Mittwoch, 31. August 2011

Gaddafi bleibt noch ein bisschen - Westerwelle auch


Es ist seltsam, wie die Schicksale zweier total verschiedener Menschen irgendwie aneinander gekettet sein können. Fast hätte Guido die Kurve gekratzt, wohl wegen seines auffälligen Verhaltens im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, die, wie man weiß, gar nicht so vereint sind. Trotz vieler routinebedingter Entscheidungen, die man einem Außenminister durchgehen lässt, denn er ist auch nur ein Mensch, hat Westerwelle, als es um den Militäreinsatz der Nato in Libyen ging, die falsche Karte gezogen. Die Quittung hierfür wird er noch abstottern müssen. Dann könnte sein letztes Außenministerstündlein geschlagen haben.

Ganz anders verläuft zur Zeit das Schicksal des einst so selbstherrlichen Wüstensohnes Gaddafi. Ein polternder Schreihals, über viele Jahre hinweg, wo er sich alles erlauben konnte. Jetzt ist es erbärmlich still um ihn geworden. Er hat seine Familie nach Algerien geschickt. War das geschickt? Er selbst versteckt sich nicht nur hinter seiner Sonnenbrille, sondern wie der Schakal, vor der Hitze des Gefechts, das sein letztes sein wird. Man ist sehr geneigt, diesem mordenden Ungeheuer das Schlimmste zu wünschen, das er so vielen seiner Landsleute (und vieler anderer) angetan hat: den Tod. Erhängen? Erschießen? Zertreten? Möge Allah ihm gnädig sein. Wenn der Feind am Boden liegt, sollte man darauf verzichten, auf ihm herumzutrampeln. Verdient hätte er es allemal. Dabei erscheint die Todesstrafe weniger hart als ein lebenslanges Einsitzen in einem dunklen Loch.

Die Scharmützel um den Rücktritt eines deutschen Außenministers wirken bei solchen Gewaltdimensionen wie das Sandkastenspiel im demokratischen Kindergarten. Nicht mehr mitspielen dürfen kann aber auch eine Strafe sein. Dann schmollt man eben ein wenig und wartet auf ein Trostpflästerchen. Die Partei wird schon ein solches parat haben. Schließlich leben wir in einer zivilisierten Gesellschaft. Wie lange wird das noch gut gehen? Die eigentliche Gefahr ist nicht der politische Gegner, sondern das aufgeregte Zucken der Medien, die immer alles so übertreiben müssen.


Samstag, 27. August 2011

Gerechtigkeit für die Schweiz: hört auf zu trampeln!



Mit einem Herrn Ackermann, der geradezu Synonym für Bankengier in Deutschland geworden ist, kann sie nicht punkten, die Schweiz. Auch ist der Emmentaler aus dem Allgäu und aus Frankreich ebenso emmentalerisch, nur etwas billiger. Für Engländer, die sich die Schweiz schon lange nicht mehr leisten können, außer vielleicht die königlichen Promis, die in Gstaad Skilaufen üben, stehen immer noch diese uralten Chalets und Riesenkästen bereit, die im 19. Jahrhundert für betuchte Briten gebaut wurden. Noch gibt es überall auch Tearooms, doch der Brite an sich hat es heute lieber preiswerter und geht nach Zypern.

Das allkekannte Steuerparadies nimmt auch noch Eintritt, wenn man mit dem Auto ankommt. Die Vignette irritiert viele immer noch. Genauso wie der freche Schwung, mit dem diese sichtbar bei der Einreise auf die Frontscheibe geklebt wird. Betrug oder Manipulation ausgeschlossen. Ein einmaliger motorisierter Besuch in diesem schönen Land kostet also teuer, zu teuer. Schweizer Franken: teuer. Essen und Trinken: teuer. Hotel: teuer. Internationaler Tourismus: kläglich gering. Auf keinen Fall der Attraktivität dieses Landes angemessen. Auch als Hort von versteckten Milliarden (Schwarzgeld, Diktatordiebesgut, Gangstermoney, Gewinne aus dunklen Quellen und Ersparnisse längst ermordeter und verblichener Juden usw.) hat das Land keinen guten Ruf.

Als junger Mensch lebte ich zwei Jahre in diesem Paradies, genau auf der Grenze zwischen dem deutschsprachigen und dem französischsprachigen Teil der Schweiz. Freiburg im Uechtland (oder Fribourg), eine echte Zähringergründung wie das Breisgau - Freiburg. Seit dieser Zeit ist die Schweiz so etwas wie eine Heimat, von der ich mich abkehrte. Dafür träume ich oft von den herrlichen Bergen, den Matten und heimeligen Orten. Andererseits werden heute, so muss man befürchten, auch geringe Geschwindigkeitsübertretungen unerbittlich auch ins Ausland verfolgt. Parkieren, wie man so schön sagt, ist ein Lotteriespiel. Strafzettel sind fast automatisch. Es dreht sich fast alles um die Einnahme von Geld. Auch die Medien sind bestimmt durch das ewige Aufrechnen von Gewinnen und Verlusten.

