Sonntag, 31. Juli 2011

Altbackener Thannhäuser, Arschloch aus Freiburg

Man erlebt vieles, wenn man zur Ferienzeit den Rückweg antritt. Dreispurige Autobahnen, Zähfluss und  Drängelei. Ein ständiger Verstoß gegen Menschenrechte. Da Fahren wir dreireihig in Richtung Süden, aus Dresden kommend, vorne Autos, hinten Autos. Ich mit etwa 130 gemächlich am Überholen. Da sehe ich ihn: direkt hinter mir, die Scheinwerfer wütend aufgeblendet, etwa 2 Meter von meinem Auspuff entfernt. Lichtblitze schleudernd, versucht er an mir vorbeizuhetzen, was nicht ging, weil, wie gesagt, ich in einem dreispurigen Fahrprozess gefangen war, genau wie jeder andere.

Da ich in jungen Jahren schon gelernt habe, dass man andere Menschen mit Respekt behandelt und dass Nötigung eine Sauerei ist, gegen die man mit aller Energie angehen muss, beschloss ich, meinen Vorfahrern das nicht anzutun, nämlich, unter Gefährdung der Mitfahrer, mit 130 nach recht rüberzudrängeln, um den wildgewordenen Hintermir vorbeizulassen. Also tippte ich kurz die Bremslichter an, ohne zu bremsen, verschaffte mir zu diesem Rasenden etwas Abstand. Dann machte ich es mir gemütlich: ich fuhr und fuhr, und als der Verkehr wieder etwas lockerer lief, beendete ich meinen mir selbst endlos erscheinenden Überholprozess so gemächlich wie es ging. Dann schoss er hervor, wutentbrannt und von mir für immer gedemütigt: ich konnte nur noch die Marke und die Nummer erkennen: ein silbrig glänzender Jaguar (was für ein schönes Auto) mit Freiburger Nummer: Arschloch, dachte ich, und fuhr ohne weitere Zwischenfälle weiter.

Dann waren wir, Cath und ich, auf der Höhe von Bayreuth angekommen, das Radio trällerte, und ein Kommentar begann, sich über eine missglückte Aufführung des Thannhäuser zu beklagen. Buhrufe hatte es gegeben. Noch rechtzeitig konnten wir abbiegen und in einen nahegelegenen Ort fliehen, ein bayrisches Bad Soundso, wo wir gerade noch ein Zimmer bekamen, denn auch dort war Wagnerstimmung, und, wer in Bayreuth keines mehr bekam, konnte, mit etwas Glück,  in der Umgebung noch eines finden. Wie schön, dass einem da die fast leere samstägliche Autobahn wie eine Oase des Friedens vorkommt, vorausgesetzt, es schrammt nicht gerade ein hirnloser Raser mit seinem testosterongeschwängerten, hochzylindrischen Boliden an dir vorbei. So betrachtet, war es eine gute Entscheidung, Dresden mit dem Auto zu besuchen und Bayreuth wieder einmal nicht. Schließlich gibt es immer noch die gute alte Schallplatte mit den endlosen Rillen, voll von Thannhäuser, Parzival und Fliegendem Holländer.

Samstag, 23. Juli 2011

Die Lebensmittelindustrie stürzt sich ins Unglück




Wir wollen jetzt nicht mit den grässlichsten Beispielen von Etikettenschwindel in den Supermärkten aufwarten. Nur das Alltägliche, das immer wieder verärgert. Vieles ist ja schon bekannt und löst beim Käufer oft kalte Wut aus. Anderes kommt hinterhältig daher, oder hilflos pompös: Warum gibt es keinen normalen Schinken mehr? Nur noch Premium, Delikatess, Gourmet? Dabei schmeckt der einstige Parmaschinken jetzt wie der Schwarzwälder oder der Serrano, das heißt, fast gleich, und die Preisunterschiede rechtfertigen sich nur durch die hochtrabenden Bezeichnungen. Man fühlt sich an der Nase herumgeführt.

Oft liegen gleiche Waren mit unterschiedlichen Preisen nebeneinander und dann, unauffällig daneben, eine Variante, bei der die Preisangabe "vergessen" wurde. Die erweist sich dann an der Kasse als die teuerste. Ist das anständig? Wie oft verfluche ich auch das Wort "frisch". Was ist eine Frischetheke? Wer definiert was frisch ist? Wie alt ein Frischei sein kann, wissen wir. Und warum werden manche Früchte in 100 Gramm-Mengen ausgezeichnet? 100 Gramm Kirschen, 79 Cent. Das bedeutet, der Kilopreis von 7.9o € (DM 15,80) erweckt Schamgefühl. Und so weiter, und so weiter.

