Donnerstag, 25. Oktober 2012

Zeit für die Eltern

Wenn der November kommt, will man der Toten gedenken. Jeder hat liebe Menschen, die nicht mehr sind. Manche bringen diesen üppige Blumengestecke zum Friedhof, nach Möglichkeit solche, die den ersten Schnee überdauern. Oft werden die Verstorbenen dann schnell wieder beiseite geschoben. Trauer muss nicht ewig dauern. Das Leben muss ja weitergehen, und für die Verblichenen ist nicht mehr viel Platz. Am Totensonntag, wenn alles grau und hoffnungslos vor sich hin fröstelt, ist der Moment gekommen. Ich habe meine Lieben nicht vergessen, aber ich scheue mich, es mit Blumen oder winterlichen Gebinden zu tun. Meiner Mama brachte ich immer stolz die schönsten Blumen aus dem Garten als ich ein kleiner Bengel war. Gefüllte weiße Nelken. Ihr Duft betörte jede Nase. Ihre Lieblingsblumen waren jedoch Maiglöckchen aus dem Wald. Auch ein sinnenvoller Duft. Papa ging oft mit mir in die Natur. Wir sammelten Pilze und Feldblumen: Margeriten, Kornblumen, Klatschmohn. Ich behaupte, dass Mama genug Blumen von mir erhalten hat.

Das schlechte Gewissen plagt mich dennoch. Seit Jahren habe ich das Grab meiner Eltern nicht mehr besucht. Es ist zu schwer zu ertragen. Die Reise, die Verlorenheit, gepaart mit den Erinnerungen, das Unwiederbringliche. Dann die Schwester. Sie kam nur noch zu Beerdigungen nach Hause. Auch das eine schwere Last. Einmal USA-Deutschland und zurück. Es ist himmelschreiend. Dann ist man mit seinen Erinnerungen wieder allein. Jetzt werde ich sie anrufen. Es gibt ja Telefon. Was wir gemeinsam haben, sind die Erinnerungen an die Eltern, die Großeltern, eine liebe Tante, viele liebe Angehörige, die nicht mehr sind.

Am Ende ist alles gut
Bald werde auch ich diesen einsamen Weg in die Kälte gehen. Noch ein paar Jahre, mit etwas Glück, oder sind es nur noch Wochen? Ich kann und will es mir nicht vorstellen. Lasst den Totensonntag vorbeigehen! Nein, meine geliebten Eltern, ich werde euch keine Blumen aufs Grab legen. Unsere Liebe war und ist viel zu stark. Auch ich werde einmal auf die Blumen pfeifen und mich von meinen Hinterbliebenen weiter lieben lassen. Von Höflichkeitsbesuchen rate ich jedem ab.



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