Donnerstag, 4. August 2011
Deutschland, über alles andere reden wir noch!
Deutsch-englisches Pärchen
Ferienzeit, da fallen einem die ungelesenen Bücher nur so in die Hände. Genügend Zeit, sie zu lesen besteht meistens nicht. Bei einem Kurzbesuch in Dresden traf ich so viele Engländer (ich weiß, ich hätte "Briten" sagen sollen), dass ich mich fragte, warum kommen die nach Dresden, das sie ja eigentlich am Ende des Zweiten Weltkrieges noch so total zerstört hatten? Schlechtes Gewissen? Versöhnungswillen? Neugier? Was fällt uns zu Coventry ein? Oder zur Judenvernichtung? Oder zu Victor Klemperer, dem jüdischen Romanisten der Uni Dresden, der mit der "Arierin" Eva verheiratet war und die Katastrophe überlebte?
Engländer haben auch einiges zu bewältigen. Deshalb sieht man sie auch in Dresden. Was ich an ihnen schätze, ist die radikale Unvoreingenommenheit, trotz vieler Klischees, die sie manchmal auch etwas rüde vortragen können. Was alles immer wieder abmildert, ist der Humor, den sie zunächst gegen sich selbst richten, bevor sie anderen an die Wäsche gehen. Bei uns Deutschen scheint im Humor noch der Absolutismus zu regieren. Viel zu ernst, alles. Schön, wenn unsere Lachfältchen etwas sichtbarer und leichtfüßiger wären. Natürlich weiß ich, dass Lachfalten nicht leichtfüßig sein können. Dieser Vergleich hinkt schrecklich. Vielleicht ist es gerade das, was die Engländer so oft lachen lässt: ihre übelsten Schwächen belachen sie zuerst. Dabei habe ich das Wort "Tee" nicht einmal in den Mund genommen. Ja, Tee ist eine nationale Schwäche. Da wird auch kaum gelacht, sondern getrunken, dreimal am Tag.
Ähnlich den Franzosen, lachen sie gerne über typisch deutsche Gebrechen, wie Angst, Gemütlichkeit, Bratwurst, Bierernst, Geschichtsbewältigung, Händeschütteln (wobei Franzosen gerne halbherzige Küsschen geben), was unhygienisch ist. Wenn wir das einmal nicht mehr ernst nehmen, sondern großzügig annehmen, werden wir feststellen, dass die Franken den Franzosen (daher der Name Frankreich) und die Angeln und Sachsen den Briten genetisch so viel mit auf den Weg gegeben haben, dass wir uns alle mit Fug und Recht als Blutsverwandte bezeichnen können. Dass diese Herrschaften andere Autonummern fahren und zuhause teilweise noch mit anderem Geld bezahlen, sind kleine Peinlichkeiten der Geschichte, die man noch korrigieren kann.
Also, was mir vor den Ferien in die Hände fiel, war ein Büchlein mit dem Titel "Xenophobe's guide to the GERMANS". Endlich kam ich dazu, zu lesen. Zwei ex-Deutsche, Stefan Zeidenitz und Ben Barkow, ließen sich darauf ein, für das Vereinigte Königreich (mit dem wir ja blutsverwandt sind) aufzuschlüsseln, was den Deutschen ausmacht. Realpolitik - Schadenfreude - Weltschmerz - Frömmelei - kleinkariert(es Spießertum, füge ich an) - Zeitgeist - Vergangenheitsbewältigung. Das sind Begriffe, die mit uns in Verbindung gebracht werden. Stimmt so. Unsere "BMWkultur", unsere Fremdenfreundlichkeit, unseren Ordnungssinn und die Liebe für Disziplin können wir selbst noch nicht ausloten. Wir sind halt so. Andere sind anders. Mit einem verständnisvollen Lächeln lässt sich das locker bewältigen.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen