Freitag, 26. Oktober 2012

Die Grünen, die Roten und die Schwarzen

Verstecken sie sich alle hinter Farben, die Politiker? Die Zeiten für weltanschauliche Bekenntnisse sind doch vorbei. Ich Katholik, du Protestant, sie Muslime, andere gottlose Gesellen, wer steigt da noch durch? Wer sind eigentlich die Farblosen? Das will natürlich keiner sein. Dass die Grauen mal als Panther bezeichnet wurden, ist auch schon lange her. Und die Gelben? Lohnt es sich da überhaupt noch?

Fangen wir mit Braun an: eklig, aber doch überall sichtbar. Springerstiefel und Glatzen, Baseballschläger und fette Bäuche mit eindeutigen Parolen. Motorräder, oft auch. Auf jeden Fall Einschüchterungspotenzial. Nicht nur gegen Ausländer einsetzbar. Ihre Vorfahren im Geiste kamen noch bedrohlicher daher, aber daran erinnert nur noch der Film. Die Braunhemden hatten - als alles zu spät war - so etwas wie einen Kultstatus geschafft. Es wurden sogar Verbrechen begangen. Kaum der Rede wert. Der Mantel des Grauens wurde darüber gebreitet.

Schwarz ist auch so eine Farbe, die sich im Dunkeln gut erahnen lässt. Gerade hat einer von der rabenschwarzen Brigade eine öffentlich schwärzliche Fernsehanstalt unter Druck setzen wollen. Das hätte er besser nicht tun sollen, denn damit wird Aufmerksamkeit hergestellt. Schwarz sehen ist nicht sehr beliebt. Deshalb hat man schnellstens den Übeltäter (einen bayerischen Regierungssprecher) als Bauernopfer hinauskomplimentiert. Die Weste des obersten Hüters der Weißwurstrepublik bleibt dabei weiß(lich). Wie kann man nur!
***

Der Kanzlerkandidat der Roten, kann man leicht sehen, wird im schwarzen Fernsehen gerne in Ausschnitten gezeigt, die das Tückische seines Blickes hervorheben sollen. Immer wird dann sofort die Große Vorsitzende nachgeschoben, damit keine Panik entsteht. Man kann auch subtil Angst machen. Ansonsten versuchen die Roten, jetzt, wo der Wahlkampf entbrannt ist, ein großes Stück vom Kuchen zu bekommen, den sie mit den Grünen teilen wollen. Da muss mancher Platzhirsch noch röhrend das Feld räumen, bevor wir eine Wende herbeiführen. Schrecklich die Vorstellung, dass man womöglich auch noch die ewig kleinen Gelben mit ins Boot holen könnte.

RotRot schlägt sich tapfer, hat aber eine bürgerliche Linie (noch) nicht gefunden. Grenzwertig. Über die Gelben kann man nur spekulieren. Profilsucht führt leider nicht immer zu Profil, und die Hürde liegt bei 5%. Darunter geht nichts. Liberal kann schließlich jeder sein, der es nur möchte. Geschenke verteilen, wie schön, aber das letzte Hemd hat keine Taschen, und wenn, dann sind sie leer.




*** der schöne Tango ist von Horst Köbele









Donnerstag, 25. Oktober 2012

Zeit für die Eltern

Wenn der November kommt, will man der Toten gedenken. Jeder hat liebe Menschen, die nicht mehr sind. Manche bringen diesen üppige Blumengestecke zum Friedhof, nach Möglichkeit solche, die den ersten Schnee überdauern. Oft werden die Verstorbenen dann schnell wieder beiseite geschoben. Trauer muss nicht ewig dauern. Das Leben muss ja weitergehen, und für die Verblichenen ist nicht mehr viel Platz. Am Totensonntag, wenn alles grau und hoffnungslos vor sich hin fröstelt, ist der Moment gekommen. Ich habe meine Lieben nicht vergessen, aber ich scheue mich, es mit Blumen oder winterlichen Gebinden zu tun. Meiner Mama brachte ich immer stolz die schönsten Blumen aus dem Garten als ich ein kleiner Bengel war. Gefüllte weiße Nelken. Ihr Duft betörte jede Nase. Ihre Lieblingsblumen waren jedoch Maiglöckchen aus dem Wald. Auch ein sinnenvoller Duft. Papa ging oft mit mir in die Natur. Wir sammelten Pilze und Feldblumen: Margeriten, Kornblumen, Klatschmohn. Ich behaupte, dass Mama genug Blumen von mir erhalten hat.

Das schlechte Gewissen plagt mich dennoch. Seit Jahren habe ich das Grab meiner Eltern nicht mehr besucht. Es ist zu schwer zu ertragen. Die Reise, die Verlorenheit, gepaart mit den Erinnerungen, das Unwiederbringliche. Dann die Schwester. Sie kam nur noch zu Beerdigungen nach Hause. Auch das eine schwere Last. Einmal USA-Deutschland und zurück. Es ist himmelschreiend. Dann ist man mit seinen Erinnerungen wieder allein. Jetzt werde ich sie anrufen. Es gibt ja Telefon. Was wir gemeinsam haben, sind die Erinnerungen an die Eltern, die Großeltern, eine liebe Tante, viele liebe Angehörige, die nicht mehr sind.

Am Ende ist alles gut
Bald werde auch ich diesen einsamen Weg in die Kälte gehen. Noch ein paar Jahre, mit etwas Glück, oder sind es nur noch Wochen? Ich kann und will es mir nicht vorstellen. Lasst den Totensonntag vorbeigehen! Nein, meine geliebten Eltern, ich werde euch keine Blumen aufs Grab legen. Unsere Liebe war und ist viel zu stark. Auch ich werde einmal auf die Blumen pfeifen und mich von meinen Hinterbliebenen weiter lieben lassen. Von Höflichkeitsbesuchen rate ich jedem ab.



Sylt - Träumen kann man auch anderswo

Jahrelang habe ich sie genervt. Irgendwann muss ich dir eine Insel im deutschen Norden zeigen, ließ ich mich vernehmen. Sie besteht meist aus Sand, Wind und Wasser. Solche Inseln kenne ich von meiner englischen Heimat dutzendweise, hörte ich sie sagen. Sind die nicht ein wenig boring? Gerade im Spätherbst? Ich bejahte und versuchte, mich verständlich zu machen. Im November gibt es am Meer keine Touristen mehr, behauptete ich dann. Und: der Wind bläst so schön.