Diesen Teil der totalen Materialisierung, der kompletten Einbetonisierung und Untertunnelung dieses Bilderbuchlandes kann ich nicht verdrängen. Was ich verstehe, ist die Zurückhaltung der Schweizer gegenüber dem Ausland im allgemeinen und dem deutschen Nachbarn im besonderen. Warum muss ein Deutscher, wenn von der Schweiz die Rede ist, sofort deren Winzigkeit genüsslich hervorheben? Deutschland ist immerhin nur Nummer 61, was die Größe des Landes weltweit betrifft. Warum müssen wir uns über das Schwyzerdütsch erheben, obwohl bei uns über 30 Dialekte, zum Teil total  unverständliche, gesprochen werden? Das Schweizerdeutsch ist eine wunderschöne Sprache. Was hat es mit der "sprichwörtlichen" Langsamkeit der Schweizer (oder sind es nur die Berner?) auf sich? Gibt es keine besseren Witze? Wie lange wird es in diesem unserem Land noch dauern, bis wir endlich die Schweiz, ohne ein dümmlich-süffisantes Lächeln, ansehen als das was sie ist: eines der schönsten Länder der Welt. Wir können nicht alle dort leben, aber schön wäre es.



Donnerstag, 25. August 2011

Dresden, du Wunder-Wunder-Schöne



Keine Angst, man schreibt nicht ungestraft einen neuen Reiseführer für Dresden. Denn das gibt es schon zu hauf. Die Liebe zu dieser Stadt lässt sich an den 10 Millionen Besuchern jährlich ablesen, oder an der Inbrunst, mit der vom Grünen Gewölbe geschwärmt wird. Die legendäre Lendenkraft Augusts des Starken muss hier nicht Pate gestanden haben, als er ab 1723 diese Schatzkammer Europas einrichten ließ. Ich hatte das Glück, 1962 die geschundene Stadt kurz besuchen zu können. Die meisten der Schätze waren vor der Bombardierung gerettet worden, der würdige Rahmen für deren Ausstellung fehlte jedoch meistens. Die Bomben hatten gute Arbeit geleistet. Nur der Zwinger war schon wieder erstanden.

Die Semperoper, ein weiteres Juwel der Stadt, war 40 Jahre nach der Zerstörung wieder aufgebaut und ist heute wieder eines der großen Opernhäuser der Welt. Im Januar 1990, also kurz nach dem Fall der Berliner Mauer, hatte ich wieder Glück, nämlich, mit einer europäischen Delegation in Dresden zu sein. Stolz zeigte uns der damalige Oberbürgermeister und Reformsozialist Wolfgang Berghofer die Oper, lud uns zu einem Glas Wein von Unstrut und Saale ein, eine echte sächsische Rarität, und nannte uns die notwendige Summe für die würdige Unterbringung der Dresdner Schätze: mindestens 10 Milliarden DM West müssten fließen für dieses Aufbauwerk. Inzwischen ist viel Wasser die Elbe hinab geflossen, und sowohl die Alten Meister im Zwinger, wie auch die Neuen Meister im Albertinum und all das andere können wieder angemessen bewundert werden.

Ach, könnte man doch alles Schöne in einem Satz beschreiben. Man müsste dann nicht so vieles übersehen. Die Kirchen. Die Frauenkirche, ein Weltwunder, die Hofkirche mit der Silbermannorgel, die Kreuzkirche und die vielen anderen Kirchen, ein eigenes Besucherprogramm. Dresden ist unbeschreiblich. Dazu gehört auch die Yenidze mit ihrer fantastischen Kuppel im Stile einer Moschee, 1907 als Zigarettenfabrik erbaut. Heute dient sie als Restaurant, und Dresdens höchster Biergarten gewährt einen wunderschönen Rundumblick auf die Stadt. An die blechernen Zigarettenschachteln meines Vaters kann ich mich noch erinnern. Orientzigaretten waren es, nicht nur für Kinder geheimnisvoll.




Ich sitze auf der Brühlschen Terrasse, um das alles zu verarbeiten. Die Elbe fließt langsam dahin, wie schon Jahrhunderte zuvor. Die zerbrechliche Schönheit dieser Stadt, konnte sie Victor Klemperer nach dem Weltkrieg noch so empfinden? Gegen Ende des Naziregimes musste er und seine Frau täglich um ihr Leben bangen und zusehen wie das einstige Kleinod an der Elbe zerstört und zerstückelt wurde. Verständlich, dass man als Besucher dieser Stadt mehr empfindet als nur Bewunderung und Freude über  die Auferstehung.

Mittwoch, 24. August 2011

Loriot, bleib doch noch!

Du kannst dich doch nicht einfach so aus dem Staub machen, als wäre alles schon gesagt. Ich weiß, du magst keine Grabreden, also klebe ich mir eine Nudel an die Wange und frage dich: bist du mit Evelyn Hamann und Heinz Meier (geh' jetzt nicht auch noch. Gruß nach Freiburg) nicht der gewesen, der mit dem Papst eine Herrenboutique in Wuppertal aufmachen wollte? Oder war es ein gewisser Erwin Lindemann? Mein Lachen hat nie aufgehört, und du wirst noch viele Jahre Lachfalten hervorrufen. Du pingeliger, kleinkarierter, absonderlicher und zu Tode gehemmter Deutscher.

Ja, auf dich können wir stolz sein. Keiner hat die Steinlaus besser beschrieben als du. Auch Professor Grzimek kam nicht an dich ran. Dabei könnte ich mir vorstellen, dass du manchem Politiker heute (keine Namen, bitte!) eine jener Nudeln an die Backe klebst. Die wäre bestimmt nicht mehr abgegangen. Ein benudelter Außenminister! Man stelle sich das einmal vor! Ein Wirtschaftsminister, bei dem ein Bild schief hängt. Das gibt es wohl bereits. Außerdem stelle ich fest, dass ich nicht genug Humor besitze, um es dir gleich zu tun. Keiner kann das. Du warst der beste. Deshalb liebe ich einen jungen 87jährigen, der sich das Leben mit einem Mops vorstellen kann. Das Leben ohne Mops scheint auch mir heute sinnlos.

Loriot, lieber Loriot, so kannst du nicht einfach verschwinden. Wir haben immer noch ein Humordefizit, an dem wir arbeiten müssen. Hilf uns. Du bist nicht tot. Deine Nudel ist gerade runtergefallen, aber das macht doch nichts. Du lebst in unseren Herzen.

Montag, 22. August 2011

Sehr geehrter Herr Muammar al-Gaddafi, geben Sie auf!



So oder ähnlich wäre die Anrede für einen respektablen Wüstenfürsten, der zwar sein lausiges Ding auf die Spitze getrieben, aber niemals Menschenleben aufs Spiel gesetzt und vernichtet hat. Wer erinnert sich nicht an Lockerbie in Schottland, wo eine Maschine der Panam, unterwegs von Frankfurt nach USA, zum Absturz gebracht wurde und hunderte ihr Leben verloren? Dahinter haben Sie gesteckt, sehr geehrter Herr al-Gaddafi. Das hat Sie nicht daran gehindert, mit dem italienischen Präsidenten Berlusconi eine sonnenbebrilte Fastftreundschaft anzuleiern, wohl wegen des vielen Erdöls, das in Ihrem Wüstenstaat schlummert und das Sie loswerden mussten. Auch andere haben auf ihr Wohlwollen geschielt (Grüß Gott, Herr Sarkosy) und auch ganz fleißig Waffen und andere Ware geliefert, damit Ihr mysteriöses Lächeln anhalten möge. Für Lockerbie haben Sie sogar einen Preis bezahlt, um Ihre Weste wieder etwas aufzubleichen.

Schluss mit dem vornehmen Gesieze! Jetzt, wo es mit dir zu Ende geht, bist du der, der du schon immer warst: der Sohn einer räudigen Hündin. Wenn du am Bab el Hadschar (Tor aus Stein) ankommst, in Richtung deines Schattens weiter reitest, so kommst du am anderen Tag, wenn dein Schatten die doppelte Länge des Laufes deines Gewehrs hat, am Dschebel Derir an. Dort wirst du als Chabir der Kâlifa (Karawanenleiter) vom berühmten Hassan Ben Abulfeda Haukal al Wardi Jussuf Ibn Abul Foslan Ben Ishak al Duli, dem Dschessar Bei, auf Deutsch, dem "Menschenwürger", in Empfang genommen. "Ich werde euch erdrosseln und erwürgen, stinkender Abkömmling von Schurken und Gesindel". "Vor den Kadi (Richter) und seinen Adul (Beisitzer) mit euch, damit seine Peitsche dir den Mund öffne". Hoffentlich weißt du noch, was dir blüht, wenn du endlich zur Rechenschaft gezogen wirst. Ein einfaches "Hamdulillah"(Preis sei Gott) wird dir da nicht mehr über die Lippen rutschen. "Allah kerîm" (Gott ist gnädig), aber irgendwann hat auch er die Schnauze voll. (Diese Inspiration stammt von unserem geliebten Karl May in seinem Band "Sand des Verderbens", der nur noch im Antiquariat erhältlich ist.

Wo bist du eigentlich, du Schurke? Alle Welt sucht dich! Lange genug hast du diese unsägliche Nummer mit der Sonnenbrille und dem Wüstensohn abgezogen. Jetzt zeige mal, dass du Mumm hast. Adolf Hitler hat des öfteren in seinen Teppich gebissen, wenn er Wutanfälle kriegte. Dann ins Gras. Nun bist du dran: nimm deinen schönsten Orientteppich und beiße kräftig hinein. Bism illâhi, das ist gut so.
Es-salâm
'aleikum.

Freitag, 19. August 2011

Sommerloch - verpiss dich!


Strauss-Kahn und Kachelmann sind so gut wie abgefrühstückt. Die Medien haben immer noch jemanden darauf angesetzt, für den Fall, dass doch noch etwas Unvorhergesehenes passiert. Beispiel: DSK gibt zu, die Dame belästigt zu haben und JK heiratet den Gegenstand seiner Anklagen. Sonst geschieht nichts mehr, was erwähnenswert wäre. Halt! Da haben wir doch etwas: Gerard Dépardieu hat in ein Flugzeug gepinkelt. Das hat es noch nie gegeben. Ein Promi pisst vor Passagieren in ein Flugzeug.

Mögliche Erklärung: auf dem Flug von Paris nach Dublin muss Gerard ganz dringend, kann aber das Bordklo nicht benutzen, weil, während der Startphase, pinkeln nicht erlaubt ist. Dann uriniert er in eine Flasche nachdem er gesagt haben soll: "je veux pisser". Der CityJet, ein Anhängsel der AirFrance, bricht den Abflug ab, stoppt den Flieger und setzt Dépardieu an die Luft. Dieser nimmt eine spätere Maschine und landet dann doch noch in Dublin. Ein Freund erklärte den Vorfall mit Prostataproblemen seitens des Schauspielers. Er sei nüchtern gewesen und habe sich entschuldigt.

Wo soll da der Skandal sein? Jemand musste mal und konnte nicht mehr warten. Das kann auch einem Star passieren. Gäbe es nicht das berühmte Sommerloch, wo nach kitzligen Histörchen gelechzt wird, liefe das Ganze unter "Nichtnachricht". Jetzt werde ich noch mehr versuchen, nie auf eine Bordtoilette zu gehen, wenn der Flug unter drei Stunden beträgt. Ich fühle mich gedemütigt, sobald ich diese lächerliche Falttür öffne. Es ist nicht der begrenzte Raum, sondern die humorlose Aufmachung, die suggeriert, dass man eigentlich nicht sollte, was man wollte. Dann das Händewaschen mit dem ständig stoppenden Wasserstrahl. Dann das Verkleckern, das unvermeidlich auftritt, wenn beim Benutzen des Klos die Maschine auch noch in Turbulenzen gerät. Ist es das, was sie wollen? Dass man das Ding nicht benutzt?

Bei den Preisen sollte man über neue Techniken nachdenken. Das Fliegen ist sowieso zu einer vorsintflutlichen Prozedur geworden: Ziehen sie den Gürtel aus! Und die Schuhe! Was haben sie da drin? Das Gesülze der Borddame, die zeigt wie's geht, wenn der Luftdruck abfällt. Jaja, rauchen ist natürlich auch verboten. Warum nicht "Pinkeln verboten"? Wir wünschen ihnen eine glückliche Landung. Alles ein bisschen zuviel. Das Sommerloch hat mal wieder einem menschlichen Bedürfnis nachgegeben. Verpiss dich!

Donnerstag, 18. August 2011

Das Sommerloch - eine wahre Katastrophe

Wie gerne esse ich diese kleinen Essiggurken, wenn sie sich so richtig sauer aus dem Glas grapschen lassen. Ja, die Spreewälder Gurken haben einen gewissen Ruhm erreicht, wobei man sagen muss, dass das genusssüchtige Nachbarland so etwas nicht kennt und auch nicht vermisst. Die in Frankreich so genannten "cornichons" sind dagegen kleine, bösartige Andeutungen von Gurken, die das Leben im Sommer nicht mitbestimmen. Man isst sie mit zugekniffenem Auge und fragt sich, wer so etwas Salziges gut findet.

Anders verhält es sich mit der Essiggurke. Vor allem zur Sauregurkenzeit, wo daheimgebliebene Redakteure am Verzweifeln sind. Sie schmeckt immer sauer. Und nichts passiert. Die Merkel ist im Urlaub. Der Westerwelle abgetaucht. Die Schlagzeilen verkommen zu Hilferufen. "Haben wir dieses Wetter verdient?" "Hat sie ihn auf den Mund geküsst?" "Wieso sterben nach Mitternacht die meisten Zugvögel?" Daran sehen wir, dass eine Zeit angebrochen ist, die hoffentlich bald wieder vorüber geht. Auch Gaddhafi und Assad scheinen schlapp zu machen, und vom Kernkraftunfall in Japan hat man schon lange nichts mehr gehört. Ein Glück, dass die bundesdeutsche Kickerei wieder begonnen hat. Wenigstens ein paar erfreuliche Ergebnisse können da erwähnt werden.

