Donnerstag, 29. September 2011

Immer wieder Zypern: Aphrodite, wer bist du?



Wer sich nicht für Aphrodite interessiert, sollte dieses Kapitel überblättern. Ich erlaube mir jedoch die Bemerkung, daß ein Aphroditenmuffel in meinen Augen ein armer Wurm ist, der nicht nach Höherem strebt. Wir müssen auf diese Dame  zurückkommen. Sie ist ein zyprischer Mythos, aber nicht irgendeiner. Bei den alten Griechen bedeutete „Mythos“ noch so etwas wie: das Gesprochene. Und so klang alles durchaus glaubhaft, was da von Göttern und Helden erzählt wurde, obwohl das Chaos in der antiken Götterwelt selbst bei gläubigen Griechen schon die eine oder andere Augenbraue in die Höhe reißen konnte. Man wollte ja gerne alles glauben, doch angesichts der Unberechenbarkeit dieser exzentrischen Götterwelt, gab es schon den einen oder anderen, der sich sein himmlisches Gebäude selbst zurecht zimmerte. Dabei wurden einige Lieblingsgötter oder –innen gerne bevorzugt. Aphrodite hatte immer schon ihren Platz unter den Erlauchten, obwohl ihre Herkunft nie richtig geklärt werden konnte. Vielleicht machte sie das besonders interessant. Wie konnte man glauben, daß Aphrodite die Tochter des höchsten Gottes Zeus war, der mit Hera nicht nur verheiratet sondern auch blutsverwandt, denn sie war auch seine Schwester. Hera hatte außerdem Göttersöhne namens Ares und Hephaistos. Ein Skandal deshalb, weil Tochter Aphrodite nach Erreichung der Geschlechtsreife zuerst mit Hephaistos verheiratet war, einem tumben Tor, der sich als Schmied und Eisenbieger durchs Leben schleppte. Dann fing sie mit Ares ein Techtelmechtel an, aus dem zwei uneheliche Kinder hervorgingen. Da kann man nur hoffen, daß die Göttin der Schönheit und Fruchtbarkeit nicht die Voll- sondern nur die Halbschwester dieser unverantwortlichen Brüder war. Die gebildete Menschheit neigte Jahrhunderte lang dazu, die Hände über dem Kopf zusammen zu schlagen. Jetzt stört das niemanden mehr.
Dieser verwirrende Götterumtrieb konnte selbstverständlich bald nicht mehr so richtig geglaubt werden, was dem Begriff „Mythos“ wohl seinen heutigen Sinn einbrachte. Dieser tummelt sich natürlich in allerlei Religionen, vor allem aber in der Politik, wo er in gefährlicher Nähe der Abteilung „Lügen und Flunkern“ angesiedelt ist. Auch die germanische Götterszene, die heute noch als besonders heidnisch und barbarisch gilt, war in dieser Hinsicht nicht weniger unzuverlässig. Eine schöne Sache übrigens, für die ersten Christen und frühen Bedenkenträger, die sich zu nichts verpflichtet fühlen mußten. Viele bekehrte Germanen durften zunächst noch an einen Mix aus heidnischem und biblischem Götterdasein glauben. Durch die Verfolgung der Hexen – sie wurden der Kirche allmählich zu gefährlich – hat dann die Inquisition dem germanischen Götterunfug, wo er noch vorhanden war, endgültig  den Garaus gemacht. Ob in  Europa oder Kleinasien, damals konnte man sich getrost zurücklehnen und, dem abendlichen Fernsehprogramm späterer Generationen nicht unähnlich, die wilde Göttergemeinschaft wie einen Tatort auf sich wirken lassen. Bei gegenseitiger Sympathie kam es auch zu freundlichen Übernahmen ganzer Mythologien aus anderen Kultwelten, ja sogar zu grenzüberschreitenden Partnerschaften. Deshalb können auch Götter nicht immer reinrassig sein. Viele haben sich, oft unter falschem Namen, von einer Kultzone in die andere geschlichen oder einfach die Nationalität gewechselt. Die griechisch-römische Götterverquickung ist den Aufgeweckteren  unter den Lesern ja bekannt: Zeus und Jupiter, Poseidon und Neptun, Athene und Minerva, Aphrodite und Venus. 
Von  Aphrodite, der zyprischen Nationalgöttin, darf man ungestraft behaupten, sie sei asiatischen Ursprunges. Ihr Name enthält nach Meinung von Fachleuten nichts Indogermanisches. Was sie allerdings in Asien so getrieben hat, bleibt dunkel. Ihre Ähnlichkeit mit der asiatischen Göttermutter Ischtar ist frappant, sagen Kenner. Für die babylonische Göttergemeinschaft wurde Ischtar, die Himmelskönigin, gerne mit der römischen Venus gleichgesetzt. Später wurde sie unter den Semiten Syriens populär. Die Assyrer allerdings fürchteten sie als Göttin des Krieges und des Terrors. In Zypern landeten vor 3500 Jahren die Phoenizier und errichteten für ihre Göttin Astarte einen Schrein, denn sie vermuteten dort die eigentliche Heimat der Verehrten. Die Mykener aus griechischen Gefilden taten dort ein Gleiches – landen und Schrein bauen – und widmeten das Ganze ihrer Aphrodite. Ischtar, Astarte oder Aphrodite, für die kurz vor der Zeitenwende (58 v.Chr.) sich der Insel annehmenden Römer wurde die Venus daraus, an Schönheit ihren griechisch-asiatischen Vorläuferinnen allemal ebenbürtig. Daß diese Luxusgöttinnen gerne in Marmor daherkamen bzw. auf hohen Sockeln saßen, ist einer der Gründe, warum manche Abbildungen heute noch bestens erhalten sind. Sie regen den Appetit lüsterner Betrachter an.  
Aphrodite kann auch heute noch, als moderne Göttin der Liebe und der Schönheit - andere Funktionen müssen uns hier nicht beschäftigen - immer mit der Anfälligkeit der Männer rechnen, die sie übrigens eiskalt zu nutzen verstand. Die klassische Frage: „Mythos oder Wirklichkeit?“ darf hier zwar gestellt, aber nicht endgültig beantwortet werden. Erstens ist die Wirklichkeit selbst nur so von Mythen durchtränkt. Denken wir an das Ungeheuer von Loch Ness. Oder an den sozialistischen Realismus, ein Produkt der kommunistischen Welt, das weit entfernt von der Wirklichkeit angesiedelt war. Als es mit dieser damals herrschenden Politrichtung nicht mehr so gut lief, verwandelte sich diese Wirklichkeit in einen ehemaligen Mythos. Zweitens, können vor allem  Männer mit Mythen sehr gut umgehen, ist doch ihr Verhältnis zum schönen Geschlecht oft von Migränen aller Art geprägt, denen jede Wirklichkeit abgeht.


Ausgerechnet Aphrodite, die Schaumgebadete, soll ihren Zweitnamen, Kybris, der schönen Insel Zypern geliehen haben. Wieder ein sympathischer Mythos, gegen den man nichts einzuwenden hat. Dafür ist ihre Entstehungsgeschichte unklar und auch etwas unappetitlich. Wir verweisen sie in den unteren Bereich der Mythologie, sozusagen, unter die Götterlinie. Unsere Aphro soll tatsächlich aus dem mit der Sichel ihrem grausamen (anderen) Vater, Uranos, durch eines seiner Erdenkinder entwendeten Geschlechtsteil  entstanden sein. Dieses Teil soll lange Zeit ziellos im Meer getrieben haben. Mit viel Schaum um die Hüften – wegen der Scham - und in der dann reichlich besungenen Schönheit, soll sie dann einem viel gepriesenen Felsengebilde an der zyprischen Südküste entstiegen sein. Alsbald soll sie ein schwer zu kontrollierendes Lotterleben begonnen haben. Was heute von Aphrodite übrig geblieben ist? Unübersehbare Massen von Darstellungen, Huldigungen, lobenden Erwähnungen, Büchern und die zahlreichen Bewunderer. Der literarische Ausdruck der Aproditen-Verehrung ist ein erfolgloser Versuch  erotisch motivierter Männer, das Phänomen Frau endlich in den Griff zu bekommen. 

