Samstag, 30. November 2013

Was ich an dir mag: 10 Zusammenfassungen oder so!

Ich weiß, fast hätte ich unseren Hochzeitstag wieder vergessen. Dabei war er sehr schön. Viele liebe Erinnerungen an diesen einen Tag sind geblieben. Doch der Alltag hat uns längst erfasst. Wir sind jetzt xJahre, drei Monate und sieben Tage verheiratet, und du hast mir mit ironischem Unterton vorgeworfen, dass ich vergesslich sei, obwohl ich mich bemühte, an alles zu denken. Meine Schwäche: Vergessen, wenn etwas nicht zu ändern ist.


Zur Zeit bist du in einer etwas kämpferischen Phase: Du willst wissen, ob ich dich noch liebe. Bevor ich diese Frage spontan beantworten kann (was ist Spontaneität?), möchte ich ausholen. Das erlaubst du mir jedoch nicht. "Sag' ja oder nein!" zischt sie. "Dazwischen gibt es nichts". Ich weigere mich, wie schon immer, trockene Tücher anzufassen, solange sie nass sind. Da sie ein kluges Kerlchen ist, variiert sie die Fragestellung etwas, sodass ich, wie ein gewiefter Politiker, meine Antwort schriftlich einreichen und diplomatisch formulieren kann. "Was liebst du besonders an mir?" flötete sie nach einem großen Schluck aus dem Glas.

Hier also mein Memorandum an Diejenige, die ich vor xJahren geheiratet habe:

1. Ja!
2. Du riechst gut, und ich konnte dich schon immer gut riechen.
3. Wenn du den Hausmantel (mit nichts drunter) ausziehst, fällt dieser brutal zu Boden. Du denkst nicht daran ihn aufzuheben. Testest du mich? Ich hebe ihn auf und denke, wie glücklich ich bin, dass ich es tun darf.
4. Im unerwartetsten Augenblick kommst du mit einem Geschenk daher, dessen Sinn ich erst entdecke, wenn ich es ungläubig angeschaut habe: eine verkörperlichte Idee von dem was Liebe ist.
5. Du kannst so was von verzeihen!
6. Als ich dich fragte, welche sexuellen Fantasien dich umtreiben, antwortetest du eindeutig, ja fast brutal: ich liebe einen Mann.
7. Was ich an dir liebe? Die Art, wie du deine langen blonden Haare kämmst und einfach fallen lässt und ich beim Saubermachen diese überall finde und liebevoll entsorge.
8. Dass du unglaublich tapfer lächeln kannst.
9. Dass du Schokolade magst.
10. Dass du nicht aufs Ende meiner Ausführungen wartest. Dass du meine Vergesslichkeit für eine Tugend hältst. Dass du dich küssen lässt. Dass du dich für mich entschieden hast, obwohl du mich kennst. Und und und.

Lieber arm dran als Arm ab!

Freitag, 29. November 2013

Wiener G'schichten - jetzt wird es ernst

Lichterglanz, kurz vor dem Advent angefacht. Es weihnachtet. Da muss sich auch eine alte Dame wie die Hauptstadt an der Donau schmücken. Jetzt ist es soweit: es glitzert allenthalben. Das hebt den Kaufwunsch. Doch in den Augen, die bettelnd Blickkontakt suchen, glänzt nichts. Es sei denn, man rückt eine Münze 'raus und schleppt sich mit vollen Tüten weiter. Heuer, wie man in Wien sagt, sollen wieder im Schnitt 381 € für Geschenke ausgegeben werden. Das ist weniger als im Vorjahr. 2011 waren es 446 €. Hier ist die berühmte Schere zu sehen, die sich zwischen arm und reich immer weiter öffnet.

Rotenturmstraße

Die Massen staunen, die Kinder sind beeindruckt. Straßenmusikanten tun das Ihre, um den Bär am Tanzen zu halten. Hat das schon etwas mit Weihnachten zu tun? Wien feiert sich selbst, bis am 24. Dezember das morbide Treiben wieder zuende ist. 36 Wiener Einkaufsstraßen sind festbeleuchtet. Wem da nicht warm ums Herz wird, versteht die Welt nicht mehr. Rund 18 km Weihnachtsbelichtung.

Licht am Graben

Irgend etwas stimmt jedoch nicht. Nach undurchschaubaren Quellen haben 30% der Österreicher ihre Geschenke schon im November oder früher, sogar im August, gekauft. Das sind die umsichtigen Frauen. 80% der Männer haben noch nicht zugegriffen. Warum? Obwohl es in der City nur so von Juwelierläden wimmelt, von denen manche regelmäßig überfallen und ausgeraubt werden, steht der Schmuck unter den Geschenken nur an 10. Stelle. Die erste Stelle nehmen die Gutscheine ein, für die weder Sonder-Beleuchtung, noch Glühweinrummel benötigt werden.

Kärntnerstraße

Ich werde an diesem Wochenende mit Cath die Wiener Pracht bestaunen und begehen. Aber Geschenke kaufen wir grundsätzlich nicht. Wir beschenken uns irgendwie zu Unzeiten. Dafür brauchen wir das Fest nicht. Unsere Lieben werden es uns nachsehen. Fröhliche Weihnachten! Merry Christmas!

Dienstag, 26. November 2013

Sex in a coffin - ist das was für NSA?

Ist es vielleicht umgekehrt? Die NSA versucht, statt sich bei Merkel und all den anderen endlich mal zu entschuldigen, Verwirrung zu stiften, indem sie abstruse Themen auf den Markt wirft, die das Schnüffeln im Internet vergessen lassen? Sex in the City kennen wir schon. Sex on the Beach kennen wir ebenfalls. Es ist ein Cocktail, der mit Sex wenig zu tun hat. Wundern würde mich dies alles nicht.

Heute lese ich in einem Wiener Blatt, das ohnehin gerne mit unflätigen Geschichten aufwartet, "Sex im Sarg: Paare sagen, was der Reiz für sie ist". Am kommenden Freitag sollen 22 Paare im Rahmen einer Kunstveranstaltung zum Liebesgetümmel sich lebendig begraben lassen. 80 x 80 x 200 cm soll der Sarg groß sein. Drei Last-Minute-Einsargungen sollen dann kurz vor dem Ereignis noch verlost werden.
Liebe, ja, mak-aber im Sarg

Warum wundere ich mich nicht mehr? Vor dreißig Jahren traf ich einen Herrn, der das schon mit seiner Geliebten getan haben soll. Er war auch sonst nicht sehr stubenrein. In Straßburg hatte er eine Villa, die er auch noch an den Vatikan vermietet hatte. Ob die fromme Gesellschaft von diesem Tun Kenntnis hatte? Ich hoffe es nicht, obwohl der "neue" Papst kein Kind von Traurigkeit sein soll. Man könnte da ja leicht ein Auge zudrücken, zumal der Herr bereits verstorben ist. Was dem einen sin Ul ist dem annern sin Nachtigall. Trotzdem, seit der sexuellen Befreiung des Menschen scheinen Sodom und Gomorrha wieder auf dem Vormarsch. Wie idyllisch waren da die Vorstellungen von der Hexe, die's mit dem Teufel trieb. Wie absolut normal.

Heute muss man sich schon in den Sarg legen, um Furore zu machen. Wie weit wir es gebracht haben! Wie verträgt sich das mit der immer noch zunehmenden Dickleibigkeit der Menschen? Wenn der Sarg überdimensionierte Maße annehmen muss, um für 20% der Bevölkerung als ewige Behausung zu dienen, dann erschließt das neue Dimensionen! Die sportlichen Möglichkeiten sind doch im Supersarg irgendwie viel besser. Vielleicht wird dann auch endlich wieder ein neuer Rekord aufgestellt. Die NSA wird es uns danken: Sex in a coffin, damit könnte man alle Agenten zu Voyeuren machen, und alle Voyeure zu Agenten.


Sonntag, 24. November 2013

Wien, warum willst du hoch hinaus?

Wien will hoch hinaus, wie jede Stadt, die etwas auf sich hält. Jetzt ist der größte und höchste Klotz Österreichs fertig geworden. Die Superlative in Wiens DC Tower 1 bringen die Stadtplaner bereits auf den Geschmack der Wolkenkratzerei. Es darf befürchtet werden, dass schon der nächste DC Tower in den Startlöchern liegt. In der Tat: der nächste Turm soll nicht ganz so hoch werden (nur 160 Meter), aber ebenfalls im Vienna DC "gelocated" sein. Wir stumbeln also von einem building event zum anderen und merken vor lauter Englischgestottere kaum, was hier vor sich geht. Eine Stadt verändert ihre Identität. Dabei hat sie eine so schöne: der Stephansdom, das Riesenrad, die blaue Donau und der süße Johann Strauss im Stadtpark. Was will man mehr?

Neues Wahrzeichen?


 



Das Manhattan von Mitteleuropa? Der neue Bau hat ein Gesamtgewicht von 250 000 Tonnen  und ganze 110 000 Kubikmeter Beton verschlungen. Kosten: gute 2 Milliarden Euro, für die 60 Stockwerke. Was heißt hier eigentlich DC? Dem Besucher Wiens sagt das nichts. Es heißt Donau City, denn diese City liegt an der Donau und ist als neues Stadtzentrum geplant, mit der nötigen Infrastruktur natürlich. Das erinnert mich stark an die Pläne der Pariser Stadtväter, mit dem Stadtviertel "La Défense" im Nordwesten ein neues Zentrum zu schaffen. Was daraus geworden ist: eine tote Stadt mit Banken und Büros, natürlich auch Essecken und Supermärkten und der üblichen Leerung am Wochenende, wo kein Schwein dort leben möchte. Eine Fehlinvestition ohne Seele, eine achitektonische Aufforderung zur Depression. Während meiner Pariser Zeit hat es mich ein einziges Mal dorthin verschlagen. Uninteressant! 


Wien, du schönes Wien, warum setzt du deine ganze Zukunft nicht auf dein Jahrhunderte altes  Zentrum um den Steffel, den Graben und die Oper? Manhattan, wir müssen das so krass sagen, ist auch heute noch eine Ansammlung von Beton und Stahl, und voller Menschen, die von dort in ihre ärmlichen Viertel fliehen, sobald sie ihren Job beendet haben. Nur die Chinatown an der Südspitze zieht Menschen an. Der Rest wirkt wie eine eindrucksvolle glitzernde Tote. Die zahllosen Wolkenkratzerstädte in der Welt haben es selten geschafft, nach Ladenschluss noch etwas Attraktivität aufzubringen. Urbanität hat vor allem mit Menschen zu tun, obwohl der Erste Bezirk in Wien manchmal schon einem Ameisenhaufen ähnelt. Überlasst die Donau City den Diplomaten und Geschäftsleuten. Dort können sie falsch parken, wenn sie wollen, aber sonst keinen Schaden anrichten. Die Musik spielt um den Steffel.





Wiener G'schichten: aufgebrezelt wie eine Weihnachtsgans?

Man sagt den Wienern nach, sie seien die Spezialisten für den klassischen Schmäh, einer örtlichen Mischung aus Charme, Ironie und einer gestrichenen Dosis Bösartigkeit. Damit kommt der Wiener gut zurecht, denn er lebt in der schönsten Stadt der Welt. Der Schuss Ironie stört ihn dabei nicht, im Gegenteil, er (der Schuss) ist notwendig. Sonst wäre das Leben hier viel zu schön. Das ist der Unterschied zum Bürger von Paris. Wer ihm sagt, Paris sei die schönste Stadt der Welt, kriegt womöglich zu hören: N'est ce pas? (Nicht wahr?). Das ist in Wien undenkbar, impensable!


Also können wir uns jetzt um die Weihnachtsdeko in Wien kümmern: Schmäh ohne! Man schlendert durch die Straßen und muss aufpassen, dass man nicht von einem riesigen Kran überfahren wird oder, dass die Kandelaber, die in 20 Metern Höhe, in der Mitte der Prachtstraße, nicht herniedersausen, um diejenigen zu erschlagen, die staunend nach oben blicken. Das Leben ist gefährlich, besonders vor Weihnachten, denn da kommen noch all jene Überfälle und Diebereien dazu, die der Verzweifelte unternimmt, um seiner Braut zu einem Weihnachtsgeschenk zu verhelfen.


Werden wir konkret: in der Kärntnerstraße hängen sie schon, dürfen jedoch noch nicht leuchten. Am Graben, hängt auch schon alles und hebt sich gegen den grauen Abendhimmel kaum ab. In den Schaufenstern jedoch glitzert es allenthalben schon. Die LastminuteJapaner und die SachertortenDeutschen, um nur zwei Wiener Touristenvölker zu nennen, tun was sie können, um ihre vorweihnachtlichen Koffer mit Geschenken voll zu kriegen. Noch fehlt die Hektik der letzten Tage (vor dem Fest). Die Mozartkugel rollt.


Die 21 Weihnachtsmärkte sind fast alle schon aufgebaut. Es wird Glühwein getrunken und viel geplaudert. Der Laden läuft. Auch Cath und ich werden am Wochenende losziehen. Ach ja, der Bettler am Graben hat sich schon früh auf seinen Stammplatz gesetzt. Sitzend an einen rostfreien Papierkorb gelehnt, die Füße nackt in Sandalen gesteckt, den Kopf vorwärts- und rückwärtsbewegend, und mit einer Blindenbinde um den Arm, betrachtet er diskret die geschäftige Umgebung. Friert er nicht an die Füße? Ich komme oft an ihm vorbei und wundere mich, dass ich noch nie gesehen habe, wie ihm jemand einen Groschen in den Topf legt.

Da fällt mir auf, dass eine Weihnachtsgans nie aufgebrezelt ist. Das arme Tier! Sie schmeckt seit dem 11. November als Martinsgansl in den einschlägigen Ganslbeisln gar herrlich. Und dann muss sie auch noch den Nobelbraten am Hl. Abend stellen, eine fast tierische Aufgabe von der es kein Zurück gibt. Wien macht sich also schön. Ohne Häme oder Schmäh: es wird spannend. Die luminöse Aufrüstung ist voll im Gange. An keinem anderen Ort der Welt möchte man jetzt sein!







Donnerstag, 21. November 2013

Dieter, Hilde, brannte es irgendwo?

Ihr müsst es mir schon sagen! Gestern noch wollte ich dir schreiben: Mut hoch, Dieter, auch Krebs ist besiegbar. Du hast mit deiner scharfen Zunge schon manches Monster elegant zur Strecke gebracht. Und jetzt das! Nun hat es dich doch erwischt. Der Allmächtige gibt sich unbarmherzig. Es brennt immer irgendwo. Nach dem Weggang von Reich-Ranicki und Loriot, davor, hättest du dir Zeit lassen sollen. Was gestern in den Medien los war, kannst du nicht damit erklären, dass du berühmt bist/warst, nein, sondern nur damit, dass alle dich geliebt haben. Dieter Hildebrandt, du hast das Leben der Deutschsprachigen vergnüglich auf den Kopf gestellt. Dein Kabarett war DAS Kabarett. Nach einer Lach-und Schießgesellschaft, oder nach den Notizen aus der Provinz, oder immer, wenn du zu sehen und zu hören warst, haben die Leute gelacht und dich zitiert.


Jetzt kann ich "Du" zu dir sagen. In den Sechzigern muss ich in Schwabing gewesen sein. Du und die Deinen waren noch nicht so berühmt. Sammy Drechsel muss dabei gewesen sein, und andere Mitstreiter. Deine Solo-Ausfälle und Einfälle haben Furore gemacht. Der Schlesier mit Biss! Wer hat es nicht geliebt. Wie du den Alten fertig gemacht hast. Und die anderen Würdenträger. Wir brauchten das. Deutschland ohne dich wäre eine üble Provinz geworden. Es hat immer irgendwo geHildebrandet. Auch du hattest oft Spaß daran, herumzublödeln. Manchmal rutschten die nicht geplanten Lacher einfach so heraus.

Dann, dein Zynismus. Er hat nie die Falschen getroffen. Gerne hast du oft auch das Schlimmste gar nicht ausgesprochen, sondern nur nuschelnd zu Ende denken lassen. Sicher, das konservative Lager, auch die katholische Kirche, winselte oft vor Schmerz, klammheimlich, aber zurückschlagen ging nicht. Also haben sie dich eher gefürchtet als geliebt. Dafür hattest du eine solide Gemeinschaft von passiven Mitdenkern. Ich habe für einen Augenblick die Altnazis vergessen. Du hast gerne auf ihnen herumgehackt. Eine reine Freude, die nur die Jungnazis nicht mit uns teilen konnten. Auf diesem Nazi-Auge konntest du nicht blind sein. Zu viele waren es. Du hast die Scheiße ja noch miterlebt. Ich höre, dass auch Österreich und die Schweiz regelmäßig Dieter Hildebrandt geschaut haben.

Dieter, Hilde, brandte es irgendwo? Vor ähnlichen Kalauern bist du auch nicht zurückgeschreckt. Danke für alles, lieber Dieter Hildebrandt. Danke, danke, danke.








Mittwoch, 20. November 2013

BlickKontakt als AnsichtsSache - Christl Schneider-Götz

Die Augen, die Farben und die Vorstellung, die gehören zusammen. Jeder sieht ganz anders. Farben und Pinselstriche sprechen ihre eigene Sprache. Wenn Christl Schneider-Götz sich vornimmt, etwas malerisch zu gestalten, kann man sich auf Überraschungen gefasst machen. Blickkontakte und Ansichtssachen, die künstlerischen Anliegen der vergangenen Ausstellungen, sind bereits abgelegt. Ist es Rastlosigkeit oder einfach das Suchen nach dem Unbekannten, das die Künstlerin zu immer neuen Inhalten treibt?

Bei ihrer letzten Ausstellung, die sie mit Künstlerkollegen im Deggenhausertal (Bodenseegegend) gerade erfolgreich hinter sich gebracht hat, wagte sich Christl Schneider-Götz, eine begabte Malerin und Pädagogin, auf neue Pfade: sie bearbeitete ein Frauenthema. Nicht etwa, in emanzipatorischer Absicht, was ja die Malerei schon früh beschäftigt hat. Also keine Blumen für Alice Schwarzer. Ihr Ansatz ist dieses Mal viel verzwickter. Frauenbewusstsein? Nachdenken über Frauenporträts, die im Zeitraum von 70 Jahren gemalt wurden, Frauen des gehobenen Bürgertums, die Persönlichkeiten waren, aber nicht die Freiheit besaßen, ihre Individualität zum Ausdruck zu bringen. Gefangene in ihren Rollen.

Opfer der Revolution

Die Marquise de Sorcy, um 1790 von Jacques-Louis David gemalt, wurde ein Opfer der Französischen Revolution. "Vor dem Schafott" nennt Christl ihr Porträt, das dem der Marquise nachempfunden ist. Wilhelm von Schadow malte 1826 eine Fanny Ebers, die in ihrer schönen Gefangenheit eine weitere Ansicht der Frau als Zugabe des Mannes gesehen werden kann. Dann, die "Nanna", vom berühmten Anselm Feuerbach 1861 gemalt, lässt erahnen, wohin der Weg der modernen Frau geht: in eine Befreiung vom Joch des ewigen Anhängsels in der Männerwelt.

Schneewittchen?

Die Ausstellung ist leider zu Ende. Christls Porträts wirken jedoch weiter, während die von ihr beschworenen Originale längst selbstverständliche Klassiker geworden sind.  Von Jacques-Louis David kennt man vor allem Napoleons stürmischen Ritt über die Alpen und Porträts des Sonnenkönigs im neoklassischen Stil. Dass Christl das Bild der Marquise "Vor dem Schafott" nennt, zeigt Macht und Ohnmacht der Frau in einer revolutionären Zeit.

Der deutsche Maler Wilhelm von Schadow, ein Mitbegründer der Düsseldorfer Malerschule, prägte die klassizistische Malerei des beginnenden 19. Jahrhunderts. Vielleicht ist sein Bild "Josephs Traumdeutung im Gefängnis" am bekanntesten. Heute würde man diese Kunst leichtfertig zu den "alten Schinken" zählen, als hätten sie nur eine zeitlich festgelegte Bedeutung. Jedoch lässt dies die symbolistisch wirksame Kunst von Schadows nicht zu. Christl Schneider-Götz hat aus seinem Porträt der Fanny Ebers "Schneewittchen" herausgesehen. Eine eigenwillige Sehkunst. Sehe ich recht?

Christls Nanna

Ähnliches geschah mit Anselm Feuerbachs "Nanna". Anna Risi, die für Feuerbach Nanna war, eine Römerin, die ihre Familie aufgab, um mit Feuerbach als seine Muse zu leben, wurde 28 mal von ihm porträtiert. Eine Obsession? Sie entsprach dem Ideal der klassischen Schönheit. Als Iphigenie kennt man sie am besten. Als Porträt hängt sie in Berlin, Köln, München, Stuttgart, Karlsruhe und Wuppertal.  Christl Schneider-Götz fand sie malenswert genug, um das neue Selbstbewusstsein der Frau auf ihre Weise wiederzugeben.

Eine Betrachter-Bild-Beziehung wollte Christl mit ihren Porträts aufbauen. Das ist ihr gelungen. Damit hat die Künstlerin es wieder geschafft, den Betrachter auf ihre Sehweise einzuschwören. Eine Malerin, die sich um den Betrachter bemüht. "Ferne Freundinnen" werden diese Frauen genannt, denen durch Christls Porträts ein klarer Bezug zum Heute eingeräumt wurde. Das ist einzigartig und verdient Beachtung.

Dienstag, 19. November 2013

Die Zeit mit Luise

Wer an Jahren reich, und gewohnt ist, ein Tagträumer zu sein, dem kommen Bilder aus der Jugend zurück, immer wieder, die man nicht beiseite schieben möchte. Plötzlich kam mir Luise in den Sinn. Eine Erinnerung aus jugendlichen Jahren. Heute sehe ich das so: ich war ein Jüngling, gerade der Pubertät entronnen, etwa 17 oder 18 Jahre alt. Die Tanzstunde hatte ich bereits hinter mir. Unter Akne litt ich nicht. Und, wenn man zwei katholische Großmütter hatte, war in diesem Alter an Sex natürlich nicht zu denken. Die Gefahren waren zu groß, in finanzieller Abhängigkeit von den Eltern ein Kind zu zeugen.  Das Allheilmittel Pille gab es noch nicht. Konrad Adenauer, der rabenschwarze Bundeskanzler, regierte, wie viele dachten, für immer. Westdeutschland war noch eine christlich-jüdische Wertegemeinschaft. Obwohl: die Anzeichen einer neuen Zeit waren schon deutlich zu erkennen: Supermacht Amerika, Kalter Krieg und Bedrohung aus dem Osten. Italiener und Spanier wurden allmählich durch Jugoslawen und Türken abgelöst. Die Teilung Deutschlands, das noch unter den Kriegszerstörungen zu leiden hatte, überall sichtbar. Straßenkreuzer und Bildzeitung gab es schon.

Ich lebte mit meinen Eltern in Pforzheim, einer bescheidenen süddeutschen Großstadt, deren Zentrum im Februar 1945 zu über 90 % durch einen britischen Luftangriff zerstört worden war und dann hässlich und uninteressant wieder aufgebaut wurde. Aufbruchstimmung, aber auch noch Zarah Leander und Operetten wie der Zigeunerbaron. Bei Woolworth konnte man noch Socken und Postkarten kaufen. Die Verkäuferinnen waren freundlich, manche sogar hübsch. Am Sonntag ging man ins Kino oder ins Café Adler am Leopoldsplatz. Als junger Mann trug man gelegentlich Anzug und Krawatte. Mit den Haaren hatte ich keine Probleme. Die waren schwarz und wuchsen schnell.

Luise war die Nichte einer unverheirateten Studienrätin. Luises Eltern waren in den Kriegswirren im deutschen Norden umgekommen, und Tante Anne kümmerte sich um die Waise. Luise war hübsch, intelligent und stürmisch. Ein wenig selbstbezogen auch. Sie hatte keine Freundinnen, und ein Bruder fehlte ihr schmerzlich. Es kann sein, dass ich da ins Spiel kam. Bei Luise und Tante war ich gerne gesehener Gast. Vielleicht, weil ich die gepflegte Gesellschaft der beiden Damen liebte und so etwas wie ein jugendlicher Hahn im Korb sein konnte. Es wurden schöne Platten aufgelegt, und es gab für mich, den Älteren, ein Glas Wein und Salzstangen. Auch einmal einen Toast Hawaii. Luise blieb beim Apfelsaft.