Dass jetzt die Lebensmittelhersteller gegen die von den Verbraucherzentralen eingerichtete neue Internetplattform Sturm laufen, ist ein Hoffnungsschimmer, denn das zeigt, wie beunruhigt die Branche ist. "Lebensmittelklarheit.de" heißt die Seite, die dem König Kunde jetzt die Möglichkeit geben soll, seinem Ärger Luft zu machen. "Wir halten uns an die Gesetze und wollten nicht von irgendwelchen Miesmachern an den Pranger gestellt werden", sagen die Sprecher. Andere sehen bereits eine Pranger-Hysterie auf Seiten der Mampfproduzenten. Natürlich lassen die laschen Gesetze allerhand Raum für
Lügen, Manipulationen, Zweideutigkeiten und ähnliches. Muss das ausgenutzt werden? Alles geht bisher zu Lasten des Verbrauchers.

Eine eigenartige Erfahrung machten wir bereits: die Bürger Tunesiens, Ägyptens und anderer Länder im Aufruhr, haben ihre Motivation für den Protest weitgehend aus dem Internet bezogen und dort ihre Informationen erhalten. Wenn der deutsche Verbraucher seinem Ärger nun mehr Luft verschaffen kann, mag das die Lebensmittelindustrie zwar zum Erzittern bringen, andererseits aber wird der König Kunde bald auch mehr Ehrlichkeit auf seinem Teller sehen. Weniger Frischegedöns und Premiumgesäusle und mehr Wahrheit. Das ist es, was diese Internetseite bewirken kann. Je größer der Kundenärger, desto Tsunami die Welle der Empörung. Ich werde mit Genuss daran teilnehmen, um auf lange Sicht eine Premiumlösung für diesen permanenten Schwindel mit bewirken zu können. Guten Appetit.

Mittwoch, 20. Juli 2011

Murdoch, Vater und Sohn - die Unschuld vom Lande





Nun, kriminelles Tun wird nicht immer geahndet. Wir wissen das schon. Was jetzt passiert ist, ist aber einmalig: Vater und Sohn, schwerreich und daher kaum angreifbar, bei denen das gerade wegen krimineller Machenschaften aufgegebene Massenblatt "News of the World"  angeblich"nur" 1 % ihres gesamten Geschäftsgebarens ausmacht, standen Rede und Antwort vor einem Ausschuss des britischen Parlaments in London. Wer in seinem TV-Angebot den sonst langweiligen BBC-World-Sender hat, konnte am 19. Juli über Stunden mitverfolgen, wie die beiden Medienmogule versuchten, sich aus der Affäre zu winden. Ein recht originelles Spektakel mit einigem Unterhaltungswert. Über 50000 Mitarbeiter hat dieser Konzern, weltweit.  Da kann man den Überblick schon mal verlieren. "Diese Frage sollte besser mein Sohn James beantworten" sagte Vater Rupert des öfteren auf die Fragen der Abgeordneten. "Ich kann mich nicht an Einzelheiten erinnern". "Könnten sie diese Frage mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten?", wurden sie mehrmals gebeten.  Pustekuchen. Die Herren waren so geeicht, dass auch der härteste Vorwurf ihnen nicht beikommen konnte.

"UK Telephone Hacking Scandal" war der Titel dieser Sendung. Die Befrager bemühten sich sichtlich, den moralischen und den rechtlichen Untergrund dieses Skandals zu erhellen. Vater Rupert antwortete in etwa: "ich habe nichts gewusst und bin nicht verantwortlich, wenn Mitarbeiter der unteren Ebene meine Gutgläubigkeit missbrauchten. Sie sollen dafür zahlen. Namen kann ich keine nennen." Er bedauert das alles sehr und will bei der Aufklärung helfen. Das haben wir auch bei Roland Koch aus Hessen zu hören bekommen, bei dem Millionen Spendengelder unversteuert in der Schweiz gebunkert wurden, angeblich von jüdischen Parteifreunden gespendet, die diskret bleiben wollten. Die von Koch in Aussicht gestellte "brutalst-mögliche Aufklärung" hat nie stattgefunden. In einer anderen anrüchigen Affäre, in die ein französischer Frauenfreund namens Strauss-Kahn verwickelt sein soll, erleben wir ebenfalls ein seltsames Benehmen, das Schuldzuweisungen auf die Seite der Opfer hinüber transportiert. Natürlich kann man die Anklage von Opfern mit Geld aus der Welt schaffen. Das wird in all diesen Fällen geschehen, wobei die Koch-Stelle inzwischen der Vergesslichkeit anheim gefallen ist.

