sind endlich verstummt. Schande über sie, wenn sie denken, dass wir nicht helfen können und wollen. Wir können und wollen es. Ja, wir haben unsere europäische Willkommenskultur wieder entdeckt. Einige zögern noch. Die Ungarn wissen nicht, was sie wollen. Doch die Menschlichkeit wird sich auch dort durchsetzen. Politiker wissen eben nicht, was sie wollen. Wir müssen es ihnen zeigen. Die Probleme sind alles andere als gelöst. Aber wir haben keine Angst mehr und können nicht vor ihnen davon laufen. Also, was uns ein gutes Gefühl gibt, ist hinschauen und etwas tun.

Dienstag, 1. September 2015

"Was von Natur aus gut ist....."

soll man auch so lassen, heißt es auf der Papiertüte. Drinnen liegen 2 Brezeln, die ich noch nicht angebissen habe. Nach langer Zeit habe ich mir auch etwas gekauft, das mein Supermarkt "Extrawurst" nennt. Ich lese da, auf der Rückseite, unter Weglassung der eher verständlichen Mitteilungen: Gewürze, Gewürzextrakte, Stabilisator: Diphosphate, Glucose, Maltodextrin. Geschmacksverstärker: Mononatriumgnutamat, Farbstoff: Echtes Karmin. Antioxidationsmittel: Ascorbinsäure. Konservierungsstoff: Natriumnitrit. Aroma.


Echtes Karmin??? 

Gewöhnlich liest man ja die Zeitung. Da geht es ebenfalls hoch her, vor allem, wenn Hunderttausende die Grenzen überschreiten, auf der Suche nach mehr Sicherheit, Nahrung und einem Bett. Natürlich weiß man, dass die Medien uns auch allerhand Kokolores erzählen. Doch, was die Lebensmittelindustrie auf ihren Produkten verzapft, ist noch eine Schattierung debiler. Was von Natur aus gut ist (wir lieben Lebensmittel und lesen, was gesund macht), soll man auch so lassen. Aber die Scheinheiligkeit, mit der das eine unterstützt und das andere betrieben wird, ist von zynischer Frechheit. Ich habe mir angewöhnt, die unsinnigen Äußerungen auf den Verpackungen zu lesen, bevor ich den Kwatsch kaufe, was zur Folge hat, dass manches Produkt sichtbar in die Regale zurück befördert wird. Was zuviel ist, ist zuviel.