Brauchen wir die tägliche Droge "Nachrichten" wirklich so dringend? Ich habe irgendwo eine Tafel gelesen. Darauf stand in klaren Lettern: "Heute, am 30. August 1991 ist hier absolut nicht geschehen". Moment mal, wenn wir historische Ereignisse ("hier hat Napoleon auf seinem Feldzug gegen Russland übernachtet") festhalten, geht uns auch vieles schief. Bedeutsame Ereignisse sind in goldenen Lettern festgehalten, und welcher Hahn kräht heute noch danach? Leider geht meine Hand zu jeder vollen Stunde ans Radio, um die Nachrichten abzuhören. Dann kommt nichts, und das Wetter lässt sich kinderleicht durch einen Blick aus dem Fenster erschließen. Vor allem Sonnenschein im Sommerloch.


Jetzt habe ich mir vorgenommen, auf alle Drogen zu verzichten, wenigstens für die Sauregurkenzeit. Ich hole mir frische Brötchen zum Frühstück, streiche zu viel Butter darauf, decke diese mit einem vollen Löffel Tannenhonig zu, nehme einen Schluck starken Kaffee und lasse spanische Guitarrenmusik an mein Ohr dringen. Hoffentlich halte ich das durch, bis wieder etwas passiert, was die Medien wie geifernde Hunde durch ihre Lefzen ziehen lassen. Man merkt es den Nachrichtenmachern an, wenn sie zufrieden sind. Und das sind sie nur, wenn etwas passiert. Also, bleibt alle im Urlaub. Nur so kann die Welt beruhigt werden. Entschleunigung ist angesagt. Hier und heute.


Montag, 15. August 2011

Reif für die Insel - so einsam sie auch sein mag


Wer hat nicht schon davon geträumt, auf einem einsamen Eiland mit dem Allerwertvollsten gestrandet zu sein? Einer schnuckeligen Geliebten? Einem herrlichen Buch? Einem gedeckten Tisch voller Köstlichkeiten? Für wie lange? Wird es regnen? Speien da Vulkane? Haben sich etwa Seeräuber dort versteckt? Taucht plötzlich einer vom Finanzamt auf und erhebt Gebühren? Plötzlich stellt man sich Fragen und ist froh, dass die festen Gestade, das vertraute Festland nicht so fern sind. Dann kommt man zur Besinnung und lässt den Inselgedanken wieder fahren.

Doch die Faszination bleibt. Fast hätte ich es unbeachtet aus der Hand gelegt, das Büchlein von Judith Schalansky. Zu spät. Ich kramte in einer Buchhandlung in Dresden herum und konnte mich einen Augenblick setzen. Da sah ich zuerst den Untertitel: "Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde".  Der Titel, dann: Taschenatlas der abgelegenen Inseln. Dafür soll man sich nicht interessieren? Ich, der ich zwanzig Jahre lang meine Freizeit in meinem Haus auf Zypern verbrachte? Das Inselgefühl hat man schon deshalb, weil man mit dem Flugzeug oder Schiff dort ankommt. Also kaufte ich das Buch von Judith Schalansky, der mir unbekannten Autorin aus Greifswald, mit der ich meine Leidenschaft teile: abgelegene Inseln. Einige wenige habe ich besucht, total unspektakulär, aber Insel. Zypern, der türkische Teil, ist eine Insel auf der Insel. Cath und ich werden diesen Herbst wieder ein paar Tage dort sein.