Im Falle Murdoch müssen wir aufpassen, dass die Herren ihre Pläne nicht einfach fortführen: VIPs, Politiker, und Opfer von Verbrechen wurden ausgehorcht von bezahlten Fachleuten, die dann Intimstes aus deren Leben auf der Titelseite dieses Revolverblattes ausbreiteten. Waren es Journalisten? Detektive? Bezahlte Schnüffelfirmen? War die Polizei bestochen, wenn sie Anschuldigungen nicht verfolgte? Wenn alle mauern, ableugnen, sich nicht erinnern, wie soll da Gerechtigkeit entstehen? Zwei verschiedene Entwicklungen wollen Beobachter nun sehen: die einen glauben, dass jetzt das Maß voll ist und gesetzliche Maßnahmen dem Murdoch-Tun einen Riegel vorschieben werden, die anderen vermuten, dass so viel Geld, gepaart mit krimineller Energie, einen neuen Ausweg finden wird. Ähnlich dem, was wir gerade erleben. Es wird also weitergemacht wie bisher. Wir wissen nur nicht, wo, wie und wann. Die Körpersprache von Vater und Sohn sprach tatsächlich Bände: Lügen, Lügen, Lügen. Wir sind unschuldig, unschuldig, unschuldig.

Ein anderer Gegensatz, der auffiel: einerseits gespielte Zerknirschtheit auf den Gesichtern. In einer abgelesenen Schlusserklärung machte Vater Murdoch sich geschickt zum Sprecher der Opfer. Einige spekulierten sogar, dass die Murdochs, die schon immer Politiker und sonstige Abhängige bei sich "antanzen" ließen, nun auf einer Art Anklagebank zu sitzen kamen. Eine herzhafte Umkehrung der Verhältnisse.
Andererseits konnte man sehen, wie innerlich empört diese Herrschaften waren, von kleinen parlamentarischen Piefkes mit unbotmäßigen Fragen angemacht zu werden. Wahrlich, ein einmaliges Spektakel, das nach meinem instinktiven Vermuten, wie das Hornberger Schießen verlaufen wird: erst  die Murdochs sich klein gemach und reuig gezeigt. Dann werden sie Pläne aus dem Hut zaubern und ihre finanziellen Mittel voll zum Einsatz bringen. Bei Bedarf kann man ja Strohmänner bemühen. Unschuldslämmer anheuern, unzimperliche Steigbügelhalter rekrutieren und noch sichtbarer Gutes tun. Das beeindruckt immer. Ich, für meinen Teil, werde auch weiterhin versuchen, herauszubekommen, welche Unternehmungen zum Murdochkomplex gehören, um diese zu boykottieren. Viel mehr können wir nicht tun. Auch die Bildzeitung hat schon immer auf meine Groschen verzichten gemusst. Übergroße Titten kann man auch woanders sehen.

Montag, 18. Juli 2011

News of the World - die Welt der Neuigkeiten



Das hätten sie nicht gedacht, die Murdochs, dass ihr Kartenhaus zusammenfallen könnte. Dieses Wochenblatt, manche nannten es schon vor Jahren eine Dreckschleuder, musste den Geist aufgeben. Es ging nicht mehr, und das Blatt gibt es nicht mehr. Ein Geisterblatt. Zuerst wurde ruchbar, dass News of the World Menschen aller Art ausspionierte, um Grässliches, Perverses, vor allem Privates berichten zu können. Nein, dieses Mal ist es kein Zunami, kein Reaktorversagen, kein Erdbeben oder Vulkanausbruch als Schlagzeilenträger, sondern etwas Ähnliches. Die Bildzeitung von der Themse ist zu weit gegangen, und Politiker, Ordnungshüter und verantwortliche Schreiberlinge haben mitgemacht.

