Donnerstag, 25. Oktober 2012

Sylt - Träumen kann man auch anderswo

Jahrelang habe ich sie genervt. Irgendwann muss ich dir eine Insel im deutschen Norden zeigen, ließ ich mich vernehmen. Sie besteht meist aus Sand, Wind und Wasser. Solche Inseln kenne ich von meiner englischen Heimat dutzendweise, hörte ich sie sagen. Sind die nicht ein wenig boring? Gerade im Spätherbst? Ich bejahte und versuchte, mich verständlich zu machen. Im November gibt es am Meer keine Touristen mehr, behauptete ich dann. Und: der Wind bläst so schön.


Mein verinnerlichtes Lächeln richtete sich auf meine Jugenderinnerungen. Als kühner Jüngling machte ich mich mit einem Schulfreund auf den Weg. Es ging auf einem LKW von Süddeutschland nach Hamburg, dem viel gepriesenen Tor zur Welt. Unsere Pionierleistung bestand darin, die Räder mitzunehmen und die weitere Reise in den Norden per Velo fortzusetzen. Auf Sylt angekommen, das Wetter war schön, die Dünen strahlten in ihrem besten Sandkostüm, gingen wir zunächst bei Westerland an den Strand. Herrlich warm war alles. Dann geschah etwas Aufregendes: zum erstenmal in meinem Leben sah ich Dutzende von entblößten Brüsten und herunterhängenden Pimmeln. Wir waren am FKK-Strand angekommen, ohne danach gesucht zu haben. Reiches Konfliktpotenzial tat sich für uns da auf. Sollten wir, oder sollten wir nicht? Die Neugier siegte, und wir legten unsere Badehosen ab und wurden Teil der sommerlichen Nacktheit. Irgendwann hatte sich dann der Reiz des Ungewohnten genügend erschöpft.  Auch Volleyball spielende Busen und Hinterteile fangen dann an, zu langweilen. Sylt hat viel mehr zu bieten.


Überraschung! Meine wahrlich bessere Hälfte kann das wie keine andere: überraschen. Aber immer mit Auffangnetz, das ganz überflüssig ist, denn sie hat eine Woche Sylt gebucht. Wer würde da nein sagen? Zumal ich endlich meinen langjährigen Traum reifen sehe: Am menschenleeren Strand scheinbar ziellos umherschlendern. Dicke Pullover tragend der sturmerprobten Brise trotzen. Leicht durchnässt in einer kuscheligen Pinte landen und an endlos wirkenden Abenden Debussy hören, vielleicht auch eine Meeresfrucht genießen. An Nacktstrände mag ich da gar nicht denken. Aber an den wolkenverhangenen Himmel, die ewig umhersegelnden Möwen. Himmel statt Pimmel. Küste statt Brüste. Sozusagen. Nostalgischer geht es nicht.










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