Mein verinnerlichtes Lächeln richtete sich auf meine Jugenderinnerungen. Als kühner Jüngling machte ich mich mit einem Schulfreund auf den Weg. Es ging auf einem LKW von Süddeutschland nach Hamburg, dem viel gepriesenen Tor zur Welt. Unsere Pionierleistung bestand darin, die Räder mitzunehmen und die weitere Reise in den Norden per Velo fortzusetzen. Auf Sylt angekommen, das Wetter war schön, die Dünen strahlten in ihrem besten Sandkostüm, gingen wir zunächst bei Westerland an den Strand. Herrlich warm war alles. Dann geschah etwas Aufregendes: zum erstenmal in meinem Leben sah ich Dutzende von entblößten Brüsten und herunterhängenden Pimmeln. Wir waren am FKK-Strand angekommen, ohne danach gesucht zu haben. Reiches Konfliktpotenzial tat sich für uns da auf. Sollten wir, oder sollten wir nicht? Die Neugier siegte, und wir legten unsere Badehosen ab und wurden Teil der sommerlichen Nacktheit. Irgendwann hatte sich dann der Reiz des Ungewohnten genügend erschöpft.  Auch Volleyball spielende Busen und Hinterteile fangen dann an, zu langweilen. Sylt hat viel mehr zu bieten.


Überraschung! Meine wahrlich bessere Hälfte kann das wie keine andere: überraschen. Aber immer mit Auffangnetz, das ganz überflüssig ist, denn sie hat eine Woche Sylt gebucht. Wer würde da nein sagen? Zumal ich endlich meinen langjährigen Traum reifen sehe: Am menschenleeren Strand scheinbar ziellos umherschlendern. Dicke Pullover tragend der sturmerprobten Brise trotzen. Leicht durchnässt in einer kuscheligen Pinte landen und an endlos wirkenden Abenden Debussy hören, vielleicht auch eine Meeresfrucht genießen. An Nacktstrände mag ich da gar nicht denken. Aber an den wolkenverhangenen Himmel, die ewig umhersegelnden Möwen. Himmel statt Pimmel. Küste statt Brüste. Sozusagen. Nostalgischer geht es nicht.










Mittwoch, 24. Oktober 2012

Der Koran - ein Liebesbrief Gottes

an seine Gläubigen, sagt ein muslimischer Theologe, der den Begriff der Barmherzigkeit in den Vordergrund stellt. Endlich kommen auch muslimische Intellektuelle in die Gänge, die den gesunden Menschenverstand bevorzugen. Beleidigungen Allahs sind eine sehr persönliche Sache, nicht gerade ein Zeichen von Intelligenz. Die verständliche Empörung darüber, auch sehr persönlich, ebenfalls kein Zeichen von geistiger Munterkeit. Wir hatten so viele Emotionen zu ertragen, was diesen Komplex betrifft, dass man sich wünscht, es möge endlich Frieden einkehren. Salman Rushdies Verse, dieser grässliche Film aus den USA und die Erhitzung der Gemüter über das Beschneidungsurteil durch ein deutsches Gericht, sind nur die Spitzen eines Eisberges, die ein einziges Signal ausstrahlen: wir Muslime und unser Glauben, mit der Verehrung Mohameds, werden nicht anerkannt.


Lasst uns doch die Stellvertreterkriege beenden. Ein religiös neutraler Bundesbürger hat ganz sicher nichts gegen den Koran, den er normalerweise nicht kennt. Religiöse Sitten und Gebräuche  sind immer etwas seltsam, weil sie alt und oft sehr demonstrativ sind. Unverständnis muss da vorausgesetzt werden. Mir geht es genauso mit übereifrigen Katholiken oder orthodoxen Juden, deren Rituale mich etwas befremden. Das bedeutet nicht, dass ich der Religion nicht den Respekt entgegenbringe, den sie schon aus traditionellen Gründen verdient. Nur: haben Gott, Allah, Jehova, Shiva oder der Große Manitu nicht etwas gemeinsam? Sie entstammen der menschlichen Eingebung. Das tut auch der menschliche Humor. Wie schön, wenn man, statt etwas zu verlachen, oder sich über etwas lustig zu machen, herzlich über die menschlichen Zulänglichkeiten lachen kann. Ich meine damit nicht das doofe, einfältige Lachen eines ungescheiten Menschen, sondern das tiefe Verstehen der Ungereimtheiten, zu denen auch religiöse Exzesse gehören. Niemand hat uns Menschen offensichtlich gesagt, dass die Götter sich den Bauch halten, weil sie ja das Lachen selbst erfunden haben. Und wo steht geschrieben, dass Liebesbriefe bitterernst sein müssen?

Glauben und glauben lassen!


Samstag, 20. Oktober 2012

Der Kindsmörder - oder wie weit darf ein Staat gehen?

In einem Artikel des Spiegel, "Ehrenwert schuldig" wird, sehr zurückhaltend, über einen Mord und einen Mörder  nachgedacht, der von der Polizei unter Druck gesetzt wurde, als man ihn fasste und die Hoffnung bestand, das entführte Kind noch lebend zu finden. Offensichtlich wurde ihm Gewalt angedroht, damit er das Versteck des Kindes preisgibt. Als man den kleinen Bankierssohn dann fand, war er tot. "Wie weit darf ein Staat gehen, um ein Leben zu retten" untertitelte der Spiegel? Er beteiligte sich nicht an der allgemeinen Empörung der Öffentlichkeit, die mehr als verständlich ist. Es wurde abgewägt, die Gesetze untersucht, die Prinzipien auf ihre Gültigkeit abgeklopft.


Das ist das mindeste, nämlich auch den Täter eine  Chance geben, bevor man (vor)verurteilt. Natürlich. Man will auch den Lebensverlauf eines solchen kennen, warum er es tat. Wie hilflos war er womöglich? Doch, Opfer bleibt Opfer. Und die Lieben der Opfer bleiben auch diejenigen, die das Opfer geliebt haben. Und die vielen Freunde? In diesem Falle der Entführung des kleinen Bankierssohnes ging es offensichtlich nur um Habgier. Auch ein Stück vom großen Kuchen erhaschen. Abgesehen davon, dass man sich auch das Stück Kuchen irgendwie ehrlich erwerben muss, gibt es uralte Rechte auf Leben, Eigentum und ein Gebot, sich an moralische Werte zu halten.

Bei dem Mörder, einem ehemaligen Jurastudenten, der wohl zurecht zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, fällt es schwer, mildernde Umstände ins Feld zu führen. Er bleibt hoffentlich auch sein ganzes Leben lang im Knast, denn er zeigt keine Reue. Als Schmalspurjurist weiß er, dass man der Justiz auch noch Genugtuung abringen kann, sollte etwas schief gelaufen sein. Ob an es tut, ist eine andere Frage. Die Anwälte von Magnus Gäfgen mussten vor dem höchsten Gericht für Menschenrechte, dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg, Entschädigung für erlittenes "Unrecht" erkämpfen, weil der damalige Chefermittler, Wolfgang Daschner, einen Kriminalhauptkommissar damit beauftragt hatte, notfalls zu harten Mitteln zu greifen, um den bei der Lösegeldübergabe festgenommenen Entführer zur Preisgabe des Verstecks des kleinen Jakob von Metzler zu nötigen.


Es kam zu einer relativ milden Verurteilung der beiden Polizeibeamten, obwohl der Gesetzgeber hier eine Tür für Handeln im Notstand hätte offen lassen müssen. Wir wissen alle, dass der Staat nur dann eine Existenzberechtigung besitzt, wenn er Leben schützt. Selbst die Todesstrafe, die dank einer Initiative des Europarates in Europa abgeschafft wurde, muss diesem Argument weichen. Ein Staat, der  seine Bürger nicht schützt, auch die Schuldigen, ist demokratisch nicht legitimiert. Und wenn ein Täter ganz ohne Reue bleibt, dann hat er sich auf die Seite des Bösen gestellt. Ist es da nicht etwas scheinheilig, zu sagen, die Androhung von Folter, wie sie in den USA gang und gäbe ist, sei strafbar? Ich hätte vom Gesetzgeber mehr Menschlichkeit erwartet. Das muss nicht heißen, dass der Gewalt Tür und Tor geöffnet werden. Es heißt nur, dass es solche Grenzfälle gibt, die ein erfahrener Richter mit Menschenverstand und total autonom beurteilen können muss. Dann empört sich auch nicht jeder rechtschaffene Bürger über eine oft unerbittliche, unverständliche und in diesem Falle fast hilflose Justiz. Man wünscht sich nicht, in eine solche Situation zu geraten. Ich hätte dem Täter mit allen Mitteln eine Höllenangst eingejagt und ihn auch der Gewalt ausgesetzt. Als Vater des Opfers wäre ich sogar weiter gegangen. Und, ich hätte mich nicht einmal schuldig gefühlt.




Donnerstag, 18. Oktober 2012

Island, deine Frauen

Yrsa lacht sich gerade kaputt
Dalla, neben ihrem Riesen Agnar
Meine Straßburger Zeit war am Anfang geprägt, auch und immer wieder, durch Besuche bei isländischen Freunden, die es dorthin verschlagen hatte. Vier kleine Mädchen spielten miteinander. Ihre Namen konnte ich lange Jahre nicht auseinander halten. Es wurde oft ganz spät am Abend, und die Gören machten immer noch was sie wollten: spielen, lesen, sich unterhalten. Die kleinste, ein süßer Lockenkopf, trieb es am weitesten, und die Eltern machten keine Anstalten, dieses Junggemüse ins wohlverdiente Bett zu schicken. Erst viel später, bei einem Besuch in Island, wurde ich aufgeklärt. Kinder müssen in Island gar nichts. Sie werden von der ganzen Familie geliebt und gehen schlafen, wann sie wollen. So konnte ich der kleinen Thjódhildur, dem Lockenschopf, gegen Mitternacht noch beim Fussballspiel auf der Straße zuschauen.

Das wäre jetzt Thjódhildur, schalumwickelt

Wie schön, wenn man 4 Töchter hat. Damit lässt sich viel anfangen.Ich hatte nur ein kleines Schwesterlein. Beide waren wir sommers wie winters um 7 Uhr abends auf Schlaftour. In den Sommermonaten allerdings litten wir entsetzlich an Mutters Unnachgiebgkeit: Es war draußen noch hell. Unsere Freunde lärmten noch und spielten Fussball, und wir konnten nicht einschlafen. Wir konnten dann schließlich doch, und Mama hat sich immer damit herausgeredet, dass frühes Schlafengehen noch niemand geschadet habe. Ich denke immer noch: besser, gehorchen, als gar keine Mutter.

Da wäre jetzt auch Eilin drauf, während Dalla bechert.
Die vier isländischen Töchter haben sich längst zu stattlichen Frauen gemausert. Zwei sind Pastorinnen, die eine hoch im isländischen Norden, fast gegenüber dem Polarkreis. Die andere hier in Straßburg, wo sie gerade eine protestantische Gemeinde übernommen hat. Dalla, deren Namen sich wie Dadla ausspricht und Yrsa, deren Namen man sich vielleicht am besten merken kann. Eilin ist ein besonderer Fall: sie lebt in Montreal und lehrt an der dortigen Uni. Und Thjódhildur lebt auf den Westmännerinseln vor Island, hat drei Kinder und einen Manager der Fischindustrie als Mann. Als echte Vikingerinnen reisen sie unverblümt durch die Welt, haben Kinder, singen wie die Nachtigallen und suchen oft ihre Familie zusammen.


Beispiel: Wir lassen unsere Männer zuhause und besuchen Yrsa in Straßburg. Thjódhildur war dort vor kurzem mit den Eltern. Sonst wäre sie auch mitgekommen. Jetzt genießen die drei Schwestern den Spätherbst, der hier gelegentlich die Sonne noch herauskommen lässt, während sich Island bereits auf den Weg in den dunklen Winterschlaf gemacht hat. Es wird fröhlich gegessen und getrunken, geshoppt und telefoniert. Wir Männer sollten uns da etwas heraushalten und, wenn wir dürfen, mitfeiern. Inzwischen gehen die Damen meines Wissens auch zu "normalen" Zeiten schlafen, was die isländischen Erziehungsmethoden im Nachhinein rechtfertigt. Ich sage es gerne nocheinmal: Isländerinnen sind ein Völkchen für sich.








Mittwoch, 17. Oktober 2012

Der Gnadenstoß - oder: tot ist tot

Als Kind habe ich Fliegen immer für etwas Fröhliches gehalten. Man muss sich das vorstellen: sechs Beinchen, damit kippt man nicht einfach um. Durchsichtige Flügel, die dich in unbekannte Höhen schwingen lassen. Elegantes Schwarz, schließlich hat die Fliege ihren Namen auch dem fliegenähnlichen Gebilde um den männlichen Hals gegeben, vorzugsweise getragen zu dem sogenannten Smoking. Der Frack hinwiderum, der hat es mit den weißen Fliegen. Und das Fliegen des Flugzeuges kommt letztendlich (würde Stoiber sagen) auch von den Fliegen. Als Kind fand ich Fliegen amüsant.

An einem Hoteleingang, im indischen Puna, lag ein Sterbender. Mit Entsetzen sahen meine Kinder und ich, wie das Gesicht des fast reglosen Körpers voller Fliegen saß. Als wir nach wenigen Minuten das Hotel wieder verließen, um einen ersten Ausflug in eine faszinierende Stadt zu machen, wurde der Tote gerade weggeräumt. Wenn man anderen nicht helfen kann, muss man irgendwie damit fertig werden. Wir haben uns dann dem Neuen und Fremden dieser Stadt hingegeben, aber vergessen konnten wir den Anblick eines mit Fliegen überhäuften Gesichtes nicht so schnell.


Fliegenpilz ja, aber, wo finde ich jetzt eine Fliege?


Gestern saß ich in meinem Wintergarten und las. Die schwächliche Sonne hatte den lichtdurchfluteten Raum auf 30° erhitzt, eine angenehme Temperatur im schon kalten Oktober. Ich entledigte mich des Pullovers und räkelte mich im Lehnstuhl, als ich ein irritierendes Geräusch vernahm. Dann sah ich sie. Sie war groß und brummig und tanzte auf einer großen Scheibe übermütig auf und ab. Sofort dachte ich an Tötung. Ich suchte die mir wohlvertraute Fliegenklatsche und betrat vorsichtig den Raum. Ich weiß, dass Fliegen einen siebten Sinn haben. Sie verhielt sich ganz still, bis ich mich wieder gesetzt hatte. Dann brummte sie wieder los. Meine Gemütslage verschlechterte sich, denn dieses Tier hatte sich in den Kopf gesetzt, ganz in meiner Nähe herumzuschwirren und Geräusche von sich zu geben, die an fortwährendes Rascheln erinnerten. Dann schlug ich zu, verfehlte meine Beute jedoch. Beim zweiten Versuch hatte ich mehr Glück. Ich traf sie halb. Sie taumelte zu Boden, lag auf dem Rücken und wartete auf den Todesstoß. Ein Vermögen würde ich darum geben, herauszufinden, was mit ihr geschah. Habe ich sie getötet? Bin ich beim Lesen etwa eingeschlafen? Oder hat sie sich gerettet? Ein bisschen geschämt habe ich mich dann schon. Wie ist es möglich, dass ein so herrliches Tierchen, mit sechs Beinen und transparenten Flügeln, statt unser Mitgefühl die reine Mordlust weckt? Ich weiß es nicht.








Dienstag, 16. Oktober 2012

Die Juden - sind wir fertig damit?

Meine Generation trägt die Last. Unsere Vorfahren haben sie uns eingebrockt. Wir werden täglich damit konfrontiert. Das ist aber nicht alles: wir können immer noch nicht sagen, dass wir Frieden mit den Juden und den Israelis haben. Da steht noch viel zu viel zwischen uns. Wenn einer behauptet, wir hätten Milliarden an Wiedergutmachung bezahlt, dann ist das fast so dämlich wie die Behauptung, Adolf Hitler hätte damals immerhin die Arbeitslosen von den Straßen geholt und Autobahnen gebaut. Die wilden Reaktionen von jüdischer Seite auf Günter Grass oder auf die Beschränkung der Beschneidungspraktik in Deutschland zeigen dies deutlich: Wir können es uns nicht leisten, auch nur in den Verdacht zu geraten, wir hätten die Schrecken des Holocausts verdrängt. Solange sich jemand daran erinnert, wie feige auch aufrichtige Deutsche im Dritten Reich sein konnten, wenn es darum ging, bedrängten Juden zu helfen, können wir nicht zulassen, dass dümmliche Vorurteile weitergetragen werden. Juden sind Menschen, wie alle anderen. Wegschauen ist eine beliebte Praxis, wenn Unrecht geschieht. Häusliche Gewalt, Ungerechtigkeit gegen schwächere, Vorurteile gegen Minderheiten scheinen immer noch der bequemere Weg zu sein, sich aus einem Dilemma zu schleichen. Solange es so ist, haben wir kein Recht, in einer heute sehr  vielschichtigen Gesellschaft auf andere herabzublicken, auf Juden schon gar nicht.

Seit dem Holocaust stehen wir im Generalverdacht, nichts begriffen zu haben und auch noch arrogant andere für minderwertig zu halten. Nichtdeutsche, die vielleicht Rassisten sind und Antisemiten, haben es da besser. Man kann ihnen die Scheinheiligkeit leichter abnehmen, denn sie haben nicht an der Ausrottung ganzer Bevölkerungsteile mitgewirkt. Oft habe ich diese antijüdische Haltung im Ausland erlebt. Man hat sie mir sogar naiv angetragen. Aber, die sprachliche Bewältigung dieser Einstellung kamm immer etwas eleganter herüber. Hypokritisch ist sie allemal, und sie empört mich, denn als Deutscher sollte und darf man es nicht zulassen, in eine antisemitische Generalhaft genommen zu werden. Und vergessen wir nicht: es waren die Nazis, die uns Deutsche dahin gebracht haben, Unrecht an anderen, und nicht nur an Juden, mit stillschweigendem Verständnis geschehen zu lassen. Der aufrichtige Protest mancher ging in der Angst unter, selbst in die Todesmaschinerie zu geraten.


Wir müssen sehr vorsichtig und differenziert mit pauschalen Urteilen umgehen, denn sonst schnappt der jüdische oder israelische Mechanismus verständlicherweise sofort zu. Dann kommt es darauf an, hitzige und überzogene Kritik am Deutschsein milde abzuwehren (das darf man!) und der anderen Seite zu zeigen, dass wir auch Menschen geworden sind. Unter diesen Aspekt fallen auch kritische Bemerkungen zur israelischen Außenpolitik. Verständnis: ja, sie gutheißen muss nicht sein. Wir dürfen uns auch Urteiel erlauben. Doch unsere Politiker sind zögerlich, unsere Medien feige und der Mann von der Straße drückt sich nicht gut genug aus und traut sich nicht, das Herz sprechen zu lassen.Was die Neonazis betrifft, so müssen wir denen in aller Entschiedenheit entgegentreten. Dann können wir auch nicht wieder in den Verdacht geraten, antisemitisch zu sein.








Montag, 15. Oktober 2012

Mein Doktortitel, ist er echt?

Da haben wir sie wieder, diese Debatte: wozu braucht man einen Doktor? Was treibt einen Menschen an, sich so etwas anzutun? Die beste Antwort ist immer, dass man als halbwegs erfolgreicher Akademiker seinen Eltern zeigen möchte, wie stolz sie auf den Sohnemann oder das Töchterchen sein können. Bei mir hat das geklappt. Doch war ich nicht der einzige in der Familie, und ich rede nicht von Ärzten. Dann aber, wenn man nicht gerade in Österreich lebt, verblasst der "Dr.", der dann im Reisepass Teil des Namens wird, oder nur bei Bewerbungen noch zum Einsatz kommt. Den Doktortitel wie eine Auszeichnung vor sich herzutragen, ist Geschmacksache. Abgesehen von Doktor Oetker und Doktor Schiwago, fällt mir dazu nicht viel ein.


Nun hatten wir schon einige Plagiatsfälle gehabt, die ein ganz schlechtes Licht auf die Akademikerzunft geworfen haben. Und diese Fälle nehmen zu. Für manche kommen zu den Leichen im Keller auch noch erschwindelte Doktorhüte, denn wer sich mit fremden Federn schmückt, muss immer damit rechnen, dass diese irgendwann wieder ausgerupft werden. Das Rupfen können auch ganz gemeine Neider besorgen, oder Betroffene, die selbst zu sehr geschwitzt haben, um diesen erlauchten Titel zu ergattern. Ihre Durchlaucht, Freiherr von und zu, war ein solches Glanzstück, das zwar nicht mit dem Leben bezahlen musste, aber mit der politischen Reputation.

Jetzt wollte ich nach meiner Dissertation suchen, die in einem Verlag in der Schweiz erschienen war, und die ich seither nicht mehr in der Hand hatte, außer bei Umzügen. Etwas verstaubt sah sie jetzt schon aus. Der Verlag hatte mir mitgeteilt, dass die letzten 20 Exemplare von einem Seminarleiter aufgekauft wurden, der damit seine Studenten beglückte. So uninteressant war meine Doktorarbeit also nicht, dennoch bin ich der Meinung, dass es mehr literaturnobelpreisverdächtige Druckerzeugnisse gibt als dieses Werk, das unter dem Titel "Die soziale Wirklichkeit in Arthur Millers Death of a Salesman" erschienen war. Ein kurzer Blick in das Buch beruhigte mich: ich hatte alles, was andere intellektuell dazu beigesteuert haben, fein säuberlich angegeben, mit Namen, Titel und Seite. Zu einer Aberkennung meines Titels wird es also gottseidank nicht kommen.

Der Weisheit letzter Schluss?

Aber ich mache mir große Sorgen um die Bundesbildungsministerin, für die natürlich die gleichen Kriterien gelten wie für mich und den Herrn von und zu Guttenberg, für dessen Plagiatskapriolen sich Frau Schavan einst fremdschämte. Hoffen wir, dass unsere integre Ministerin die Vorwürfe aus Düsseldorf erfolgreich abwehren kann, denn noch so einen peinlichen Fall akademischer Unseriosität können wir uns nicht leisten. Andererseits hat der freie Fall von Felix Baumgartner, der aus 37 km Höhe, die Schallmauer durchbrechend, heil unten ankam, gezeigt, dass man bei einem Sturz eben darauf achten muss, wieder auf den Füßen zu landen. Fröhliche Landung, Frau Bildungsministerin!




Donnerstag, 11. Oktober 2012

Journalistischer Dünnpfiff - Zypern geht baden

Reif für die Insel?

Es gibt Vertreter, Experten, Verbandsmitglieder und Beobachter jeder Art. Gelegentlich auch Kritiker, Nestbeschmutzer oder Lobhudeler. Den richtigen journalistischen Weg zu finden, wenn man Vertreter oder Mitglied einer Partei, eines Verbandes oder einer Interessengruppe ist, kann ganz schön beschwerlich sein. Da gehört man - sagen wir mal - einer durchaus nützlichen Einrichtung wie der Europa-Union an und möchte mitgestalten. Das geschieht vor allem den Jüngeren, die noch nicht so lange dabei sind. Sie wollen etwas bewegen. Das stößt oft auf eine Riege von geübten Bremsern, denen jede Veränderung zuwider ist. Solches kann man leicht jeder Verbandszeitschrift entnehmen, auch dem Europa-Unionsblatt "Europa aktiv".

Irgendwo in Nikosia

Dieses habe ich mal wieder vor mir liegen. Meine angeborene Gewissenhaftigkeit sagt mir, dieses alle zwei Monate(?) erscheinende Blatt nicht ungeöffnet wegzulegen, sondern, hoffnungsfroh, immer wieder mal auszuloten, was da drinsteht. Da ich mich nicht zum Nestbeschmutzer eigne - immerhin bin ich passives Mitglied dieser Union, frage ich mich, was die Verfasser bewegt, wenn sie Themen anpacken, wie "Sorge über Zustand der Demokratie in Südosteuropa", oder "Europa - auf dem rechten Auge blind?" Oder, wenn in den Berichten aus den Landesverbänden unter Hamburg (Reif für die Insel?), und in Rheinland-Pfalz (Mainz-Bingen: Zypern kennengelernt) durchaus heiße Themen angesprochen werden (sollten). Da Zypern gerade die EU-Ratspräsidentschaft innehat und ich 20 Jahre lang regelmäßig auf diese Insel kam, interessiert mich alles brennend, was die zyprische Teilung betrifft. Da erfährt man nur, wer die beschriebene Veranstaltung besucht hat, und dass Fragen gestellt werden konnten. Es waren auch Experten da, doch die Zusammenfassung auf einer halben Seite (inkl. Foto) ergab nichts, rein gar nichts. Dabei weiß man nicht, warum seit der Kofi-Annan-Intiative auf Zypern nicht viel geschehen ist. Die Besitzverhältnisse sind nicht geklärt, die Landverteilung hat sich nicht bewegt, der Alleinvertretungsanspruch der griechischen Seite scheint jeden pragmatischen Fortschritt zu behindern, usw. Nichts wurde dazu gesagt. Ein "informativer und genussvoller Abend" in einem Staatsweingut, mit einem Zypernkenner, förderte immerhin zutage, dass deutsche Fernsehprogramme in Zypern nicht empfangen werden können und dass der Anteil der Menschen mit Hochschulabschluss in Zypern mit 45% deutlich über dem EU-Durchschnitt liege, wobei Deutschland mit 29% klar darunter bleibe. Ich will dann nicht mehr weiterlesen, weil solche Gefälligkeits-Informationen so unsäglich banal sind, und andererseits die Internetspezialisten heute jede journalistische Fliege zum Elefanten aufmotzen können. Wie soll man da den Mittelweg zwischen guter Information und langweiliger Berichterstattung finden? Verbandsblätter aller Länder, vereinigt euch und tut was gegen Langeweile und Dünnpfiff!


Mittwoch, 10. Oktober 2012

Demokratie: was dann?

"Weltforum für Demokratie" nennt sich dieses Riesenei, das der Europarat gerade legt (5. bis 11. Oktober 2012). Bekannte Persönlichlkeiten sind aufgetaucht, Friedensnobelpreisträger, der Generalsekretär der Vereinten Nationen und Finanzminister Wolfgang Schäuble. Nein, es waren nicht nur gestandene Politgrößen mit Redeerfahrung da, sondern auch Journalisten, Jugendliche, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und gemeines Volk. Was dabei herauskommt? Bei den Jugendlichen hat man bereits gespürt, dass es sich um Menschen aller Nationen handelt, die Erfahrungen mit Demokratie haben, aber angesichts der Gefahren mit den angeblich Verantwortlichen in unseren Ländern auch gerne ein Hühnchen rupfen.


Warum tut eine so renommierte europäische Institution wie der Europarat so etwas? Ein Weltforum für Demokratie? Es gab eine Zeit, die Siebzigerjahre, da gab es weltweit ohnehin nur etwa 30 Länder, die den Anspruch erheben konnten, demokratisch zu sein. Die meisten davon waren im Europarat. Dann fiel die Berliner Mauer und der Eiserne Vorhang öffnete sich. Heute fällt es leichter, die noch funktionierenden Diktaturen zusammenzuzählen, während es in den meisten Ländern darum geht, die Gefahren der Demokratie zu orten und Standortbestimmungen durchzuführen. Da kam das Forum "Demokratie und soziale Medien", am 8. Oktober in Straßburg gerade recht. Der Plenarsaal des Europarates war fast voll besetzt, als die Diskussionsrunde begann und zuerst über den Arabischen Frühling gesprochen wurde. Auf Arabisch, natürlich, obwohl die meisten Beiträge in Englisch gemacht wurden. So ist das heute.

Aber worum ging es da? Das lässt sich schwer sagen, außer, dass Journalisten und andere Meinungsträger darüber nachdachten, ob und wie die neuen Medien (Facebook, Twitter, SMS, Videos, E-Mail etc.) die Demokratie beeinträchtigen oder befördern. Natürlich wurde gefragt, ob Wikileaks Sinn mache. Eine Podiumsjournalistin aus den USA sagte es klar: die bürgerlichen Freiheiten seien in ihrem Land am Zerfallen. Eine etwas aufgeregte junge Frau, die das Forum nicht radikal genug fand, rief: "Stop selling your information". Damit waren einige der Hauptfragen des Feilbietens von fraglichen Nachrichten angesprochen: Was geschieht in Ländern wie Syrien, wenn die Medien unterdrückt werden? Zunächst ist alles kontrolliert, und der Journalist muss um Freiheit und Leben fürchten, wenn er den erzwungenen Kodex nicht einhält. Dann tritt die Erosion ein. In Ägypten wurde die Technik der SMS, die damals nur dem Militär vorbehalten war, verallgemeinert, befor dann auch Facebook und Twitter, sowie Youtube sich lawinenartig verbreiteten. Daran hatten plötzlich auch Menschen Anteil, die nicht lesen und schreiben konnten. Sie versammelten sich auf den Plätzen der Freiheit und machten ihrem Ärger Luft. Diese Beispiele können zeigen, wohin die Diktaturen gehen, wenn sie nicht demokratische Wege beschreiten wollen.

Neben vielen interessanten Fragen, die nur gestreift werden konnten (so ist das immer bei Monsterveranstaltungen), wurden natürlich auch die Persönlichkeitrechte und die Privatsphäre angesprochen. Hier sind keine schnellen Lösungen abzusehen. Aber das Facebook, das bei Verstößen zu den Hauptschuldigen gehört, wird wohl auf lange Sicht seine gefährliche Attraktivität verlieren, denn die Menschen - das sind weltweit schon über eine Milliarde - werden sich selbst schützen müssen, indem sie mit der Preisgabe ihres persönlichen Rahmens etwas vorsichtiger werden. Dann sind auch alle übrigen Medien global vernetzt und verantwortlich, und die Grundfrage, was die Aufgabe eines Journalisten ist, führt zurück zu den Anfängen des Journalismus: Suche die Wahrheit, habe den Mut, sie auszusprechen, und verzichte auf die Schere im Kopf! Wir alle müssen dringend dafür sorgen, dass es in Gefängnissen keine Journalisten oder sonstige Kämpfer für die Freiheit gibt.






Freitag, 5. Oktober 2012

Meine Geduld ist eine Wurst mit zwei Enden

So sieht es hier aus!

Sie ist nicht zu Ende, meine Geduld, aber ich fühle, wie sie allmählich nachlässt. Seit zwei Wochen arbeiten sie jetzt schon im Haus. Sonntags ist Ruhe, aber auch am Sonnabend wird gehämmert. Es ist eine andere Welt. Man entdeckt viel Zuverlässigkeit des Handwerks. Das Mobilfon erlaubt es, fast jeden zu fast jeder Zeit zu finden. Das Gerüst steht noch, wird aber nicht mehr gebraucht. Die Dachgaube ist gebaut. Sie reicht vom Bad bis zum Schlafzimmer. Dort liegen Unmengen von Gegenständen herum, säuberlich unter Plastikplanen vor Staub geschützt.



Wo wohnen wir eigentlich?

Die Fenster im Bad und im Schlafzimmer werden erst in zwei Wochen geliefert, doch die Blechverkleidung und die kupfernen Abflussrohre sitzen. Die Ziegel sind unwiderruflich auf dem Dach. Der Maler hat sich schon für kommenden Montag angesagt. Er kann dann nur das Schlafzimmer machen, das noch fensterlose. Auf der Bergseite wird gerade ein Veluxfenster erneuert.

Einmal hier, und.....