Ich liebte Luise wie eine kleine Schwester. Meine ständige Verliebtheit in andere Mädels lief unberührt so nebenher. Es gab nur eine kurze Zeit, wo alles zu explodieren schien: Luise setzte sich gegen die autoritäre Mutterrolle ihrer Tante zur Wehr. Sie hegte Gedanken, - für Luises Kreise damals undenkbar - das Abitur nicht zu machen und irgend etwas Künstlerisches zu versuchen. Ich sollte auf Drängen der Tante auf Luise einwirken. Das fiel mir leicht, doch Luise hielt mich von nun an für
Tantes Trojanisches Pferd. Jedenfalls ist dieses Wort im Scherz einmal gefallen.

Warum haben wir mitten in der Nacht einmal 2 Stunden miteinander telefoniert? Missverständnisse waren aufgekommen. Luise begann, meine Rolle als Freund zu hinterfragen. Dabei waren wir uns einig, dass unsere Beziehung unplatonisch zu sein hatte. Bruder-Schwester, oder so. Das ging nicht immer gut, denn ich musste im oft heftigen Kampf der beiden Frauen versuchen, zu vermitteln. War ich ein potenzieller Verräter? Luise konnte unerbittlich sein, ihre Tante konnte gelegentlich den Geldhahn zudrehen, was für Luise einer harten Strafe gleichkam.

Dann trat ER in ihr Leben: Blutjung, himself a motherless child, der Sohn geschiedener Eltern. Vater deutsch, Mutter Engländerin. Er brauchte Liebe. Der Vater ein gut bekannter Journalist und Schriftsteller, der in Rom lebte, die Mutter hatte Martin großgezogen und ihm solide Kenntnisse der englischen Sprache vermittelt, mit denen er jetzt an der Berlitz-Schule in Pforzheim junge Deutsche unterrichtete. Luise lernte ihn kennen, ich weiß nicht, wie. Absprungbereit wie sie war, musste sie sich in ihn verlieben. Auch Martin wirkte verknallt, und wir, die Tante und ich, hatten ein Problem. Martin war natürlich ein netter Junge, doch er wollte Luise für sich haben. Tante Anne war auf ungeschickte Weise dagegen und wollte meine Vermittlung in Anspruch nehmen. Doch meine Warnungen, die nicht ganz ernst gemeint sein konnten, denn ich verstand Luise, mussten in den Wind geschlagen werden.

Es geschah, was geschehen musste: Luise und Martin verschwanden für immer. Die Tante haderte mit ihrem Schicksal. Ihre aufopfernde Mutterrolle hatte nicht gefruchtet. Luise und Martin waren nach Gretna Green aufgebrochen und kamen als minderjährig verheiratete nicht mehr zur Tante zurück. Als ich nach einiger Zeit von Tante Anne eine Telefonnummer in Italien erhielt, war Luise schwanger. Ich rief sie an. Sie beendete das Gespräch mit mir sehr schnell und sagte mir, dass ich sie verraten habe. Seit dieser Zeit grüble ich gelegentlich darüber nach und versuche, herauszufinden, was ich falsch gemacht habe.

Ein ganzes Leben ist nun vorbei: Ich googelte zuerst nach Martins prominentem Vater. Er starb in den Achtzigerjahren. Auch Martin wurde Schriftsteller. Bei Wikipedia fand ich ihn und erkannte ihn sofort auf dem Foto. Aber, wo war Luise? Er starb vor ein paar Jahren. Seine Bücher sagten mir nichts. Kinder wurden keine erwähnt, und die große Liebe seines Lebens auch nicht. Seitdem frage ich mich, was aus Luise geworden ist. Ich wäre auch gerne ihr großer Bruder geblieben, aber, das Schicksal muss irgendwo eine scharfe Linie gezogen haben. Die Zeit mit Luise war kurz und schön.








Freitag, 15. November 2013

Wiener G'schichten - Fauler Weihnachtszauber?

Alle Jahre wieder……das gleiche Rennen um die Gunst des Verbrauchers, mit dem Vorzeichen: Lasst es glitzern, lasset die Kleinen mit leuchtenden Augen ins Staunen geraten. Wien bereitet sich fest auf das Fest vor.  Das Zentrum um die Kärtnerstraße und den Graben, wo täglich Zigtausende herumlaufen, hat es besonders schwer: es müssen Prachtbeleuchtung aufgehängt und Schmuckkübel erstellt werden.
Kärntnerstraße, unbeleuchtet

Das hat jetzt begonnen, ist aber noch nicht fertig. Wenn sich eine alte Schönheit herausputzt, will jeder einmal hinsehen. Die Stadt wird weihnachtlich aufgebrezelt. Eigentlich begann die Aufbrezelung in den Supermärkten, die wild entschlossen schon im August, vielleicht noch etwas schüchtern, mit der Auslegung der ersten rötlich-golden glänzenden Ware den Anfang gemacht haben. Lebkuchen hier, Marzipankekse da. Die festliche Massenware braucht ihre Anlaufzeit. Im November dann wird Glühweinstimmung verbreitet. Die Auslagen in den Schaufenstern bekommen neuen Glanz.


Für den Gourmet-Punschstand am Stephansplatz ist bereits gesorgt. Getrunken wird immer. Und auch "Wolferl" (Amadeus Mozart) lässt's krachen, mit einer fetzigen Zauberflöte in der Oper. Und der Wahl-Russe Gérard Depardieu ist heuer bei der Weihnachtsmarkteröffnung dabei. Dabei gibt es in Wien allein 21 Advents- und Christkindlmärkte. Wer da nicht schwach wird, hat kein Geld in der Tasche. Gérard ist mit Tochter Roxane da, und er trifft eine echte Obama-Halbschwester. Man sieht, es weihnachtet sehr.
Frühgeburt???

Wo ist eigentlich das kleine Jesulein geblieben? Ach ja, Mary müsste jetzt im neunten Monat schwanger sein. Da haben wir noch ein wenig Zeit, die wir uns mit Schleckereien vertreiben können. Rechtzeitig Geschenke einkaufen nicht vergessen! Sonst gibt's was auf die Finger. Schließlich machen wir das alles nicht umsonst!


Sonntag, 10. November 2013

Pumpernickel - Kommissbrot - Baguette

Für mich liegen die Dinge relativ klar: Gutes Brot liebe ich abgöttisch, vor allem, das ganz frische. Viele Länder haben überhaupt kein essbares Brot. Das kätschige Zeug, mit dem man diese dreieckigen weissbrotartigen Stullen herstellt, womöglich mit Ei und Käse belegt (Salatblatt nicht vergessen!), kann mir gestohlen bleiben. Viele Länder sind damit zufrieden. Eine Brotkultur möchte ich das nicht nennen. Auch wenn Salz systematisch weggelassen wird, wie in Italien oder Spanien, gefällt mir das nicht. Brot ist eine Weltanschauung. Dazu gehört Salz.


Pumpernickel ist Ansichtssache. Wie Katholisch oder Evangelisch. Man kann es sich aussuchen, aber man muss sich entscheiden. Wer Pumpernickel mag, der mag auch viel Butter drauf mit Honig oder Schinken. Warum die Franzosen glauben, Napoleon oder einer seiner Kavalleristen hätte, verächtlich und mit nachgemachtem deutschem Akzent, gesagt, Pumpernickel sei "du pain pour Nickel", Brot für sein Pferd Nickel, weiß ich immer noch nicht. Man soll auch gesagt haben "Bon pour Nicole", was auch ein Pferd gewesen sein soll. Es spielt keine Rolle. Der große französische Welteroberer kann es nicht gewesen sein, denn das Wort Pumpernickel stammt aus dem 15. Jahrhundert. Nach einer Ausgabe der Leipziger Illustrierten Zeitung soll ein Stadtrat aus Osnabrück dieses Brot selbst gebacken und unter seine hungernden Mitbürger verteilt haben. Das war lange vor Napoleon, nämlich 1450. "Bonus piniculum" wurde es genannt: Aus dem Lateinischen in etwa übersetzt: gutes kleines Brot.

Das Kommisbrot hingegen scheint aus dem Gebrauch gekommen zu sein. Ich liebte dieses kastenförmige, leicht säuerliche und eigentlich fast immer frisch schmeckende Brot. Das muss ein Brot aus der Kriegszeit gewesen sein, das die Soldaten leicht mit sich tragen konnten. Dick mit Butter bestrichen, dazu eine gute Konfitüre oder Mettwurst: Nichts macht glücklicher. Wo ist dieses Brot geblieben? Ein Opfer der industriegesteuerten Erneuerungssucht? Vielleicht hat dieses bescheiden aussehende Brot den üblichen Sprung in die Höhe nicht geschafft, was den Preis betrifft. Die zahlreichen anderen Brotsorten, vor allem die mit dem Drei-bis-fünf-Körnermythos, haben die Preiserhöhungen seit Einführung des Euro gut mitgemacht.

Als wir in Frankreich lebten, war die Baguette, das französische Stangenbrot, fast die einzige, aber ganz gute Lösung. Zum Frühstück, das in Frankreich meist recht bescheiden daher kam (Tasse Kaffe, Stück Baguette, Butter und Marmelade) war dieses Brot immer willkommen, auch zu allen anderen Mahlzeiten. Kritisch wurde es gegen Abend, wenn man die Morgenbaguette zu Ende essen wollte. Sie war dann trocken und wurde oft weggeschmissen, was mich wütend machte.


So hat jedes Land seine eigene Brotkatastrophe. Die einen haben nicht genug, die anderen werfen es weg, wenn es ihnen nicht mehr schmeckt. Für mich ist Brot eine Grundnahrung, der man den nötigen Respekt zollt. Wir sollten auch wissen, wie glücklich man in einem Land sein kann, in dem es frische Brötchen und Brezeln gibt. Weite Teile dieser Welt haben das noch nicht begriffen. In Deutschland soll es über 300 Sorten Brot geben. In Frankreich über 300 Sorten Käse. Und Österreich, vor allem Wien als Großstadt, hat brotmäßig seine Unschuld bewahrt: keine 300 Sorten, dafür aber meist gutes Brot. Bäckereien an allen Ecken und Enden. Und für Weizenmehlunverträglichkeit gibt es überall Dinkelbrot, das nicht wie ein schlechter Ersatz schmeckt, sondern fast süchtig machen könnte. Wien als Weltmeister im Brotbacken.








Donnerstag, 7. November 2013

Paula, dein Brot für die Welt!

Wie schön, Vorbilder zu haben. Meine Mami war die beste Köchin. Ich ihr liebster Esser. Erst viel später entdeckte ich Paula Horn, das Vorbild meiner Tante. Sie machte Tantchen zu einer geachteten Hauswirtschaftsschuldirektorin. Und veröffentlichte 1925 ein Kochbuch, das sich auch heute noch sehen lassen kann. Hierin beschreibt sie die Nahrungsmittel, den menschlichen Verdauungsvorgang, beschreibt an die 40 Suppen, über 50 Fleischspeisen, alle Gemüsearten, Kartoffelspeisen, Mehlspeisen, Eierspeisen, Fische, Salate, Beigüsse, Nachspeisen und Backwerk.

"Das Brot ist von jeher das wertvollste Nahrungsmittel der Völker gewesen", sagt Paula zu Anfang ihres Kapitels über "Brotbereitung". Über 300 Brotsorten soll es allein in Deutschland geben. Dank einer emsigen Brotindustrie schmecken die meisten Sorten irgendwie gleich (schlecht). Paula unterschied zwischen 5 Hauptsorten: Weiß-, Grau-, Schwarz-, Kleiebrot und Pumpernickel (was Napoleon als "Pain pour Nickel" in den Mund gelegt wurde, was aber nicht stimmt). Dann gibt es noch Knäckebrot, eine gute und gesunde Alternative aus Skandinavien.