Unter dem Vorwand, helfen und vor allem der gerechten Sache zum Sieg verhelfen zu wollen, wurde ein Abhörsystem und Bestechungswesen errichtet, dem sogar die Polizei sich nicht versagen konnte.
Jetzt wimmelt es an der Themse von Krokodilen, die ihre Tränen tröpfchenweise verschütten. Zuerst wurde pompös ein Skandalblatt zu Grabe getragen, mit viel Entschuldigung: "Sorry, wir haben es nicht gewusst, nicht gewollt und nicht gesehen". Der Oberste Polizeipräsident, Sir Paul Stephensen, trat zurück. Er hatte die Gunst des ehemaligen stellvertetenden Chefredakteurs, Neil Wallis, freundschaftlich entgegen genommen. Scotland Yard kann jetzt "ungehindert und unbeeinflusst" (?) recherchieren und vielleicht noch mehr strafrelevanten Unrat zutage fördern.

Der Premierminister, ein untadeliger Konservativer, seinerseits, hat mit der News of the World-Vortsandsvorsitzenden, Rebekah Brooks, eng zusammengearbeitet. Jetzt steht auch er im Verdacht, den ganzen Horror zumindest toleriert zu haben. Genug der Aufzählungen. Es wird noch mehr ans Tageslicht kommen. Die allgemeine britische Empörung wir ein übriges tun, um Neues bekannt werden zu lassen. Ein gutes Nebenprodukt des Skandals ist es, dass Murdoch sich Sky News, einen privaten Fernsehkanal, nun nicht einverleiben kann, wie dies schon fest eingeplant war. Dann hätte er einen ähnlichen Einfluss erzielt, wie Berlusconi, der italienische RAI-Herrscher, unter dem seit langem kein politisches Magazin oder eine sonstige kritische Meinungssendung gedeiht. Die Murdoch-Affaire muss von uns allen bis ins Detail verfolgt werden, denn wir haben es schon lange mit seichter, unterschwelliger Globalisierung zu tun. Kein Niveau kann so niedrig sein, dass es nicht, meist von privaten Medien praktiziert wird.

Haben wir nicht schon seit einiger Zeit das Gefühl, dass der Bürger als Konsument stark herabgesetzt, ja vertrottelt, wird? Medien respektieren die Privatsphäre nicht, Politiker verplempern Unsummen für Mogelprojekte, die Kirchen sind ganz einfach verstummt, zum Beispiel, wenn es um Missbrauch geht, Konzerne spielen sich als Schützer der Umwelt und Hüter der Gesundheit auf. Dabei ist es wurst, ob jemand schwarz oder weiß, katholisch oder muslimisch, Deutscher oder Italiener, schwul, hetero oder gar nichts ist: wir müssen mehr darauf achten, nicht vereinnahmt, verbraten, verarscht und ausgenommen zu werden. Die Gefahren scheinen überall zu lauern. Mehr Mut gegen die Zunamis unserer Profitgeiergesellschaft. Das wär's. Krokodilstränen können wir den anderen überlassen.

Dienstag, 12. Juli 2011

Die Schlange, wie schön!




Nein, es wird nicht von jener Politikerin gesprochen, die manchmal in die Kameras züngelt, man solle doch das Angebot wahrnehmen, das die Regierung so großzügig der beharzten Bürgerschaft zur Verfügung stellt. Auch ist nicht die gemeint, die in Spanien den Erreger gefunden zu haben glaubte und dann wieder für Wochen in den Alltag abtauchte. Schon gar nicht die, der auf seltsame Weise der Doktortitel abhanden gekommen ist und die nun doktorlos ihr europäisches Mandätchen weiter betreuen muss.

Schlange stehen, ja, das kommt manchmal schon vor. Man kann dann trotzdem das gebrechliche Etwas, das kaum die Handtasche halten kann, oder die gehetzte Jungmutter mit Baby vorlassen. Niemand hat etwas dagegen. Gelegentlich muss man allerdings nach hinten treten, wenn ein Übereifriger drängelt, der den Abstand nicht halten kann. Im Land der englischen Königin ist das schlange Stehen (?) schon immer Teil der Volksmentalität gewesen. So weit würde ich nicht gehen. Wichtig ist der Respekt vor dem wartenden Mitmenschen. Meist bekommt man den gewünschten Artikel (selbst wenn es eine Kinokarte ist) auch als letzter in der Schlange noch. Dennoch muss ich mich an eine Stehschlange in Moskau erinnern, wo es am Ende gar nichts gab: es waren Zwetschgen angekündigt, die auf einem Fahrzeughänger lagen und im Straßenverkauf angeboten wurden. Das war in der Zeit kurz nach dem Eisernen Vorhang. Hoffnungsfroh wartete die Schlange. Aus Neugier stellte ich mich an, bis ich sah, dass die Zwetschgen total verrottet waren. Die armen Ostmenschen, denen das oft passierte. "Keine Gurken gibt es gegenüber, hier gibt es keine Regenschirme". Wer kennt den Kalauer nicht?