Mittwoch, 28. September 2011

Reimzwänge und deutsche Brache



Ach, Schüttelspeer, du großer Dichter,
Auch Schiller machte nicht nur Locken,
Und Goethe war kein Versvernichter.
Doch wenn ICH dichte, wird es trocken.




Deutsche Sprache, schwere Brache




Deutsch war einstmals eine Sprache
Gut genug für Almanache,
Für Begabte, tolle Sache,
Und jetzt leider nur noch Brache.


Das Prinzip Hoffnung - Erkältung im Anzug



Man sollte über seine Gebrechen möglichst wenig sprechen. Niemand hört so richtig zu. Doch wenn die herbstliche Erkältungswelle anrollt, haben wir das Gefühl, alle in einem Boot zu sitzen. Keiner entgeht dieser jährlich wiederkehrenden Tortur. Zuerst ein leicht zu übersehender Schnupfen. Man denkt nicht mal dran, sich einen Vorrat an Papiertaschentüchern zuzulegen. Dann kommt ein zunächst leichter Husten auf, begleitet von einer fieberähnlichen Temperatursteigerung. Die allumfassende Mattigkeit gibt dann die Gewissheit, dass die Erkältung da ist. Manche laufen zum Arzt, schon, um eine Krankschreibung zu erwirken und die neuesten Mittelchen ausprobieren zu können, was dann wiederum die Pharmaindustrie sich gesund stoßen lässt. Andere, dazu gehöre ich, versuchen das Ganze zu ignorieren und die Erschöpfung einem natürlichen Ende entgegen ziehen zu lassen. Der Versuch, der Krankheit mit einem kräftigen Grog beizukommen, muss fehlschlagen, denn ein Zusammenhang mit einer schnellen Gesundung konnte noch nicht nachgewiesen werden. Der Verzicht auf Medikamente (außer Aspirin, vielleicht) macht die Sache nicht wirklich zum Renner. Es dauert, wie man sagt, auf alle Fälle entweder zwei Wochen, oder vierzehn Tage, bis man dieses Problem wieder los ist.

Schön ist es deshalb, wenn die bessere Hälfte sich zur gleichen Zeit einmal als weniger "besser" bezeichnet und, umweltbedingt (wir leben ja schließlich eng zusammen) und nicht aus bloßer Sympathie, Anzeichen von Kopfschmerzen, Gliederzerren und Ähnlichem aufweist. Es hat uns dann wieder einmal gemeinsam erwischt. Problematisch sind dabei nur die frischen Brötchen, die einer holen muss. Das bin meist ich. So sind die Rollen verteilt.

Worauf ich hinaus möchte? So eine Erkältung kann auch ihren Reiz haben. Man hustet im Gleichtakt, und man bedauert sich gegenseitig. Bei Schüttelfrost rückt man eben enger zusammen und freut sich auf das gemeinsame Ende (dieser jährlich wiederkehrenden Erkältung). Wie schön, wenn alles wieder vorbei ist.

Montag, 26. September 2011

Das hat uns grade noch gefehlt: Weltuntergang

Weltuntergang. Zum wievielten Mal schon? Ja, sie wird untergehen. Ja, wir können nichts daran ändern. Wann und wie? Das ist noch nicht ganz sicher. Was bringt die Menschen dazu, den Untergang zu erwarten? Das schlechte Gewissen? Eine angeborene Todessehnsucht? Oder, was mir immer einfällt, wenn das Radio oder die Regionalzeitung Sauregurkenzeit haben: das Abstruse, das Bedrohliche, das Absonderliche wird in den Mittelpunkt gerückt. Nur für einen Augenblick zwar, denn die Ankündigung des Untergangs, der dann doch nicht stattfindet, muss ja auch wieder ganz schnell vergessen werden.

Wer nicht mehr an die gebetsmühlenartigen Sprechblasen der Politiker so richtig glauben mag, der wird empfänglich für den anderen Unsinn, der uns ständig plagt. Dazu gehören auch die Ankündigungen von Weltuntergängen. Schamanen und Geisterbeschwörer, sowie ernsthafte Religionsvertreter, versuchen es immer wieder, die existenzielle Angst des Menschen am Leben zu halten. Interessant, wie viele darauf herein fallen. Dabei ist das Grauen vor dem sozialen Abstieg heute eine größere Realität, als das Näherkommen eines Gesteinsbrockens aus dem All, dem wir auch nicht entkommen.

All denen, die schon dreimal im Leben solche Ankündigungen erlebt haben, sage ich mit dem Brustton der Überzeugung: sie werden nicht wahr. Eher kommt eine liberale Partei auf den Gedanken, versprochene Steuerermäßigungen tatsächlich durchzusetzen. Aber, selbst davor haben wir keine Angst mehr. Lasst uns also ruhig weiterleben. Zu Ende geht alles mal ganz von selbst.


Samstag, 24. September 2011

Ich möchte nicht mehr, oder doch?



Ich möchte dich nicht mehr begleiten,
als Stück Mann, und, wie eine Sache,
als Schmuckstück, daß ich nicht lache,
als Affe neben dir schreiten.
Mein Silberhaar weht unverdrossen.
Im Bauch schwirr`n immer noch Dinge,
Ich nenne sie Schmetterlinge. 
Für sie hab‘ ich Tränen vergossen.
Sie fliegen wie Blätter im Sturm
und wollen geliebkost sein.
Doch in jedem Glas Wein 
sitzt jetzt ein silberner Wurm.

Freitag, 23. September 2011

Verbale Entgleisungen - Zypern einmal anders



Der nordzyprische Hotelführer, der in seiner deutschen Fassung keine Selbstzweifel kennt,  ist im ersten Jahr des dritten Jahrtausends nach Christus erschienen. Er wurde dann wieder schnell und diskret aus dem Verkehr gezogen. Ich werde sicher nicht alle 146 Seiten zitieren, aber,  wenn ich an Odysseus denke, die langen Jahre seiner abenteuerlichen Irrfahrt, kann ich erwarten, daß man sich wenigstens die eine oder andere ergötzliche Zeile dieses Werkes anschaut. Dabei schwöre ich, daß ich die Auswahl meiner Beispiele ganz dem Zufall überlasse. 