Alle anderen Inseln, die Judith Schalansky so mysteriös beschrieben hat, habe ich, wie sie, mit dem Finger bereist. Deshalb fühle ich mich ihr verbunden. Sollten wir nicht einmal zusammen eine davon aufsuchen? Darf ich DU zu dir sagen? Judith, es ist mir egal, welche Insel es ist. Auch Mario Simmel hat mit seinem Roman "Niemand ist eine Insel" etwas Bestimmtes gemeint. Den Titel hat er von John Donne abgekupfert, dem Metaphysiker aus dem 16. Jahrhundert, der ja auch Hemingway zu einem schönen Buchtitel verholfen hat: "Wem die Stunde schlägt". Wir umfahren weitläufig die Insel St. Helena, auf der Napoleon in der Verbannung starb, weil ihn die Engländer und Preußen bei Waterloo besiegt hatten. Davor waren wir schon an der Himmelfahrtsinsel vorbeigezogen, die auch im Atlantik (mittendrin) liegt, weiter um das Horn von Afrika und durch den Indischen Ozean. Dort drücken wir uns noch an der Weihnachtsinsel vorbei, und lange bevor wir auf der Osterinsel landen würden, die ja recht berühmt ist, machen wir auf einem Eiland halt, das den Namen Tikopia trägt.
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Jetzt lassen wir Judith sprechen: "selbst von der Inselmitte ist der Ozean zu hören", so winzig ist das Eiland, das zu den Salomonen gehört. Zwölfhundert Einwohner. Ein Dorf im Wasser. Schon vor über 400 Jahren von einem Pedro Fernández de Quirós entdeckt, hat sich die Bevölkerung stetig auf dem Stand von 1200 Menschen gehalten. Das scheint notwendig zu sein, denn aus Angst vor Wirbelstürmen oder schwerer Dürre erhängen sich die unverheirateten Frauen, und manche Väter unternehmen mit ihren Söhnen eine Seereise, von der sie nicht wieder heimkehren. Lieber sterben als langsam verhungern, meinen die Tikopier. Ich fasse damit Judiths schauerliche Geschichte zusammen. Weiß der Hugo, wo sie das aufgeschnappt hat. Ich könnte stundenlang in diesem Buch lesen. Dabei fällt mir auf, dass ich eine der von ihr beschriebenen Inseln wenigstens aus der Ferne gesehen habe: die nur 22o km von Spitzbergen entfernt liegende Bäreninsel. Dort hat Hans Freiherr von Berlepsch, der Erfinder des Vogelschutzes, 1908  unter anderem Halsbandregenpfeifer, Schmarotzerraubmöwen und Schneeammern gesichtet, das Vorkommen von Bären allerdings nicht bestätigen können. Es ist herrlich, sich mit abgelegenen Inseln zu beschäftigen. Man muss ja nicht hin. Danke Judith.


Donnerstag, 11. August 2011

Gröfaz, der größte Führer aller Zeiten



Meine Oma sagte, da war ich fünf, "dieser Hitler ist ein Teufel". Sie merkte nicht, dass ein kleines Kerlchen mit offenen Ohren herumlief und alles hörte, was für diese nicht bestimmt war. Für mich Dreikäsehoch war "dieser Hitler" der Führer. Andererseits glaubte ich an meine Großmutter. Was die sagte, war richtig. Nie hätte ich mit meinen Freunden auch nur ein Wort über die Meinungen meiner Oma gesagt. Ich wusste instinktiv, wie gefährlich das war. Und über den Volksempfänger konnte ich gelegentlich seine Stimme hören und dachte: "Schreihals". Warum brüllte er so herum? Auch heute noch finde ich laute Stimmen übertrieben, ein Versuch, etwas zu rechtfertigen, wo es nichts zu rechtfertigen gab. Er benutzte Mikrophone und Lautsprecher. Das wirkte.

Von Victor Klemperer, dem Tagebuchschreiber, der über Hitlers Regime alles sagte und in Dresden überlebte, weiß ich, dass viele im Schwarzwald den Hitlergruß mit "Grüß Gott" beantworteten. Als Zeichen der Ablehnung. Dafür war ein Schwarzwälder aus Meßkirch der erste Professor, der eine Naziuniform in der Uni trug. Er hatte großen Einfluss auf Intellektuelle wie Jean-Paul Sartre und war mit Hannah Arendt liiert, der klugen Jüdin, die später selbst nicht verstand, was sie an Martin Heidegger so fasziniert hat. Dafür schrieb sie dann über den Totalitarismus und über die Banalität des Bösen. Und Heidegger über den Holzweg.

"Mein Kampf" hieß das Werk, das dieser Autobahn bauende, in Mikros schreiende, verfasst hat. Lesenswert nur deshalb, weil darin so viele grammatische und semantische Fehler vorkommen, dass jeder Doktorand, der seinerseits alles abgekupfert hat und dann später entdeckt und entdoktort wurde, Schaum vor den Mund bekommen möchte. Ich las in dem einzigen Exemplar, das die Uni-Bibliothek in Freiburg im Lesesaal zur Verfügung stellte und verstand: Hätte Charlie Chaplin seinen Film "Der Große Diktator" damals in Deutschland zeigen können und, wäre "Mein Kampf" von den Massen gelesen worden, würde ich meinen einzigen Hut (immerhin einen Borsalino) verwetten, dass klein Adolf nicht zum Gröfaz aufgestiegen wäre. Man hätte sich ob des intellektuellen Niveaus totgelacht.