Selberbacken war Paulas Devise. Seitenlang beschreibt sie Mehlmischung, Triebmittel, Teigbereitung, Teigbearbeitung, Backofen, Backzeit, Aufbewahrung, Verwendung und Verdaulichkeit. Hier fehlt nichts zum perfekten Backen von Brot, außer der notwendigen Zeit. Kleiebrot, mit der Unterabteilung Grahambrot, sowie Pumpernickel, sind der Renner, was die oft träge Verdauungsarbeit des Körpers betrifft. Als Triebmittel benutzt man für alle Brote Hefe oder Sauerteig. (für 1Pfund Mehl  3-4 g Hefe, die nicht alt sein soll). Ein Vorteig entsteht durch Hinzufügung von lauwarmem Wasser. "Mit einem kleinen Laibchen Sauerteig, der eine große Menge Gärungserreger enthält, lassen sich gut etwa 10 Pfund Mehl treiben", sagt Paula Horn, etwas selbstsicher. Der Vorteig, der über Nacht aufgegangen ist, wird mit Salz bestreut und gut durchgearbeitet, unter Beifügung von Mehl und lauwarmem Wasser. Im Sommer ist der Teig dann nach 1-2 Stunden voll aufgegangen. (Winter: 2-3 Std. zum Gehen). Der Backofen soll 200 bis 250 Grad heiß werden, dann ist das Brot nach 1 1/2 bis 2 Stunden fertig.


Wir werden jetzt nicht zu Paulas Kartoffelrezepten übergehen, sondern kosmopolitische Erkenntnisse aufzeigen: In Montreal hat es in den Achtzigerjahren im Zentrum nur noch einen richtigen (Schweizer) Bäcker gegeben, obwohl alle Welt das ganz herrlich fand. New York ist ähnlich gestrickt. Andere Großstädte sind im Zentrum auch zu teuer, um noch kleine Bäckereien zu erlauben. Daher die Brotindustrie. Ähnlich wie beim Metzger kommt es beim Bäcker vor allem auf das handwerkliche Können an. Das merkt man an der Baguette in Paris, eine Köstlichkeit, wenn knatschfrisch. Hier in Wien, wo es an jeder Ecke noch Bäckereien gibt, ist man verwöhnt. Das herrlichste Brot macht eine Bäckerei namens Joseph. Das Dinkelbrot von Joseph ist das allerbeste Brot von Wien: schweineteuer, aber saugut!


Dienstag, 5. November 2013

Milliardärsgetümmel und Sparbuchraub

Was hört man da? Der IWF soll angeregt haben, dass zur Sanierung von Staatsfinanzen (EURO-Krise) 10% der Guthaben auf Sparbüchern abgezogen werden? Damit könnte man - so der Gedanke - den Schuldenstand der EU-Länder auf das Niveau von vor 2007, also vor der Krise, zurückführen. Der Internationale Währungsfonds spekuliert sogar darauf, dass die Opfer (das sind die Guthabenbesitzer) dieses als akzeptabel ansehen würden, wenn ihnen glaubhaft versichert würde, dass dieser Diebstahl einmalig bliebe. Es kann sich hier doch nur um ein dreistes Gedankenspiel handeln. Oder ist es so etwas wie ein Versuchsballon, der die Bereitschaft der Sparer testen soll?

War nicht die Einführung von Abgaben auf die Zinseinnahmen schon ein illegales Unterfangen? Wie kann man bereits versteuerte Einnahmen nochmals besteuern? Die Unbetuchten sind dadurch zwar kaum berührt, weil ihre Zinseinkünfte zu gering sind. Aber auch Wohlhabende sollten in dieser Sache nicht diskriminiert werden. Anders ist es jedoch mit den 10% auf alle Sparguthaben. Nur, man kann sich kaum vorstellen, dass Superreiche ihr Vermögen in Sparbüchern herumschleppen. Da sind doch eher die Cayman Inseln, Jersey oder die Schweiz als Steuerparadiese gefragt.


Das Empörende ist, dass die Milliarden der einen genau die Milliarden sind, die den anderen fehlen. Ein Finanzplatz wie New York hat eine Fifth Avenue, wo die Begüterten fast unter sich sind. Dort soll es über 400 000 Dollarmillionäre geben, die sich das Wohnen in ultrateuren Apartments leisten können und in der physischen Nähe ihres Geldes sein wollen. Denn Geld macht glücklich, und ein glücklicher Millionär ist doch auch etwas Schönes. Allein in New York vermutet man auch etwa 50 Milliardäre. Da bleibt einem kleinen Habenichts der Hummer im Hals stecken, zumal in NY 67% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben soll! Unglaublich.

Auch das wohlhabende Österreich verfügt über ein Bruttofinanzvermögen von fast 500 Milliarden Euro (Spareinlagen, Lebensversicherungen, verzinsliche Wertpapiere, Zertifikate, Aktien usw.) . Das würde bedeuten, das 10% davon weggenommen würden. Für Deutschland wären die Beträge noch eklatanter. Eigenartig, dass man bei der Findung einer Regierungskoalition nach den Wahlen, sowohl in Deutschland als auch in Österreich, nicht mehr davon spricht, die Reichen zur Kasse zu bitten.

Das einzige, worauf noch Verlass ist, ist der fehlende Todeswunsch der Politiker. Die wollen ja eigentlich, vielleicht, eines Tages wieder gewählt werden.

Sonntag, 3. November 2013

Paula, ich darf doch "du" zu dir sagen?

Ich weiß, es ist ein wenig respektlos, doch habe ich meine Gründe. Als dein Buch herauskam, das war 1925, schriebst du im Vorwort: …"Möge es allen , die es benützen, ein Ansporn zum denkenden Arbeiten beim Kochen sein und so zur Hebung der Volksgesundheit mit beitragen". In deinem Vorwort zur 3. und 4. Auflage, schon zwei Jahre später, dankst du verbindlichst einem Geheimen Hofrat namens Professor Dr. Dreßler für die wertvolle Erweiterung "meines Büchleins" durch einen Anhang für Säuglings- und Kleinkindernahrung.

Du warst Vorsteherin des Badischen Fortbildungsschullehrerinnenseminars und somit bestens berufen, ein Kochbuch mit Nahrungsmittellehre zusammenzustellen. Von meiner geliebten Tante Maria, die hohes Alter (93), nicht moderne Fastfood, hinweggerafft hat, weiß ich, dass sie bei dir die damals moderne Küche studiert hat. In Karlsruhe, einst Hauptstadt von Baden. Das Unwort "Fortbildungsschulleiterinnenseminar" ist bei meinem Tantchen nie gefallen, doch hat sie selbst unverdrossen, auch über die nahrungsarmen Jahre hinweg, dafür gesorgt, dass der Hausfrauennachwuchs in die Kunst des modernen Kochens eingewiesen wurde. Oft bin ich jüngeren und älteren Frauen begegnet, die das hohe Lied meiner Tante sangen, und damit auch das der Paula Horn.