Das L.A. Holiday Center ist insofern ein Hit, als man dort Wunderliches erklärt bekommt: „LA Hotel ist ein Paradies, auf einem Platz wo sich das Meer und die Berge treffen belegt und einmal, wo sich die Königreich Lapithos stattfindet. LA Hotel hat eine typische zypriotische Architektur mit Sandstrand, grosse Terrasse um Ihnen zu sonnen und reiche Blumengärten. LA Hotel wird im Jahre 1991 gebaut und hat 101 Zimmer Die Zimmer haben eine typische Mittelmeerarchitektur. Die Anlage besteht aus zwei verschiedenen Teilen, ein hochen Eingangteil zwischen verschieden Blumengärten und ein Schwimmbadteil in der Mitte von der Anlage. LA Hotel einladet Ihnen, einen ruhigen und schönen Urlaub in der Mitte von Geschichte und Schönheit, zu verbringen.“Wer wollte sich da nicht einmieten? Riviera Bungalows jedoch ist unschlagbar. Es ist „nur 3 Km in den Westen von der Perle Nord Zyperns Kyrenia, wo blau und grün sich umarmen, auf 34 000 Quadratkilometer und 350 Meter Sandstreife, belegt“. (Verdammt noch mal! Woher hat er das Wort „belegt“?)  „Es ist eine Anlage, wo Sie einen ruhigen Urlaub machen können. Die Anlage ist einen Familienbetrieb und hat 22 Doppelstock, bungalows und 6 Studios. In dem Mittelgebäude gibt ein grosses Restaurant, Bar und Salon mit Kabelfernsehen, Schwimmbassin mitWasserfall, Bassinbar, Snackbar, Kinderspielplatz und Privatstrand. Die Anlage hat Studios und Bungalows, die alle mit gelben Stein und Holz, und auf 30-40 Quadratmeter gebaut sind. Die haben alle Sclafzimmer, Salon, völlig ausrüstete Kühe, klimatisierung, Telefon, Dusche, Toilette, Balkon und Terrasse.“ Ich darf hier mein feierliches Ehrenwort abgeben, daß ich keinen einzigen orthographischen oder syntaktischen Schnitzer frei erfunden habe. Das Niederschreiben dieser Zeilen war schwierig genug.
Meine Bemühungen, durch möglichst präzise Schilderungen, die Schönheit dieser Insel zu vermitteln, dürften meinen Lesern vertraut sein. Schwamm drüber! Daher nur noch einige besonders gelungene Informationen über die türkisch-zyprische Seite der Insel, sozusagen in Schlagzeilen:  „Nord Zypern liegt zwischen drei Kontinenten und hat eine reiche Geschichte, perfektes Klima und die warmste Willkommen im Mittelmeer. Viele Jahre ist es eine englisches Ferienplatz geworden und anbietet Ruhe, Wassersport und begeisterte Erforschungen der Küste entlang.  ---   Die Sonne scheint heir 300 Tage über blauem, klarem, unverstörtem Meer.   ---   Sie müssen auch Freundlichkeit und Gastfreundlichkeit, ausgeschmecktes und verschiedenes Essen hinfügen und Sie haben das beste Rezept für einen perfekten Urlaub.   ---   Es gibt viele gute Restaurants und malerische Kyreniahafen ist der Platz für Ihren Abends  zu besuchen.   ---   Einmal wird Zypern als einen Liebzeichen von Caesar zu Kleopatra als Geschenke gegeben. Wenn Sie Zypern besuchen, werden Sie die Legende besser verstehen.   ---   Das Wilde Leben in Nord Zypern. In der Nähe von den Kyrenia Bergen, gibt die berühmte freies Feld Zeiegen, die Sie sehen können, wenn Sie spazieren gehen. Aber das symbol Nord Zyperns ist unbedingt der Esel der zwischen vielen Tieren auf Zypern, groß oder klein, meiste Aufmerksamkeit erreignet. Die Esel haben Ihrselbst ein Wohngebiet auf der Halbinsel Karpaz genommen wo sie mit ausgezeichneten Schönheiten (nicht meine Schuld!) und unverstörter Natur leben. Heute ist das Leben für die Eseln leichter. Diese Eseln leben in Gruppen aber obwohl ihre wilde Natur sind sie für Ihre Freundlichkeit bekannt“. 

Wer könnte es schöner formulieren? Für den stutzigen Leser: Zeiegen sind die bekannten Meckertiere, die hier auch noch frei herumlaufen und deren Ziegenkäse allenthalben geschätzt wird. Die „Metorologische Informazion“ überspringen wir. Es handelt sich hier nur darum, mit den wunderbaren Durchschnittstemperaturen von Wasser und  Luft, sowie der Zahl der Sonnentage, zu prahlen, wobei den Statistiken wohl nicht an die Karre zu fahren ist. Andere „Informazionen“ sind unbedingt notwendig. Hier sind sie: „Wie man zum kommt: Man kann zum Zypern weder mit Boot oder Flug kommen (es sollte „entweder“ heißen), Luftweg: Cyprus Turkish Airlines und Turkish Airlines haben eine wichtige Netzwerk, wo Sie von intrenationellen Flughafen zu Ercan durch die Türkei fahren“. 
Am besten, man vertraut sich einer anderen Sprache an, um den Durchblick zu erhalten. Obwohl: auf der Insel wurden inzwischen durchaus Fortschritte erzielt. Die deutschen Untertitel in einem griechisch-zyprischen Restaurant in Nikosia waren, bis auf wenige Ausnahmen, verständlich. Sprache ist eben auch eine Gabe. Nicht jeder Trottel besitzt sie, und diejenigen, die mit ihr als Fremdsprache umgehen müssen, haben oft ihr liebe Not. Man sollte sich aber auf keinen Fall dadurch von einer Zypernreise abhalten lassen.

Donnerstag, 22. September 2011

Schwulsein = Coolsein



Mein Freund ist Bäcker, er macht Brot
Bäckt Brezeln und ist cool.
Inzwischen wird er nicht mehr rot,
Wenn er mir sagt: „Bin schwul“.
Mein Freund, der Georg, ist ein Penner.
Vom andern Ufer ist er auch.
Deshalb hat er nur Bock auf Männer.
Die küßt er hinter einem Strauch. 

Mein Freund, der Hannes, der ist cool.
Betrachtet nackte Leiber.
Ich dachte immer er sei schwul.
Doch schwärmt er nur für Weiber.

Zypern und seine Zugvögel



Zugvögel sind die Touristen des Himmels, wenn man einmal von notorischen Vielfliegern der Mallorca-Klasse absieht. Ab September fliegen sie, bis in den Dezember hinein. Manche bleiben zum Brüten auf der Insel. Andere fliegen weiter. Alles in allem schätzt man die über die Insel brausenden Zugvögel jährlich auf etwa 150 Millionen. Ein seltsames Geräusch am Himmel läßt den Betrachter aufhorchen. Einzelne Schreie, als würden Gänse oder Schwäne einen unsichtbaren Kampf austragen, lassen die Blicke nach oben wandern. In  Dreiecksformationen fliegen riesige Schwärme von Kranichen am Himmel entlang. Sie kommen meist vor Einbruch der Dunkelheit aus dem Norden über das Meer. Zögernd fliegen sie die Küste ab, den Kyrenia-Bergen auf der Nordseite folgend, um dann über einen niedrigen Paß hinweg zu fliegen und einen Ruheplatz für die Nacht zu suchen. Schwer schlagen die Flügel der müden Tiere, die ihren Zug von Skandinavien und Rußland nach Ägypten angetreten haben. Im Norden Europas gilt ihr Abflug als Hinweis auf den kommenden Winter. Hier sind sie die Reisenden der Luft. Auf ihrem Rückweg, meist im April, verkünden sie den Nordmenschen dann den Frühling. Die ganz kleinen Reisenden der Lüfte sind jedoch ebenso interessant. Man bemerkt ihre Ankunft hier auf der Insel nicht. Sie sind einfach da und vermischen sich mit  Ihresgleichen. Rotkehlchen gehören auch, zu den Weitgereisten, von denen aber auch viele hier ansässig sind. In Massen ziehen sie weiter an die Levante oder nach Ägypten. Ihr Zwitschern ist im Herbst geradezu betörend. Bei Morgen- und Abenddämmerung tirilieren sie seelenruhig vor sich hin, geradezu melancholisch, während im Frühjahr und Sommer sich ihre Laute metallisch und kurz anhören: Tick, tick, tick.
Zum Glück gibt es die Zugvögel anderer Art: Briten, die in ihrem ehemaligen Kolonialreich herumgeistern und Vogelschutz betreiben. Sie haben in den Sechziger Jahren die ornithologische Gesellschaft der Türkei gegründet, die 1978 auf den Nahen Osten, und 2001 auf den Kaukasus und Zentralasien ausgedehnt wurde. Die „Ornithological Society of the Middle East“ (OSME), hat inzwischen nationale Ableger in über 4o Ländern und widmet sich auch dem wissenschaftlichen Umgang mit den gefiederten Freunden. 
Eine etwas unseriöse Tierpopulation sollte nicht außer Acht gelassen werden, will man einen fairen Überblick über die Tierwelt der Insel erstellen. Es handelt sich um die streunenden Hunde und Katzen. Besonders die Hunde aller Rassen rotten sich gerne zusammen, um ihrer Lebensfreude Ausdruck zu verleihen, indem sie Fußgängern und Autofahrern den Weg versperren. Schmutzig und krank sind sie oft, aber gefährlich nie. Auch im Sommer 2011 lagen die toten Köter wieder am Straßenrand, bis sie von unsichtbarer Hand entfernt werden, wohl wegen der Hitze, die den Gestank fördert. 