Sich ausgeschüttet vor lachen. Die neuen Autobahnen hätten sich gekrümmt. Die 8 Millionen Arbeitslosen hätten zwar viel langsamer Beschäftigung gefunden, vielleicht sogar bei sogenannten Juden, die man allerdings umbrachte oder aus dem Land trieb. Nur hätten sie dann keine Uniformen tragen dürfen und Heil Hitler sagen. Adolfs zahlreichen Geschwistern sind diese Demütigungen erspart geblieben. Otto Hitler verschied schon im Geburtsjahr. Gustav und Ida Hitler sind mit zwei Jahren an Diphterie gestorben und Edmund mit sechs an Masern. Nur Paula hat es geschafft, 1960 (mit vierundsechzig) diese Welt zu verlassen. Man könnte nicht behaupten, sie sei auf ihren diktatorischen Bruder stolz gewesen. Dieser hat sich "schon", wie wir hoffentlich wissen, 1945 durch Selbstmord aus dem Staub gemacht. Und die Ewiggestrigen? Sie feiern so etwas gerne noch, vor allem wenn der Geburtstag des Führers ansteht. Ach, hätte es den doch nie gegeben. Grüß Gott.

Dienstag, 9. August 2011

As gay as a pinguin - schwul wie eine Fledermaus


Heißes Thema, kühl angegangen: kaum jemand, der hetero ist, wird sich dem Verdacht aussetzen, für schwul gehalten zu werden. Oder, wer möchte ohne Grund als Bettnässer, Tierquäler, Angsthase, Kinderschänder und Heiratsschwindler angesehen werden. Wir schützen uns also vor Verdächtigungen indem wir, oft aus Angst, lieber anderen den Schwarzen Peter zuschieben. In der Politik ist das Gang und Gäbe.

Wie muss sich ein Mann fühlen, der zwar Frauen auch liebt, aber eben Männer noch mehr? Da es hier keine Schuldfrage zu regeln gibt, ist es einfach so. Wie sagte der Berliner Bürgermeister? "Und das ist gut so". Und das war gut so. Aber, wo stehen wir heute? Christopher Street Day - Herumgehampel hilft da nicht. Rosa von Praunheim konnte von Lotti Huber, einer bekennenden Nymphomanin, viel mehr Toleranz lernen, als er mit seinen Bekenntnissen des Schwulseins erreichte. Denn, Lotti hatte einen unverwüstlichen Humor und eine unbezwingbare Lebenslust. Das hat es ihr möglich gemacht, so zu sein wie sie war. Sie scherte sich auch wenig um das Kopfschütteln der anderen. Als deutsche Jüdin aus Ägypten, Zypern und London zurück in Berlin, war es ihr schnuppe, was andere dachten. Machte es ihr etwas aus, mit einem etwas plakativen schwulen Filmemacher in ein Boot zu steigen? Über alles herzlich lachen können, vor allem über sich selbst, das ist es.

Sind wir nicht alle etwas schwul? jüdisch? hetero? gottlos? nympho? gutgläubig? gierig? verschämt? unverschämt?  Hauptsache, wir arbeiten an uns, finden zu uns selbst und finden zu den anderen durch mehr Toleranz. Politik wäre dann einfacher. Börsenspekulationen etwas durchsichtiger. Gewöhnliche Gemeinheiten etwas verpönter. Das Leben etwas unverkrampfter.

Montag, 8. August 2011

Deutschland, deine Mauern


Fünfzig Jahre ist es her. "Niemand had die Absischt, 'ne Maua zu errischdn", hat er gesagt. Dann kam sie doch. Wie weh das getan, und wie viele Menschenleben das gekostet hat. Dann war der Wahnsinn zu ende, wir jubelten und fingen an, diese Teilung zu überwinden. Viel Pflasterstein wurde herausgerupft, Gehwege und Häuser wurden repariert, neue Autobahnen gebaut. Die Spuren des rotroten Wahnsinns gleichen heute denen des braunen. Die Narben sind überall sichtbar. Jetzt, wo die Mauer weg ist, ist auch das Hingucken wieder interessant. In Nürnberg erkennt man noch den Größenwahn der Nazis, obwohl die Stadt wieder eher das Dürerhauptquartier ist. Dresden wurde von den Ostbürokraten architektonisch erheblich verhunzt. Doch auch seine zerstörte Schönheit ist wieder sichtbar.