Es geht also voran. Die Fliesen im Bad sollen in der ersten Dezemberwoche angebracht werden. Davor müssen jedoch die Badewanne, die Dusche, das Waschbecken, die Kloschüssel, der Heizkörper, der Apothekerschrank und die Deckenleuchten geliefert und eingebaut werden. Wir werden also gefährlich an Weihnachten herankommen. Dann aber, wird die Geduld mit aller Macht zurückkommen. Hoffen wir. Und vertrauen wir.

...einmal da.






Donnerstag, 4. Oktober 2012

Wernher von Braun - die dunkle Seite des Mondes



Ich habe Wernher von Braun nie getroffen, aber seinen Stellvertreter, Kurt Debus. Es gab einmal eine Rakete, die Europa II, die sollte im Auftrag der Europäer von Französisch Guyana in Südamerika ins All geschossen werden. Dieser Versuchsflug F 11 wurde in Kourou im November 1971 gestartet. Das  ganze beteiligte Europa (D,F,I,GB,E,B,NL) fieberte diesem Augenblick entgegen. Der Start gelang, doch wenige Sekunden danach zerschellte die 32 Meter hohe Rakete und stürzte ins Meer.  Für die noch schüchterne europäische Raumfahrt ein herber Rückschlag, der mit allem Drum und Dran etwa eine Milliarde DM gekostet hatte. Die geplante Europa III wurde daraufhin nicht gebaut, sondern unter provisorischer französischer Führung und neuem Namen, ESA, als Ariane-Programm erfolgreich weitergeführt. Meine bescheidene Aufgabe, damals, war, das alles allgemeinverständlich an die Medien  weiterzugeben, denn ich war stellvertretender Infochef der ELDO (wie die ESA noch hieß), die ihren Sitz in Paris hatte.

Unter aktiver Mitarbeit des Generaldirektors für Raumfahrt des Deutschen Museums in München, hatte ich einen ehrgeizigen Plan entwickelt, der mich als utopischen Spinner erscheinen ließ: die Teststufen der Rakete, die nie zum Flugeinsatz kamen, sondern in den Werkshallen der Zulieferer dahindämmerten, sollten für die traditionelle Flugschau in Le Bourget bei Paris zusammengefügt  und ausgestellt werden. Dazu wurden die Raketenspitze benötigt (Italien), die Stufe Ariane (Frankreich), Astra (Deutschland) und Blue Streak (Großbritannien). Die Finanzierung durch das Deutsche Museum war gesichert. Dort sollte die Rakete nach einer Reise durch Europa vor dem Museum aufgestellt werden. Natürlich scheiterte der Plan, nachdem die Europa II untergegangen war.

Die Größen der Raumfahrt kamen in München zusammen, um 1972 das hundertjährige Bestehen des weltgrößten Technologie- und Wissenschaftsmuseum zu feiern. Ich durfte bei einem Abendessen an einem Tisch mit 10 Personen sitzen: Hermann Oberth, der Vater der bemannten Raumfahrt und Lehrer von Wernher von Braun. Dieser konnte nicht mehr kommen, denn er war krank und wurde durch seinen Stellvertreter im Apolloprogramm, Kurt Debus, vertreten. Dazu saßen an meinem Tisch Albert Einstein mit Frau (er, Sohn des berühmten Albert mit der heraushängenden Zunge, sie Professorin in Berkley und Alberts Schwiegertochter), Reimar Lüst, Astrophysiker und damals fast schon Generaldirektor der ESA. Ich war der Jüngste am Tisch. Den Rest habe ich vergessen. Nach Stunden durfte ich Hermann Oberth, der schon über 80 war, spät in der Nacht zu Fuß in sein Hotel begleiten, das auch meines war. Diese Gelegenheit ließ ich nicht verstreichen, ohne ihm brennende Fragen zu stellen: Ja, mit 16 wusste er schon, dass die bemannte Raumfahrt möglich sein würde. Seine diesbezügliche Dissertation wurde von der Universität als utopisch zurückgewiesen.

Europa III hätte das werden sollen.

Die USA hatten nach dem Zweiten Weltkrieg die V 2-Technologie ganz schnell nach Amerika exportiert, damit die Russen sie nicht stibitzen konnten. Die haben dann den Rest stibitzt. Damals war es den machthungrigen USA egal, dass das dazugehörige Personal in der NSDAP war, wenn auch mehr mit technologischem Fortschritt beschäftigt als mit den Niederungen der Diktatur. Die dunkle Seite des Mondes wurde von der BBC bekannt gemacht, die die Nazivergangenheit und die entsprechenden Umstände vorsichtig beleuchtete. Als ich jedoch vor 3 Jahren wieder einmal das Space Center in Huntsville/Alabama besichtigte, mit einer Originalversion der V 2 Rakete, fiel mir auf, dass diese faschistische Seite unserer gloriosen Raumfahrtbemühungen gnädigst unter den Teppich gekehrt war. Die Zeit heilt eben fast alles. Und Hermann Oberth und seine Mannen waren keine utopischen Spinner.



Mittwoch, 3. Oktober 2012

Schwarzwaldmädel - von der Operette zur Klamotte

Den meisten ist wohl eine der meist verkitschten Verfilmungen in Erinnerung. Sonja Ziemann als Schwarzwaldmädel etwa, Rudolf Prack, der etwas langweilige Schönling. Paul Hörbiger, der Musikkapellmeister, der sich in vorgerückten Jahren in das reizende Mädel verliebt, es aber doch an den wahren Liebhaber abtreten muss. Als Operette hat das Schwarzwaldmädel 1917 das Licht der Welt erblickt, obwohl Ort und Zeit der Handlung im Schwarzwald um 1815 angesiedelt sind. Die Verfilmungen haben natürlich immer wieder Anpassungen an die Moderne erlebt, was dem Stoff der Operette nicht geschadet hat. Eher die etwas naiven und mühsamen Mätzchen einer unterhaltungswütigen Klamottenindustrie.

Dennoch: den Film von 1950 mit Sonja Ziemann habe ich sicher schon 5 mal gesehen. Aus sentimentalen Gründen. Es kommt darin ein Tombolagewinn in Form eines Ford Taunus mit offenem Verdeck vor, ein bildhübsches Auto. Außerdem ein Riese, der zwar etwas doof, aber total verliebt ist und die ganze Leinwand ausfüllt. Und die totsüße Sonja Ziemann. Leider hat man schon am Anfang gespürt, dass die Version mit Hans Deppe (als Regisseur und Akteur), Paul Höriger und den anderen, recht  guten Schauspielern, völlig überzogen war. Doch die Musik tröstet über alles hinweg. Und am Ende kriegen sich alle, wie geplant. Die Spannung muss also von was anderem kommen: vielleicht ist es die Mischung aus Schwarzwald, Musik, Handlung und Schauspielercharme.