Die Katzen neigen dazu, sich individuell auf Terrassen zu schleichen und von gerührten Touristen und Zugewanderten Eßbares zu erjammern. Auch in Gasthäusern streichen sie gerne um die Beine der Gäste und streiten wild, wenn es darum geht, etwas zu verteidigen, das gerade vom Tisch gefallen ist. In meiner Wohngegend, hoch über Kyrenia, war ein Kater zu Ruhm gekommen, weil er sich in Küchen schlich und es schaffte, Kühlschranktüren zu öffnen. Er trug den Namen Burglar Bill, der Einbrecher-Bill, dessen plötzliches Verschwinden ein Rätsel blieb. Niemand konnte sich vorstellen, was ihm zugestoßen war. Gelegentlich geschieht auch ein Wunder: ein Hund erhält von einem Touristenpaar eine Art Patenschaft angeboten. Meist sind es Briten, die ja für ihre Sonderlichkeit bekannt sind, die ein solches Tier durch Füttern und Liebkosungen an sich binden und am Ende ihres Aufenthalts mit nach Hause nehmen. Daß ein solches Tier bei der Ankunft in Großbritannien zunächst die Höllenqualen eines mehrwöchigen Aufenthalts in Quarantäne überstehen muß, wiegt weniger schwer, als das was den Zurückgebliebenen oft zustößt: sie werden von Hunde- und Katzenhassern ganz einfach vergiftet. Grausam ist die Welt, und die Tierwelt ist ein Teil davon.

Mittwoch, 21. September 2011

Draußen in der Nacht



Draußen ist es Nacht, ein Hauch
Von Kühle dringt nach innen.
Durch das schwarze Fenster
Klafft der Mond aufs Linnen.
Einsam ist er auch,
Fürchtet die Gespenster.
Müde legt der Kopf sich hin,
Hat genug vom Walten,
Grüßt ein letztes Mal die Nacht
Und die Traumgestalten,
Deren  dunkler Abersinn
Wieder keinen Schlaf gebracht


Dienstag, 20. September 2011

Zypern, deine Tiere





Als Leonardo da Vinci 1481 die Insel besuchte, stand diese fast schon unter der Herrschaft Venedigs. Er soll den Vertretern dieses mächtigen Stadtstaates Ratschläge für einen Umbau Famagustas zur Festung gegeben haben. Dazu gehörte wohl auch der Einbau eines geflügelten Löwen aus Marmor über dem Tor, das zum Othello-Turm in der damaligen Hauptstadt Zyperns führte. Dieser venezianische Löwe ist in Zypern auch anderswo zu sehen. Ob es dort auch richtige Löwen gab, darf bezweifelt werden. Reisende aus dem 13. und 14. Jahrhundert berichteten jedoch von Jagdleoparden und Hirschen, die auf der Insel gesehen wurden. Daß es heute noch wildlebende Esel im Nordteil gibt, hängt wohl damit zusammen, daß das von ihnen bewohnte Gebiet ganz im Osten, der „Pfannenstiel“, nur ganz wenige menschliche Bewohner und auch kaum Touristen aufzuweisen hat. Diesen wenigen Eselchen wird von den dortigen Bauern auch noch das Leben schwer gemacht, denn sie verlassen das  ihnen zugewiesene Gelände gelegentlich, um auf unerlaubtem Gebiet zu grasen. Wenn man bedenkt, wie schwer es ein Wolf im immerhin wilden und unübersichtlichen bayerischen Wald hat, kann man sich gut vorstellen, daß so große Tiere in der schrumpfenden, weil für den Tourismus erschlossenen, Wildnis Zyperns kaum Aussichten auf Überleben haben. Nicht unbedingt in den Bereich der Sagen muß die Geschichte einer Britin verwiesen werden, die bei einem Picknick im Walde beim Beschparmak-Gebirge, dem Fünffingerberg (Pentadaktylon auf Griechisch), eine hundegroße dunkle Raubkatze gesehen haben will. Das Gebirge ist sehr zerklüftet und in großen Teilen unzugänglich. Die totale Abgeschiedenheit mancher Bergregionen, sowohl im Süden als auch im Norden der Insel eignet sich hervorragend für die Bildung von Legenden. Niemand würde die Energie aufbringen, einer fragwürdigen Behauptung entgegenzutreten, oder einer solchen Entdeckung nachzugehen.
Kamele sollen bis vor wenigen Jahren, im 2o. Jahrhundert jedenfalls, noch gesehen worden sein. Auch scheint es verbrieft, daß Elefanten und Flußpferde einst hier gehaust haben. Das Mufflon, eine in Zypern beheimatete Wildart, lebt jetzt naturgeschützt nur noch ganz vereinzelt im Troodosgebirge. Heute geht es vor allem um das Überleben anderer Vierbeiner, die bis in die Fünfzigerjahre auch in Deutschland als Suppe sehr geschätzt waren: Chelonia-Mydas, die Suppenschildkröte, und die am häufigsten auftretende Caretta caretta, auch unechte Karettschildkröte genannt. Diese kämpfen an den wenigen Stränden, die noch die Möglichkeit bieten, Eier abzulegen, um ihre Existenz. Dabei gibt es im Süden wie im Norden Tierschützer, oft aus Großbritannien, die alles tun, um diese sensationellen Tiere zu retten. Ob es gelingen wird, ist eine andere Frage. Meines Wissens ist Zypern überhaupt die einzige Mittelmeerinsel, auf der es solche Tiere noch gibt. In Spanien, Italien, Griechenland, der Türkei, sogar in Südzypern ist von den Meeresschildkröten so gut wie nichts mehr übrig geblieben. Inzwischen kann man sich über die Verhaltensweisen der Schildkröten ganz gut informieren. Die Zeit des Eierlegens beginnt im Mai und kann bis Mitte Oktober dauern. Die Eier werden liebevoll 30 bis 60 cm tief in den Sand gegraben, um dann etwa 50 bis 60 Tage Zeit zu haben für das Schlüpfen der Jungtiere. Von ca. 4ooo Schildkröten erreicht im Schnitt nur eine einzige die nötige Geschlechtsreife, um dann, nach 30 Jahren, wieder an den Geburtsort am Strand zurückzukommen und Eier abzulegen. Eigentlich dürfte es sie gar nicht mehr geben. Aber mit etwas Glück und viel Geduld, kann einem ein solches Tier von der Größe eines Rucksackes über den Weg laufen. Am besten ist es jedoch, sich mit dem Begutachten ihrer Spuren zu begnügen und die friedlichen Kriecher in Ruhe zu lassen.