Auch Adam und Eva hatten mit ihr zu tun. Wir kommen der Sache näher. Wann hat der Mensch heute noch Gelegenheit, eine richtige Schlange zu sehen und von ihr eventuell gebissen zu werden? Ich habe schon viele gesehen: anatolische Pfeilnattern auf Zypern, Klapperschlangen in Alabama, Vipern, nicht nur an meinem Arbeitsplatz und jede Menge Kriechgetier in Indien. Aber gestern geschah es am Rande des Mittleren Schwarzwaldes bei Durbach. Bei einer Wanderung mit meinem gar nicht ängstlichen Besuch aus England lag sie da, fast wäre ich auf sie getreten. Dunkel gehäutet (sie, die Schlange) fragte ich mich (den Wanderer) instinkthaft, ob es sich um eine gefürchtete Giftschlange handeln könnte. Mit einem Stück Holz hätte ich sie leicht erschlagen können. Das wollte ich nicht.  Man weiß wie selten diese Tiere in unseren Breiten geworden sind. Warum hassen wir sie immer noch? Für uns Wanderer war es eine Auszeichnung, das Tier von einer bescheidenen Länge von ca. 20 Zentimetern bestaunen zu können. Stolz zogen wir danach weiter. Ach ja, es könnte sich um eine harmlose Ringelnatter gehandelt haben. Die kommen, so viel ich weiß, in der Politik nicht vor.

(Bild von Horst Köbele gemalt)

Freitag, 8. Juli 2011

Werbung, die Pest der Neuzeit

Ich habe es sooooo satt. Will jedoch nicht einen Rundumschlag gegen Werbekampagnen lostreten. Ein bescheidenes aufmerksam machen auf die Vorzüge einer Ware, warum nicht? Gute Information, zum Beispiel, dass in einer Unterhose ein Gummizug aus indonesischem Latex eingearbeitet ist. Dass dieselbe endlos oft bei 60 Grad gewaschen werden kann. Warum nicht? Wen's interessiert. 70% Kakao in der Schokolade. Ein guter Hinweis. Werbung scheint Sinn zu machen. Obwohl: das frenetische Herumgelüge über die Herkunft und Zusammensetzung von Waren. Das Kleingedruckte, das man fast nicht lesen kann. Die Verfallsdaten, die man oft nicht findet. Abbildungen von süßen Kindern, wenn es um Kekse geht, oder von Bananen, wenn der Bananengeschmack im Labor erzeugt wurde. Die aalglatte Höflichkeit an der Kasse: Hallo, ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag. Ja, wir lieben Lebensmittel und lesen, was gesund macht. Dennoch habe ich das alles satt.

Das HB-Männchen war richtig lustig. Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Oder die adrette Dame von Henkel, das Kleid offensichtlich frisch, vielleicht aprilfrisch, gewaschen? Für den Rest fühlte man sich in Ruhe gelassen. Heute ist alles Werbeträger. Das steigert den Umsatz. Sollte dieser zurückgehen, dann nur deshalb, weil der Konsument nicht genug in der Tasche hat. Oder, könnte es sein, dass dieser sich überlegt, ob er den angepriesenen Schrott überhaupt benötigt?

Die Qualität des Fleisches, um nur eines von zahllosen Beispielen zu nennen, vor allem in den Supermärkten, ist zum Kotzen. Die Nackensteaks werden mariniert, damit sie Geschmack erhalten. Konservierungsstoffe, Geschmacksstoffe, Zusätze jeder Art, das Ganze zu Niedrigpreisen, was nicht heißt, dass die teurere Ware gesünder wäre. Mit Hilfe von Selbstpreisungen wie Premium, Gourmet, Feinkost, etc. wird die Illusion genährt, es handele sich um eine ausschließlich für den Kunden selektionierte Delikatesse. Zu viel des Guten. Kaum ein Artikel (außer Klopapier), der ohne Selbstbeweihräucherung in den Einkaufskorb wandert. Hält man uns alle für Deppen?

