Der Gang zum Wiener Hauptbahnhof war voller Rätsel: die vielen Menschen, die da auf dem Boden saßen. Wo kommen sie her, wo gehen sie hin? Sie sahen aus als hätten sie das Schlimmste gerade hinter sich. Keine glücklichen Gesichter, aber eine gewisse Zuversicht, vor allem bei den Kindern strahlen sie aus. Man versteht es nicht ganz: Auf Englisch und Arabisch wird provisorisch mitgeteilt, dass heute keine Züge nach Deutschland fahren und von Deutschland kommen. Man scheint abzuwarten und zeigt sich geduldig. Die vielen Helfer sind durch Anstecker gekennzeichnet. Die Flut der Flüchtlinge erinnert an die Sturzbäche im Frühling.
Es wirkt wie ein Schub der Menschlichkeit nach vorne, der Zwischenmenschlichkeit. Was einerseits ein unerhörtes Unglück ist, für Millionen von Menschen auf der Flucht, gibt uns, den reichen, wohlgenährten Einwohnern in Österreich und in Deutschland, eine Chance, die Kälte und Ungastlichkeit an die wir uns gewöhnt haben, zu überwinden. Das Bessere in uns hervorzuholen. Und das, gegen die immer einsamer werdenden Stimmen des Unverstandes, der Ablehnung.
Diese Menschen werden nicht mehr in ihre Heimat zurück kehren. Sie haben meist schon längst damit abgeschlossen. Jetzt müssen wir, die Älteren, uns an die Zeit des Kriegsendes erinnern als die halbe Welt unterwegs war. Millionen von Flüchtlingen wurden damals bei uns zwangseinquartiert. Meist ging es sogar ganz gut. Nach einigen Jahren war es durchgestanden.
Was wir jetzt noch lernen müssen, ist das bewusste Herbeiführen von Nähe zu diesen Menschen. Gehen wir auf sie zu. Das ist ein logischer nächster Schritt. Außer den Geld- und Sachspenden, dem Lächeln des Willkommens, muss es jetzt entschiedene Berührung geben, sonst bleiben unsere neuen Nachbarn uns fremd. Oder wollen wir weiter zusehen, wie vereinsamte Menschen in ihren winterfesten Behausungen einfach so dahindämmern und auch unbemerkt sterben, wie wir es immer wieder über einsame Rentner erfahren müssen, weil wir uns nicht darum kümmern. Jetzt können wir helfen und gleichzeitig zufriedene Gesichter bekommen, wie man sie auf den Wiener Bahnhöfen zur Zeit sehen kann.
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