Einskommawieviel? Kann's auch noch etwas weniger sein?


Die letzte Landtagswahl in diesem Jahr. Päng! Bei so vielen Wahlniederlagen fragt man sich, was soll jetzt werden? Man gibt ja zu, dass nicht alles ideal gelaufen ist, aber personelle Veränderungen verbietet die aktuelle Lage. Der Wähler hat uns einen klaren Auftrag erteilt, dabei bleibt es. Klarheit, Deutlichkeit, mit viel selbst gestrickter Überzeugung können diese Vokabeln einen revolutionären Sinn ergeben: endlich Klarheit in der Politik. Schwester Homburg beschwört die neue Brüderlichkeit, Schwesterwelle will sich etwas breiter aufstellen, der freundliche Asiat  an Angies Seite muss zum Zahnarzt, um den Biss zu bekommen, mit dem man wieder auf die erträumten 18 % kommt, Brüderle bleibt Brüderle.

War es Franz von Assisi oder Mutter Theresa, die ihr Leben zwar nicht breit, aber neu aufgestellt haben? Jetzt, wo der Heilige Vater wieder auf Visite in seinem Vaterland weilt, ist Mut auf allen Seiten gefragt. Einen Fehler erkennen, heißt auch, ihn zu bereuen. Dann kommt die Umkehr. Mut dazu muss man haben. Ein bisschen was zugeben, einräumen, gestehen, konzedieren, abnicken, hilft nicht viel. Radikale Kehrtwenden, wie bei der Atomsache, könnten auch das Schiff der Liberalen wieder flott machen. Es ist wie bei einem einst guten Restaurant: sobald die erste Fliege in der Suppe gesichtet wird, bleiben die Esser weg. Der neue Wirt kündigt dann wieder eine völlig neue Speisekarte an. Ein paar Neugierige werden dann schon kommen, aber die 18 % werden lange auf sich warten lassen. Mühsam ist der Weg nach oben. Hallo, Guido, du hast doch immer am lautesten geschrieen. Lass dir etwas einfallen. Alles Gute!