Es geht mir jedoch hauptsächlich um die Fernsehwerbung. Hier werden wir generell für debil gehalten. Frenetisch die Minuten vor den Nachrichten: Fragen sie ihren Arzt oder Apotheker. Das Hinziehen, wenn die Werbemännchen schon auf den Wetterbericht hinweisen und man gespannt auf Inge Niedek oder sonst einen Wetterguru wartet. Noch 'n Spot und noch 'n Werbespot. Das Sponsoring ist eine Geissel der Menschheit geworden. Ich schalte natürlich den Ton weg. Dennoch kann ich nicht umhin, mich rasend zu ärgern. Wir zahlen die sogenannten Rundfunkgebühren. Dann müssen wir mit ansehen, wie Lebensmittelheinis, Wundermittelhändler, Versicherungstrottel und Bankenfuzzis mit den Kosmetikfritzen um die Gunst des Zuschauers miteinander konkurrieren. Um das Ende dieses Terrors einzuleiten (ich glaube, es geht) schlage ich folgende, höchst legale Maßnahmen vor:
-beim Sitzen auf der Couch, sofort den Ton wegnehmen, wenn Werbung kommt;
-nie einen Artikel kaufen, der in der FSWerbung angepriesen wird;
-beim Kauf von Waren immer darauf achten, was das Kleingedruckte sagt;
-gelegentlich auch mal etwas an der Kasse zurückgeben mit dem Hinweis: zu teuer, zu voll von   Chemikalien, Manipulation mit dem Gewicht, Zerfallsdatum unsichtbar, oder täuschender Inhalt;
Auch das Mittelalter hat lange gebraucht, um die Pest zu besiegen. Fazit: man stirbt  zwar nicht an der televisuellen Werbung, aber sie ist total unnötig, irreführend und für den normalen Menschen eine Zumutung.

Mittwoch, 6. Juli 2011

Olympische Spielereien

Es gibt zwei Sorten von Menschen: die Sportlichen und die Unsportlichen, zu denen ich wahrscheinlich gehöre. Doch immer wenn die olympischen Spiele anstehen, packt mich eine seltsame Unruhe. Ich möchte dabei sein und denke, ich hätte meinen Sieg im Fünfkampf noch etwas ausbauen können. An den Spielen habe ich selbst nie teilgenommen. Doch als jetzt die recht umständliche Verkündigung aus Durban in Südafrika über die Kanäle ging, war ich dabei. Brav saßen sie da, die Vertreter Bayerns (nicht ohne den gewichtigen Beistand des Bundespräsidenten), die aus dem französischen Annecy und die Koreaner, die nach langem zeremoniellem Hin und Her zum Sieger ausgerufen wurden, nicht ohne dass vorher die Olympyahymne für Millionen Zuschauer eingespielt wurde, zur unnötigen Verzögerung der Prozedur. Jetzt heißt der Winterolympiasportort 2018 Pyeongchang, ein Ort, mit dem vielleicht nur echte Sportler etwas anfangen können. München hat es nicht geschafft. Darum trauere ich ein wenig. Ebenso um das schöne Annecy, das in Frankreich an einem See weiterschlummert und 2018 auch nicht als Gastgeber auftreten darf.

Als ich meinen Preis entgegen nahm, ich war gerade 10 Jahre alt, sagte der Sportwart zu uns allen: nur einer kann gewinnen, aber das Wichtige ist immer, dass man mitgemacht hat. Für die Verlierer war dies ein billiger Trost, denn mein Gewinn war sensationell: eine gelbe Steinguttasse, die meine Mutter nun wirklich nicht gebrauchen konnte, und: (ich möchte es etwas spannend machen und den Leser - so ist das heute - noch auf die Folter spannen) eine frische Brezel, die sofort mein Herz höher schlagen ließ, denn in der unmittelbaren Nachkriegszeit war eine Laugenbrezel (die es ohne Lebensmittelmarke gar nicht gab) eine ungeheure Kostbarkeit. Ich denke, dass die Ausrichtung von Olympischen Spielen dagegen (all die Medaillen in Gold, Silber und Bronze) ziemlich kostspielig ist, sozusagen die Olympischen Kostspiele. Nicht jeder kann da mithalten.