Die Frage, ob sich Ost und West in den 20 Jahren der Vereinigung wieder zusammengefunden haben, stellt sich für mich nicht. Altnazi bleibt Altnazi (bis er stirbt) und Altkommunist bleibt usw. usw. Die Unerbittlichkeit, mit der diese Parteigänger alles plattgewalzt haben, was karokleine Bürokraten sich nur vorstellen können, ist das Traurige unseres Deutschseins. Braun und Rotrot haben das Volk ausgesaugt. Privilegien errichtet und Macht missbraucht. Lasst uns die Scherben gemeinsam zusammenkehren und uns über die Wende freuen, solange es geht. Nicht hie Ossi, da Wessi, sondern "wir sind ein Volk". Wir brauchen das. Kempten ist so schön wie Strahlsund oder Wismar. Berlin, unser Hauptort, wird von mehr Menschen besucht als Rom. Und hat unendlich viel mehr (Kultur und Witz) zu bieten. Also, wir müssen nicht näher zusammenrücken, sondern uns mehr mögen. Das Leben ist nicht in erster Linie ein Fall für den Anwalt, sondern eher eine Abfolge von Begegnungen und Erfahrungen. Wir sind fett, rechthaberisch, feige und  geldgierig. Und keiner liebt uns (stimmt so natürlich nicht). Arbeiten wir daran, uns besser zu ertragen. Dann werden wir geliebt, von all denen, die auch fett usw. sind. "Denk ich an Deutschland in der Nacht", dann sollte ich zwischendurch wenigstens eine Mütze voll Schlaf bekommen. "Deutschland erwache" bekäme dann einen recht erträglichen Sinn.

Donnerstag, 4. August 2011

Deutschland, über alles andere reden wir noch!


                                                           Deutsch-englisches Pärchen


Ferienzeit, da fallen einem die ungelesenen Bücher nur so in die Hände. Genügend Zeit, sie zu lesen besteht meistens nicht. Bei einem Kurzbesuch in Dresden traf ich so viele Engländer (ich weiß, ich hätte "Briten" sagen sollen), dass ich mich fragte, warum kommen die nach Dresden, das sie ja eigentlich am Ende des Zweiten Weltkrieges noch so total zerstört hatten? Schlechtes Gewissen? Versöhnungswillen? Neugier? Was fällt uns zu Coventry ein? Oder zur Judenvernichtung? Oder zu Victor Klemperer, dem jüdischen Romanisten der Uni Dresden, der mit der "Arierin" Eva verheiratet war und die Katastrophe überlebte?

Engländer haben auch einiges zu bewältigen. Deshalb sieht man sie auch in Dresden. Was ich an ihnen  schätze, ist die radikale Unvoreingenommenheit, trotz vieler Klischees, die sie manchmal auch etwas rüde vortragen können. Was alles immer wieder abmildert, ist der Humor, den sie zunächst gegen sich selbst richten, bevor sie anderen an die Wäsche gehen. Bei uns Deutschen scheint im Humor noch der Absolutismus zu regieren. Viel zu ernst, alles. Schön, wenn unsere Lachfältchen etwas sichtbarer und leichtfüßiger wären. Natürlich weiß ich, dass Lachfalten nicht leichtfüßig sein können. Dieser Vergleich hinkt schrecklich. Vielleicht ist es gerade das, was die Engländer so oft lachen lässt: ihre übelsten Schwächen belachen sie zuerst. Dabei habe ich das Wort "Tee" nicht einmal in den Mund genommen. Ja, Tee ist eine nationale Schwäche. Da wird auch kaum gelacht, sondern getrunken, dreimal am Tag.

Ähnlich den Franzosen, lachen sie gerne über typisch deutsche Gebrechen, wie Angst, Gemütlichkeit, Bratwurst, Bierernst, Geschichtsbewältigung, Händeschütteln (wobei Franzosen gerne halbherzige Küsschen geben), was unhygienisch ist. Wenn wir das einmal nicht mehr ernst nehmen, sondern großzügig annehmen, werden wir feststellen, dass die Franken den Franzosen (daher der Name Frankreich) und die Angeln und Sachsen den Briten genetisch so viel mit auf den Weg gegeben haben, dass wir uns alle mit Fug und Recht als Blutsverwandte bezeichnen können. Dass diese Herrschaften andere Autonummern fahren und zuhause teilweise noch mit anderem Geld bezahlen, sind kleine Peinlichkeiten der Geschichte, die man noch korrigieren kann.

Also, was mir vor den Ferien in die Hände fiel, war ein Büchlein mit dem Titel "Xenophobe's guide to the GERMANS". Endlich kam ich dazu, zu lesen. Zwei ex-Deutsche, Stefan Zeidenitz und Ben Barkow, ließen sich darauf ein, für das Vereinigte Königreich (mit dem wir ja blutsverwandt sind) aufzuschlüsseln, was den Deutschen ausmacht. Realpolitik - Schadenfreude - Weltschmerz - Frömmelei - kleinkariert(es Spießertum, füge ich an) - Zeitgeist - Vergangenheitsbewältigung. Das sind Begriffe, die mit uns in Verbindung gebracht werden. Stimmt so. Unsere "BMWkultur", unsere Fremdenfreundlichkeit, unseren Ordnungssinn und die Liebe für Disziplin können wir selbst noch nicht ausloten. Wir sind halt so. Andere sind anders. Mit einem verständnisvollen Lächeln lässt sich das locker bewältigen.