Montag, 19. September 2011

Die Ameise als solche - Das Leben der Tiere in Zypern



Sehr gerne wüsste ich, was Ameisen von mir halten. Wir leben zusammen. Ich kann mir Zypern ohne Ameisen gar nicht vorstellen. Es gibt im wesentlichen drei Sorten oder Größen, mit denen ich zu tun habe. Fangen wir bei den Kleinsten an. Sie leben irgendwo. Ich weiß es nicht genau. Wenn mir in der Küche ein Körnchen Zucker oder sonst ein süßlicher Brösel zu Boden fällt, warte ich nicht lange, und sie sind da. In langen Prozessionen tummeln sie sich um die begehrten Stücke herum und tragen sie irgendwohin. Sie sind so winzig, daß man eine Lupe braucht, um sie richtig anzuschauen. Über die mittlere Ameise ist nicht viel zu sagen. Sie kommt und geht und scheint immer etwas mit sich herum zu schleppen. Neulich beobachtete ich auf meiner Terrasse in Ambelia, oberhalb des Dorfes Bellapais, wie eine Bande von Ameisen der mittleren Kategorie eine halbtote Gottesanbeterin angriff. Diese wehrte sich verzweifelt indem sie ihre dünnen Beine gegen die Richtung stemmte, in die die Räuber sie zerren wollten. Der Kampf dauerte nicht lange, dann hatten etwa 6-8 Ameisen dieses Tier so zugerichtet, daß sie es im Triumph abtransportieren konnten. Die Gottesanbeterin muß um ein Hundertfaches größer als ihre Gegner gewesen sein. Friede ihrer Asche. Die große Ameise lebt auch bei mir auf der Terrasse. Sie kommt manchmal, ohne klar zu verstehen zu geben, was sie will. Sie muß fünfzigmal so groß sein wie ihre kleine Schwester. Sie schleppt auch viel größere Lasten, die sie mit einer gewissen Sinnlosigkeit im Kreise herum trägt, um sie dann gelegentlich wieder fallen zu lassen, als hätte sie das Interesse verloren. Da dieser Typ Ameise recht unauffällig auftritt und ausreichende Transportkapazitäten  aufweist, würde ich den inseltürkischen und –griechischen Geheimdiensten empfehlen, diese als Aufpasser unter Vertrag zu nehmen. Zumindest würde man dadurch in Kürze unendlich viel mehr über die faszinierende Tierwelt Zyperns erfahren, als dies der Fall ist, wenn man nur ab und an nach diesen Erdbewohnern forscht.
Als ich aus gesundheitlich bedingten Gründen erst nach fast einem Jahr wieder auf die Insel gekommen war, hatte ich meine Vorliebe für Ameisen vollkommen vergessen. In Zentraleuropa scheint es eine Vielzahl von Ameisenarten zu geben, wobei die gemeine Waldameise, diejenige ist, die jedes aufmerksame Kind auf dem Weg zur Schule zu sehen bekommt. Andere Arten sind Teile des Herrschaftswissens von Biologen und ehrgeizigen Naturkundlern. Sie finden sonst kaum Interesse. In Zypern sind Ameisen die stillen Teilhaber menschlicher Existenzen. Sie säen nicht, aber sie ernten, und bei ihnen gibt es noch eine Moral. Oder hat jemals jemand ein Ameisenpaar beim Kopulieren erwischt? Ich nicht. Das kann natürlich damit zusammenhängen, daß Ameisen überhaupt nicht kopulieren. Aber, was tun sie dann? Als ich einen ersten Rundgang durch das für einige Monate verlassene Haus machte, fiel mir auf, daß die Wände von meinen Freunden als eine Art Autobahn benutzt wurden, was mich nicht sonderlich befremdete. Kreuz und quer pesten sie über die Wände.  Die Gründe hierfür blieben mir bis heute schleierhaft. Die Ameisen schienen mir allerdings etwas abgemagert. Befanden sie sich auf der Suche nach Nahrung? War es deshalb ein Zufall, daß mir während des Frühstücks auf der Terrasse, am anderen Morgen, ein großer Batzen Quittengelee auf den Boden fiel? Ich freute mich für meine Hausgenossen und wartete, was passieren würde. Nun, es dauerte nicht lange, und meine sechsbeinigen Treterchen, die von der Mittelschicht, nicht die ganz kleinen, hatten sich versammelt, um den unerwarteten Brocken in Augenschein zu nehmen. Alsbald begann der Abtransport, wobei ich einige der am wenigsten fleißigen im Verdacht hatte, einen Großteil ihrer Beute vor Ort selbst zu verzehren, was in der ameislichen Gesellschaftsordnung nicht vorgesehen ist. Auch hier sind die Dinge nicht mehr was sie einmal waren.
Nach einer guten Stunde, ich hatte gerade die Sachen gerichtet, um zu einem Bad im Mittelmeer aufzubrechen, schaute ich noch einmal nach meinen Freunden. Ihre Zahl war geringer geworden. Wie konnte das kommen? Etwa 20 bis 30 schafften noch Quitte in ihre Behausungen, die anderen müssen ihre Pläne kurzfristig geändert haben. Der Vorrat an Süße – können Ameisen zwischen Quitte und, sagen wir, Kirsche wirklich unterscheiden? – war vielleicht zu groß geraten. Dann könnte es sich darum handeln, daß die Immerfleißigen zuerst eine Strategie  entwickeln möchten, wie man den besonders kostbaren und seltenen Quittengeleeberg innerhalb der nächsten drei Tage (und Nächte?) abtragen könne. Diese Diskussionen brauchen Zeit. Ich  werde an der Sache dranbleiben, denn Einblicke in die Welt der sympathischen Krabbler sind doch eher selten.
Jetzt erkenne ich zwei meiner kleinen Ameisen vom Vorjahr wieder. Die Zwergleute unter den Winzlingen hatten sich mutig bis an den Geleevorrat herangepirscht, als einer der Platzhirsche entschlossen auf sie zusprang und ihnen den Weg verstellte. Ich wußte, daß ich mich nicht einmischen durfte. „Small“ mag noch so „beautiful“ sein, klein ist klein und groß ist groß, und Gerechtigkeit ist ein abstrakter Begriff, auch bei Ameisen. Die Kleinsten konnten nicht einmal schnell genug rennen, um der Bedrohung durch ihre habgierigen großen Schwestern zu entkommen. Sie flüchteten in eine unsichtbare Ritze und warteten, bis der Spuk vorüber war.  Am nächsten Morgen, es war noch nicht 7 Uhr, die Temperaturen waren in der Nacht auf angenehme 18C° gefallen, machte ich als erstes einen Gang auf die untere Terrasse. Die Hunde hatten mit dem frenetischen Bellen aufgehört. Von Ferne hatte es herüber geklungen, als wäre eine Katze in einen Hundeharem eingebrochen. Sofort sah ich den gelblichen Batzen Gelee, seit gestern um ein gutes Drittel verkleinert. Weit und breit war keiner der wuseligen Schlecker zu sehen. Das änderte sich in dem Augenblick als die Rufe des Muezzin etwas verschlafen, und selbstverständlich vom Band gespielt, zu mir herüber drangen. Noch etwas staksig und unsicher bewegten sich zwei Ameisen auf den süßen Hügel zu. Sie mußten auf Erkundungstour geschickt worden sein, denn sie rührten nichts an. Ich vermute,  die Arbeitszeiten sind so geregelt, daß beim ersten Sonnenstrahl die Abschleppdienste wieder funktionieren. Von meinen „sugar ants“, den angeblich aus Südamerika eingeschleppten Winzameisen, habe ich nichts mehr gesehen. Das Geschäft muß ihnen eine Nummer zu groß gewesen sein.
Der dritte Tag der Quittenausgabe war angebrochen. Eine einzige Ameise tanzte unschlüssig um den verbliebenen Haufen herum. Ich beschließe, mit einem Löffelchen den süßen Batzen aufzuheben und in den Garten zu werfen, um dem peinlich gewordenen Spiel ein Ende zu bereiten. Ich höre die Ameisen geradezu flehen: „Wir schaffen es nicht mehr. Seit der letzten Naturkatastrophe (meine Tochter hatte im April die Terrasse gefegt) sind wir nur noch einige Hundert. Nur mit Mühe können wir den normalen Betrieb aufrecht erhalten“. Ich muß an Fräulein Ditmar denken, meine geliebte betagte Lehrerin, vor endlosen Zeiten verstorben. Ich war etwa 10 Jahre alt, als sie mich in einer privaten Angelegenheit sprechen wollte. Seit kurzem hatte sie ein junges Kaninchen in ihrem Haus, das sie liebevoll fütterte. Es hüpfte fröhlich im Wohnzimmer herum und durfte in ihrem Lieblingssessel Platz nehmen.  Da wir Nachbarn waren, fragte sie mich, ob ich nicht gelegentlich in den nahen Wiesen etwas Löwenzahn sammeln könne, es sei doch Frühling und Kleingeorg liebe diese Pflanze besonders, was mir bekannt war. Ich würde mein Taschengeld aufbessern können, denn für jedes Spankörbchen Löwenzahn bekäme ich 5 Pfennige. Fräulein Ditmar muß sich einen großen Vorrat an solchen Münzen besorgt haben, denn sie zahlte regelmäßig und bar. Nach einer gewissen Zeit – ich hatte ihr ein Körbchen nach dem anderen gebracht, denn ich wollte schnell reich werden, - sagte sie mir freundlich: „ich gebe dir die 5 Pfennige gerne weiterhin, aber wir schaffen es nicht mehr“. Dabei schauten Fräulein Ditmar und Kleingeorg mich so ehrlich an, daß ich auf diese Geldquelle freiwillig verzichtete, schließlich wollte ich nicht nur einmal reich, sondern auch ein Edelmann werden. Meine Ameisen müssen vor einem ähnlichen Dilemma gestanden haben. Ich habe meine Lektionen im Leben immer noch nicht gelernt. Zum Schluß, - ich muß irgendwie versuchen aus dieser Ameisensaga wieder herauszukommen, -  möchte ich alle warnen, sich über die Kleinheit dieser Tiere lustig zu machen. Erstens liebe ich sie, zweitens gibt es Abermilliarden davon auf der Erde. Wer sagt uns, daß wir es nicht sind, die wie lächerliche Riesen dastehen? Eine dusselige Minderheit, die geschützt werden muß? Viel zu groß, um in eine kuschelige Ritze zu passen. 
Ein Nachsatz zum Thema Ameisen: Bei einer mehrstündigen Wanderung durch die Kyreniaberge, begleitet von einer quirligen Schottin, die 13 Jahre in Tasmanien zugebracht hatte, mußte ich erfahren, daß tasmanische Ameisen, die „Bull ants“ die Größe von 1,5 Inch aufzuweisen haben. Was sind anderthalb Inch? Ich weiß es nicht. Die Erzählerin sagte mir auch nicht, was sie 13 Jahre lang in Tasmanien gemacht hat. Kennern muß ich nicht erläutern, daß Tasmanien zu Australien gehört. Schon aus diesem Grund hätte ich sie fragen sollen, warum sie in Tasmanien war. Klavierunterricht? Ärzte ohne Grenzen? Oder einfach nur der Versuch, mit wenig Geld einen längeren Urlaub zu gestalten?

Ich doofer Trottel


Ich doofer Trottel am Computer
Benehme mich ganz liederlich,
Ich lerne nicht, ich blödes Luder,
Wie man es macht, wie widerlich!
Da fällt mir ein was ganz Famoses, 
Ich setze mich ans Schreibgerät
Und tippe rein, swird ganz was Grosses,
Von schönen Reimen übersäht.
Da ist sie wieder, diese Pleite
Ich schalte, drücke und so fort,
Mein Text sucht wieder mal das Weite,
Versteckt sich an geheimem Ort.
Wenn man bedenkt, was für ne Mühe
Das macht, was man da dichtet,
Und alles ist für Nachbars Kühe,
                                               Mit einem Wort: vernichtet.

Nachtgedanken, erdrückt mich nicht!

    
Leise zieht der Wind durchs Fenster
Bringt die frische Luft herein.
Und die nächtlichen Gespenster
Wabern hell im fahlen Schein.
Kommt der Morgen dann und leuchtet,
Und es wird am Himmel rot,
Ist der Körper ganz durchfeuchtet,
Übel riecht er und ist tot.

Samstag, 17. September 2011

Zypern, wann wird es klappen?

                                                              Abend in Kyrenia/Girne


"Nie", sagen die einen, "es muss endlich zum Durchbruch kommen", sagen die anderen. Es geht um die Wiedervereinigung der drittgrößten Insel des Mittelmeeres. Vereint war Zypern noch nie: ca. zwei Drittel der Bevölkerung sind griechische, und ein Drittel türkische Zyprer. Sie lebten zusammen, unter fremden Herrschaften, zuletzt der britischen, davor über 300 Jahre lang als Teil des Osmanischen Reiches, zu dem auch Griechenland gehörte. Jeder ging seiner Religion nach: griechisch-ortodox hie, muslimisch-türkisch da. Dann machten die Griechenzyprer Druck auf die britische Kolonialmacht, die den türkischen Bevölkerungsteil gegen die Aufständigen einsetzte. Auf Druck einer faschistischen Regierung in Athen sollte die ganze Insel Griechenland angegliedert werden. Das wollten die Türkzyprer nicht.