Schwarzwaldmädel???

Leon Jessel, einer der weniger populären deutschen Operettenkomponisten hatte da einen einmaligen Coup gelandet: die Operette wurde in der Komischen Oper Berlin 900 mal aufgeführt, und in den 10 Jahren nach der Premiere wurde das Schwarzwaldmädel weltweit 6000 mal gezeigt. Sechs Verfilmungen haben dazu beigetragen, dass Jessels Musik und die damit verbundenen roten Bollenhüte ein echter Markenartikel  wurden. Und Leon Jessel hat das typische Schicksal eines Künstlers erfahren, der den Nazis nicht genehm war, obwohl jeder seine Musik liebte. Die Hakenkreuzmafia hatte seine jüdischen Wurzeln zum Anlass genommen, ihn zu ächten, obwohl er Jahre vor den Nazis schon zum christlichen Glauben übergetreten war. Doch sie haben es nicht geschafft, das Schwarzwaldmädel auszurotten. Unzählige Tonträger tragen die Musik Leon Jessels auch weiterhin um die Erde. Schade, dass man heute nicht mehr genug über die Operetten und ihre Komponisten weiß. Ihre Musik klingt zwar in unseren Ohren, aber nur selten noch kann sie den musikalischen Lärm von heute übertönen.







Dienstag, 2. Oktober 2012

Heute ist so ein Tag....




Tag der deutschen Einheit. Das ist Morgen. Ein schöner Tag. Ich erinnere mich gut daran, als die Mauer fiel. Eine ganze Nacht spielte und sang Wolf Biermann. Ich glotzte bis in den Morgen, nachdem ich die ersten TV-Bilder von der offenen Mauer in New York, im 34. Stock des Plaza, gesehen hatte. Dort wurde schon der Preis für ein Stück Mauer gehandelt. Es kostete 10 $, wenn ich mich recht erinnere. Im freien Berlin interessierte das keinen. Wenn ich als Deutscher identifiziert wurde, küssten und herzten mich wildfremde Menschen. Meine Tochter, so erfuhr ich später, war in Westberlin sofort über die Mauer geklettert und wurde von Vopos sanft wieder zurückgehievt. Die Welt sprach von Deutschland. Das Begrüßungsgeld war gut angelegt. Und alle freuten sich mit uns.


Schön, wenn dieser, eigentlich unerwartete, historische Knaller uns zu glücklichen Menschen gemacht hätte. Statt dessen: neben der Freude Neid, Not, Wessiarroganz, Ossiniedergeschlagenheit. Doch etwas hat die nieder gegangene Mauer bewirkt: wir haben die einmalige Chance erhalten, wieder ein Land mit einer Identität zu werden. Inzwischen ist die Kanzlerin Ossi, der Bundespräsident ist Ossi, und die Spreewälder Gurken sind auch Ossi. Es tut unserer wenig ausgeglichenen Nation gut, sich etwas zurück zu nehmen. Wir können uns das jetzt erlauben. "Wir sind wieder wer" ist nicht mehr Ausdruck des Trotzes. Es macht uns normal. Gerade, nachdem einer der komischsten Spaßmacher gestorben ist, Dirk Bach, ein unglaublicher Deutscher, der mit seiner gespielten Rundlichkeit so manchen zum Lachen brachte. Die Wiedervereinigung hat auch viel deutsch-deutschen Humor zusammengebracht. Es darf wieder gelacht werden. Das wollen wir auch nicht vergessen. Alles in allem macht uns der Tag der Deutschen Einheit fröhlich und lässt uns so manche Fehlentwicklung vergessen.

Montag, 1. Oktober 2012

Der Traum vom Diktator

Es hat schon viele gegeben. Wieviele sind in den letzen Jahren verschwunden? Saddam Hussein, Mubarak, Kaddafi. Sadat steht noch aus. Andere haben vorerst scheinbar mildere Formen gefunden, aber sind nicht viel besser: Putin, Lukaschenko und einer, der heute neu gewählt werden will: Saakaschwili. Man sieht, wie schwierig es ist, eine Linie zu ziehen zwischen den ganz krassen Fossilen und den Harten mit dem Deckmäntelchen der Demokratie. Gerade wird in Georgien gewählt, wo Michael Saakaschwili trotz des neulich bekannt gewordenen Folterskandals sich Hoffnungen macht. Ein wahrer Grenzfall eines durchaus demokratisch und westlich orientierten Politikers, der lieber nicht abtritt, statt zuzugeben, dass er gescheitert ist. Er hatte Träume als junger Mann. Ich kannte ihn als Abgeordneten. Er hat schnell gelernt, Blut geleckt und dann den etwas bequemen und korrupt agierenden Vorgänger, Eduard Schewardnadse, als Präsident vom Thron gestoßen.  Jetzt wackelt der seine.
Hochdekoriert treten sie ab.

Warum müssen Diktatoren am Sessel kleben? Die Macht zurückzugeben fällt sogar überzeugten Demokraten schwer. Dabei ist es doch ganz einfach: man hat sich ein Vermögen zusammengerafft, hat viele reiche Freunde und könnte sich mit einem Aufsichtsratsposten begnügen. Ein großer BMW oder eine S-Klasse würde reichen. Die anderen Statussymbole brechen jedoch fast alle weg. Uniformierte salutieren nicht mehr. Die Motorradeskorte betreut jetzt einen anderen. Ausländische Staatsmänner rufen nicht mehr an um zu sagen: dear Helmut, oder dear Wladimir. Vielleicht kommt nicht einmal ein Verleger auf die Idee, die Karriere des vertriebenen Potentaten in Buchform herauszubringen. Die Zeitungen haben plötzlich auf Jahre hinaus alles vergessen. Man ist Persona non grata. Auch die Geschichtsbücher sträuben sich, so jemand noch zu erwähnen. All das wiegt schwer. Macht ist halt etwas Schönes. Wie sagte schon der Lateiner? Sic transit gloria mundi. So vergeht der weltliche Ruhm. Vielleicht sollte man an Schulen Kurse für Diktatoren einrichten. Wie trete ich rechtzeitig ab?

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