Auch Napoleon muss in Baden kulinarisch etwas geleistet haben, sonst gäbe es die badische Schneckensuppe nicht, die wohl ein Import aus Frankreich sein muss, obwohl ich in la douce France nie so etwas zu Gesicht bekommen habe. Ein gewisser Einfluss auf die badische Küche ist nicht zu leugnen, wobei der badische Garten alles hervorbringt, was eine (fast) mediterrane Küche benötigt, vor allem, alle Kräuter, die man sich denken kann.

Ausgekochte Rezepte


Dieses Buch von Paula Horn besitze und hüte ich wie meinen Augapfel. Apfelschnee ist denn auch ihr Vorschlag für eine Essenfolge an einem Sonntag im Herbst: Blumenkohlsuppe, Schweinebraten, Rotkraut, Kartoffelbrei, Apfelschnee, Vanillestängele. Wie, was, wann zuzubereiten ist, steht bei Paula, für mich DIE Autorität beim Kochen. Einzelpreis des Kochbuchs, gebunden, 224 Seiten, RM 2.60. Bei 100 Stück: 2,20 Reichsmark. Verlag Boltze, Karlsruhe. Das waren noch Zeiten.

Samstag, 2. November 2013

Die Verschärfung des Tons

Wir kennen es aus der Tagespresse: ein Wintereinbruch wird schnell zum Killerwinter. Der normale Regen ist schon längst zum Starkregen mutiert, und eine leichte Verschiebung der Prozente bei Wahlen kann zum Erdrutsch gestylt werden. Inflationäre Schauerbegriffe sind auf der Tagesordnung. Und ein "harmloser", etwas dusseliger und prunksüchtiger Kirchenmann bekommt sein Fett weg, indem man ihn als Protzbischof bezeichnet. Wir haben uns daran gewöhnt. Wären jedoch glücklich, wenn im Supermarkt (der Eitelkeiten) der ganz banale Schinken einfach Schinken wäre und nicht Gourmetschinken. Mehr und mehr nennt man dieses Zeug auch italienisch Prosciutto, in der Annahme, der Verbraucher sei so blöd und würde ihn mit Prosciutto di Parma verwechseln. Deshalb ist alles heute irgendwie Tsunami.

Was damit einhergeht ist allerdings beunruhigend. Wer die Gesprächsfetzen auf der Straße oder in der U-Bahn aufschnappt, stellt schnell fest, dass kaum noch jemand eine normale Sprache führt. Es wird in Floskeln gebrabbelt. "Tschao, wir sehn uns". Dazu kommt eine Werbesprache, die kreativ sein möchte, jedoch in dümmlichen Floskeln daherkommt. "Wir lieben die Natur". "Mit dem Zweiten sieht man besser (konservativ)". Haben wir das nicht satt? Werden wir noch respektiert oder nur noch veralbert?


Nicht, dass eine Sprache sich nicht verändern würde. Anpassen an neue Situationen, ja, doch vorgeplapperten Mist nachplappern bedeutet keinen Fortschritt. Und einen Satz mit unverstandenen oder unnötigen Anglizismen anreichern, geht genau in diese Richtung. Nämlich den Untergang einer Sprache, die eigentlich Ausdruck einer Identität sein sollte. Auch die Engländer, die ja stolz darauf sein können, dass alle Welt englisch spricht, sind von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Die meisten Neuschöpfungen kommen von irgendwo her, nicht aus England, das eigentlich Großbritannien heißt. Das deutsche Wort "Airbag" für Prallsack hat sich schließlich weltweit durchgesetzt, weil dieser Sack in Deutschland durch den Ingenieur Walter Linderer 1951 zum Patent angemeldet wurde. Was für ein unsagbarer Widersinn! Wir sollten mehr darauf achten, was wir in der U-Bahn oder am Handy (Händi=Mobilfon) sagen.


Freitag, 1. November 2013

Wiener G'schichten - das Luxusdachgeschoss

Bei den Vögeln gibt es eine Rangordnung: je schneller und je Raub, desto höher und mächtiger. Der Adler soll als Beispiel dienen. Oder der Aasgeier. Sie lieben luftige Höhen. Wenn sie eine Beute ergattert haben, sei es eine kleine Maus oder ein unschuldiges Häschen, dann entschweben sie damit. Sie lassen sich auf dem höchsten Berg nieder, den sie erspähen. Grandios, das Gefühl, ganz oben zu sein und auf alles herunterblicken zu können.

Hofburg, unbewohntes Penthouse?

Könige, aber auch kleinere Herrscher, besitzen eine Burg oder ein Anwesen, das einen grandiosen Überblick über die Niederungen der Umgebung gewährt. Das ist menschlich und daher zutiefst mit den finanziellen Mitteln verbunden, die man zur Verfügung hat. Wohlhabend heißt oben, arm dagegen: unten.
Diskretion zugesichert

Das Streben nach einer Dachwohnung ist vielen Stadtbewohnern eigen, die gerne komfortabel im Zentrum leben, wo die Musik spielt. Nur die besser Betuchten können sich das leisten. Fünf Millionen, oder mehr, für ein Penthouse, das gerade 100 Quadratmeter misst. Die Lage muss aber dann verwirrend schön sein. Vielleicht noch ein kleiner Pool dabei? Fahrstuhl in den 7. oder 8. Stock auf jeden Fall.

Stadtresidenz

Aber, bitteschön, nicht protzig. Von unten sollte man so gut wie nichts sehen. Höchstens ein paar Sträucher, die über eine Terrasse hängen. In Wien, und nicht nur in der Stadtmitte, gibt es unzählige solcher Luxusdachwohnungen, die für den sterblichen Mieter unerschwinglich sind. Am besten, man ist Besitzer von so etwas, denn Mieten können unverschämt hoch sein. Der Schlüssel zum Fahrstuhl, den sonst niemand nutzen kann, gehört dann zur Ausrüstung. Es wäre interessant, zu erfahren, wie viele Menschen der "gehobenen" Klasse im Stadtzentrum wohnen. Wahrscheinlich mehr als Obdachlose, die gerade jetzt, wo der Winter kommt,  aus den Parks verscheucht werden.