1960 dann entließ Großbritannien die Insel in die Unabhängigkeit. Die Verfassung sollte durch 3 Garantiemächte gesichert werden: Großbritannien, die Türkei und Griechenland. Das konnte nicht gut gehen. Der zyprische Präsident, Erzbischof Makarios, tat alles, um die türkische Minderheit zu unterdrücken. Der große Nachbar Türkei, nahm seine vertraglichen Rechte wahr und besetzte ein Drittel des zyprischen Staatsgebietes. Flüchtlinge auf allen Seiten. Gewalttätigkeiten, ja Massaker. Die Teilung der Insel dauert nun schon fast 40 Jahre. Natürlich ist alles sehr kompliziert. Der türkische Teil ist international nicht anerkannt, weil Griechenland und jetzt auch (der griechische Teil) als Mitglied der EU seit Jahren eine Art Hallsteindoktrin praktizieren: kein Zugang zu nordzyprischen Häfen und Flughäfen, Handelsboykott und antitürkische Propaganda haben verhindert, dass die türkisch-zyprische Minderheit als Staat anerkannt wird. Deshalb haben alle Versuche, beide Ethnien zusammenzuführen, nichts gefruchtet. Seit der Teilung liegen Stadtteile der Hauptstadt auf beiden Seiten brach. Wie einst im geteilten Berlin geht eine Demarkationslinie quer durch Nikosia. Geschützt durch die Vereinten Nationen. Todesfälle hat es da relativ wenige gegeben. Auf der griechischen Seite steht an der Mauer noch ein Café, das Café Berlin heißt. Es ist ziemlich heruntergekommen. Die Menschen scheinen das Interesse an der Abgrenzung allmählich zu verlieren. Die griechische Seite hat an den Grenzübergängen längst die antitürkischen Banderolen abgehängt.

                                                                    Die geteilte Stadt

Vor zwei Wochen habe ich mir die (noch) geteilte Stadt angeschaut. Mitten durch das Zentrum geht jetzt ein Grenzübergang, der nur mit Pässen in den anderen Teil führt. Aufbruchstimmung ist allenthalben zu erkennen. Die lange totgeglaubten Randzonen sind jetzt belebt, voller Cafés, Restaurants und kleinen Lädchen. Neue Hoffnung scheint sich bemerkbar zu machen, doch die Verhandlungen sind zäh: die Griechisch-Zyprer wollen immer noch keine volle Gleichberechtigung für die Minderheit, auf die sie oft noch herabschauen. Die türkische Seite kann nicht einsehen, warum sie einen Status quo ante anstreben sollte, der sie dann wieder unter die griechische Vorherrschaft bringen könnte. Vertrauensbildung ist eben eine langwierige Sache. Auf Aphrodites Insel wird noch zugewartet. Ich versuche, beide Seiten zu verstehen, denn über diesen jahrelangen Auseinandersetzungen ist immer eines zu kurz gekommen: die unerhörte Schönheit der gesamten Insel und die Liebenswürdigkeit ihrer Bewohner.


Freitag, 16. September 2011

Spiel mir das Lied vom Tod, denn der Herbst naht.

                                                                einer meiner geliebten
                                                                          Enkel


Damit keine Zweifel aufkommen: ich hänge am Leben, habe jedoch schon einiges abgesessen und muss mit dem schlimmsten rechnen. Also, wie möchte ich es haben? Gar nicht, jedoch, das geht nicht. Schon im Mittelalter kam ein gewisser Sensenmann, der auch damals schon nicht vor gekrönten Häuptern halt machte. Vornehm und adlig kann nicht gestorben werden. Wir kommen ja auch nackt auf die Welt. Da wird das letzte, meist taschenlose Hemd auch ganz schlicht daherkommen können. Nein, es geht mir um die Bilanz. Reichtümer? Was braucht der Verblichene schon? Ruhm? Wie schnell sind Cäsar, Napoleon und die göttliche Greta Garbo im Nichts der Geschichtsbücher verschwunden, die ja auch wieder immer neu geschrieben werden. Liebe? Hat man geliebt? Ist man geliebt worden? War man ein Schwein, oder hat man sich bemüht, redlich durchs Leben zu gehen? Das Leben als eine Leihgabe, an der man sich erfreuen darf, das man jedoch nicht besitzt.

Muss man sich mit dem eigenen Ableben beschäftigen? Konnte man sich an der Schönheit der Natur erfreuen oder war diese eher lästig, wenn es Herbst wurde? Hat man gelacht, sodass die Fältchen im Gesicht Zeugnis davon ablegen können? War man mutig? Wenigstens einmal im Leben? Ja, ich erhob mich mit 10 Jahren gegen einen Gottesmann, nicht weil er mich belästigte, sondern weil er ein gefürchteter Sadist war. Er liebte es, kleine Kinder zu quälen. Ich habe mich erfolgreich dagegen gewehrt. Deshalb kann ich mit einem Augenzwinkern (wenn das noch geht) ins Grab sinken oder in die Urne springen. Es juckt mich nicht.

Die Liebe hat mein Leben verschönt. Sie ist nicht verblasst, wie manche Erinnerung, sondern größer geworden. Jeder Tag ein Geschenk. Da denkt man nicht an den Tod als einen Feind. Vielleicht kommt er ja, um zu erlösen? Die Bäume, die ich gepflanzt habe, sind solala, mal gediehen, mal eingegangen. Nichts ist umsonst, und der Tod kostet das Leben. Ich glaube, ich muss mir meine Sprüche selbst ausdenken, denn niemand möchte mit mir über den Tod reden. Er ist ja die andere Seite des Lebens. Basta.

Tränenpalast - Palast der Republik

Jetzt kommt dieser unsägliche Raum in der Berliner Friedrichstraße zu späten Ehren, der Tränenpalast. Er wird zum Museum. Wie oft habe ich gegen Mitternacht in diesem kafkaesken Warteraum auf die entwürdigende Behandlung durch die Grenzbeamten der DDR gewartet. Endlich saß man in der S-Bahn nach Westberlin. Der verwaiste Bahnhof Lehrter Straße war ein erstes Zeichen von wiedergewonnener Freiheit. Am Bahnhof Zoo stieg ich dann wieder aus.




Oft hatte mich der Weg nach Ostberlin geführt, einen Freund zu treffen, der aus der Provinz angereist kam. Wir hatten eine gemeinsame Großmutter erfunden, die mal wieder krank war und besucht werden musste. Das Datum war klar, meine Ankunftszeit am Bahnhof Friedrichstraße war etwas unbestimmt, bedingt durch die Warteschlangen bei der Einreise. "Machen sie das Ohr frei" sagte einer unfreundlich und versuchte, staatstragend zu schauen. Man fühlte sich rechtlos und war froh, wenn man die oft stundenlange Prozedur hinter sich hatte. Peter wartete unfehlbar am Eingang zum Bahnhof. Er war nicht der einzige, der wartete und jemand traf. In Ostberlin selbst herrschte dann wieder die "Freiheit" der Anonymität. Alles konnte nicht überwacht werden. Das erste Bier mit Peter war gut und billig. Neben der Freude, sich wieder zu sehen, stellte sich schnell die triste Betrachtung der Lage ein. Wolf Biermann durfte nicht mehr öffentlich auftreten. Zeitschriften durfte man nicht mitbringen. Mit dem zwangsumgetauschten Ostgeld konnte man gerade ein paar tschechische Schallplatten kaufen, vielleicht noch einen Kaffee von einer unfreundlichen Bedienung erstehen. Schnell kam man auch mit denjenigen ins Gespräch, die offen ihren Unmut über die Lage äußerten. Ich wurde schon an meiner Körpersprache und durch die randlose Brille als Westler erkannt. In den Straßen stank es eigenwillig nach schlechtem Benzin.

Dann geschah es: nach zahlreichen Besuchen in Ostberlin, ich hatte mich gerade von Peter verabschiedet, denn es war Zeit, vor der nächtlichen Schließung der DDR wieder in den Westen zu gelangen, wurde ich gefilzt. "Leeren sie alle Taschen. Was sind das für Telefonnummern? Öffnen sie ihren Geldbeutel", wurde ich angeherrscht. Die erfundene Nummer unserer erfundenen Großmutter konnte im Stress des Filzens nicht überprüft werden. Keiner besonderen Schuld bewusst, außer der Tatsache, dass man eigentlich kein Recht hatte, in den Osten zu gehen, zeigte ich meine Börse. Was sah ich da? Ich fand tatsächlich einen Dollar, den ich wegen seiner Bedeutungslosigkeit bei der Einreise nicht deklariert hatte. Meine fadenscheinige Ausrede, ich hätte das vergessen, wurde nicht richtig gewürdigt. Ich sah mich im Gefängnis, zumal noch eine Leibesvisitation dazu kam, die allerdings nichts ergab. Kleinkarierte Bürokraten, dachte ich, war jedoch sehr besorgt. Ich musste ein Protokoll unterzeichnen und gestehen, dass ich mich eines Devisenvergehens schuldig gemacht hatte. Nach Mitternacht kam ich in Westberlin an und wusste, dass ich erst mal nicht mehr in den Osten reisen konnte. Mein Verbrechen hätte mich bei der geringsten Rückfälligkeit in ein Gefängnis gespült. Rechtlos und wehrlos, wie man eben in der DDR war.


                                                               "Ich bin ein Berliner"


Auf den Palast der Republik sollte man in diesem Zusammenhang auch zu sprechen kommen. So widerlich sah dieser goldglänzende Kasten ja nicht aus. Glas und Beton, mit der entsprechenden Dosis Asbest. Also wurde abgerissen. Jetzt warten wir auf das nostalgische Wiedererstehen des Berliner Schlosses. Dazu möchte man nichts sagen. Als ich im Januar 1990 mit einer europäischen Delegation höflich in den Balaschd dr Reböblig eingelassen wurde (einen kurzen Blick auf meinen Pass hat es schon noch gegeben, mehr nicht), da schwellte sich mir die Brust: nach allen Demütigungen und gravitätischen Zurechtweisungen durfte ich in den Palast und mit ungehinderter Sicht auf das entfernte Charlottenburger Schloss mein Glas Sekt trinken. Charlottenburg war zu Königs Zeiten noch kein Stadtteil Berlins, sondern ein reizvolles Jagdgebiet. Dann wurde der Palast zum Schauplatz hunderter Kameras, als im März 1990 die ersten freien Wahlen stattfanden. Ich durfte dabei sein. Die Geschichte hatte auch mir damit einen Triumph beschert. Und Peter durfte noch vor dem Mauerfall in den Westen machen. Unsere Freundschaft, aus der deutschen Teilung geboren, ist auch heute noch unerschütterlich.

Mittwoch, 14. September 2011

Istanbul-Konstantinopel-Byzanz - Welt von gestern und morgen


Man sieht jetzt mehr vermummte Frauen in Istanbul als früher. Trauen sie sich mehr, an die Öffentlichkeit zu treten? Oder ist eine neue fundamentalistische Welle im Anrollen? Eher unwahrscheinlich. Eine Stadt wie Istanbul mit ihren vermuteten 16 Millionen Einwohnern ist schwer in eine Schublade zu stecken. Hier pulsiert das Leben. Ist es muslimisch? Christlich? Gottlos? Man findet alles hier. Vor allem die Spuren der Vergangenheit. Aber auch die Zeichen der neuen Zeit. Neben den herrlichen Moscheen, die das Stadtbild prägen, stehen baulich kühne Gebäude mit Glas und Stahl den 2500 Jahren dieser Stadt gegenüber. Die verschleierten Frauen kommen aus einer Tradition, die nicht die unsrige ist. Manche halten diese schwarzen Umhänge mit Sehschlitz für beknackt. Sicher leiden auch viele Frauen darunter, dass sie eigentlich hübsch sind (nur der dazu gehörige Mann kann es wissen) und nicht "gesehen" werden, oder dass es ungewöhnlich heiß ist, wobei schwarz die Hitze geradezu absorbiert. Aus der Sicht des modernen Menschen ein schwer zu ertragendes Los. Wann wird die endgültige Befreiung für diese Frauen kommen?

Das Leben in den Straßen ist das einer Stadt, die schon immer ein Mittelpunkt der Menschheit war. Es pulsiert, es strotzt von Gold und Silber und schönen Teppichen, und - wichtig für den Weltenbummler wie für den Einheimischen - voll von Essplätzen. Überall kann gegessen werden. Tag und Nacht. Die Möwen fliegen herbei, um von den Essern auf den Dachterrassen etwas aufzuschnappen. Im Flug
schaffen sie es, das Stück Brot mit dem Schnabel zu erfassen und dann im Nu in den Lüften zu verschwinden.


Istanbul ist ein Zustand. Wenn man an den autobefahrenen Stellen der Stadt nicht aufpasst, droht Lebensgefahr. Die Taxi- und Minibusfahrer müssen schnell sein, um zu überleben. Im Bazar hingegen herrscht geschäftige Ruhe. Schätze, die in die Millionen gehen, werden dort angeboten. Nicht nur Schmuck aller Art, auch Gewürze, Stoffe, Leder, Teppiche, Süßes, alles. Wer nicht reden kann, wenigstens ein wenig Englisch oder Deutsch, sollte die Finger von Geschäften lassen. Die Magie des Ortes kann die Sinne so vernebeln, dass eine Kontrolle über die finanziellen Möglichkeiten verloren geht. Aber herrlich aufregend, wenn man etwas Schönes erstanden hat und der angebotene Tee zusammen mit dem großzügig gewährten Rabatt nicht schwer im Magen liegt. Der Große Bazar verschluckt die Menschen und gibt sie dann auf mysteriöse Weise irgendwann wieder frei.

Auf zum Dede Efendi Haus, nicht weit von der Blauen Moschee entfernt. Dede Efendi wurde 1778 geboren und von Sultan Selim III. in das Topkapi eingeladen, weil er auf ungewöhnliche Weise komponierte. Noch heute wirbeln die Tanzenden Derwische im Dede Efendi Haus sich in Trance. Die Musik wird von 4 begabten Musikern ( eine Art Laute, hohe Flöte, Art Zither und eine Trommel) gespielt. Dazu singt der Lautenspieler Texte von Rumi, einem Mystiker und Dichter des 13. Jahrhunderts. Faszinierende Spiritualität, die jeden mitreißt, der in dieses Haus gefunden hat. Die Tanzenden Derwische sind ein Stück Türkei. Tiefe Religiosität ergreift den, der die Hingabe der Derwische und deren sanften Wirbel erlebt. Auch das ist die Stadt am Posporus. Ein kulturelles Zentrum,
vor kurzem sogar Europäische Kulturhauptstadt.