Dabeisein, wenn's ums Zahlen geht, ist nicht jedermanns Sache. Das war auch in der Antike schon so, wo deshalb die Spiele am Fuße des Olymp zu Ehren des Göttervaters Zeus veranstaltet wurden. Es ist nicht bekannt, dass der alte Herr damals irgendwelche Gelder oder Tantiemen entgegen genommen hätte. Ein wenig Weihrauch und mit Blumen umkränzte Jungfrauen haben es auch getan. Bei den Wettkämpfen dabei sein, war der Gedanke. Eine gewisse Körperertüchtigung als Nebenprodukt war sicherlich auch im Sinne der damals noch in den Kinderschuhen daherkommenden Medizin.

Inzwischen haben sich die Dinge weiter entwickelt. Das ganze Tralala kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die Olympioniken heute gerne mit Aufputschmitteln ihre Gewinnchancen verbessern. Dabeisein ja, aber es muss auch etwas dabei herausspringen. Schade, dass es immer noch einige Idealisten gibt, die glänzende Augen kriegen, wenn andere das Rennen machen. Sie sind die wahren Verlierer.



Da lobe ich mir die koreanische Direktheit. Als ich sofort nach der Verkündung der Vergabe der Winterspiele 2018 an Korea in das koreanische Fernsehen umschaltete, erfuhr ich zwei interessante Dinge: 1. es war mitten in der Nacht, als die gute Nachricht Korea erreichte, und das ganze Land fing an zu feiern. 2. Sofort wurde verkündet, dass sich das Land einen wirtschaftlichen Gewinn von ungefähr 27 Milliarden Dollar errechnet. Wie schön, wenn man dabei sein kann.

Montag, 4. Juli 2011

Meine Uhren gehen anders

Die Standuhr
Wie gerne würd ich stehen,
Doch leider muß ich gehen.
Die Sanduhr
Wie gerne mach ich Liebe,
Doch eiert mein Getriebe.
Die Armbanduhr
Die Armbanduhr, die tolle,
Sie ähnelt einer Knolle.
Die Turmuhr
Die Turmuhr strebt nach oben.
Das kann man doch nur loben.
Die Sonnenuhr
Sie scheint nicht selbst, die Gute.
Nur in der Sonnen Glute.
Die Benzinuhr
Benzinuhrn sind recht feige,
Zu schnell gehn sie zur Neige.
Die Küchenuhr
Sie liest in alten Fibeln
Und stinkt ganz schön nach Zwiebeln.
Die Kirchturmuhr
Sie läßt es heftig klingen.
Und stört die Welt beim Singen.
Die Lebensuhr
Für die, die zu viel saufen,
Ist sie schon abgelaufen.
Die Eieruhr
Sie geht schon auf die Eier,
Mit ihrer alten Leier.
Die OttoS-Uhr-Allee
Dort hocken faule Huren
Auf ihren alten Uhren.
Der Zahn der Zeit
Der Zahn der Zeit ist eine Uhr.
Statt mal zu beißen, nagt sie nur.
Die Kuckucksuhr
Geht man im Schwarzwald mal zur Kur,
Kommt man nach Haus mit Kuckucksuhr.
Die Taschenuhr
Der Opa hat sie als Ersatz;
Sie nimmt in seiner Tasche Platz.
Die Blindenuhr
Die Blindenuhr fürs Augenlicht,
Wie schade, denn sie gibt es nicht.
Die Wasseruhr
Fort fließt es durch gar manchen Schlauch.
Doch mißt sie wacker den Verbrauch.
Die Atomuhr
Sie ist robust und ohne Fehl
Und zeigt die Zeit auf Hundertstel.
Die Gasuhr
Der Gasmann kommt, der Gasmann geht,
Der grünen Witwe Röckchen weht.
Die Quarzuhr
Ich weiß nicht, warum ich sie liebe.
Besoffen macht mich ihr Getriebe.
Die Stimmgabel-Uhr
Bei der Stimmgabel-Uhr werden durch einen transistorgesteuerten Stromkreis die magnetbehafteten Zinken  einer besonders geformten Stimmgabel  gegenphasig angeregt und deren Schwingungen auf das Zeigerwerk übertragen. Dies ist der alleinige Grund, die Stimmgabel-Uhr nicht ernst zu nehmen. Ich werde hoffentlich nie einer begegnen.

Der Uhrentick
Wie gerne würd ich ficken,
Doch leider muss ich ticken.












Freitag, 1. Juli 2011

Nachtgedanken, erdrückt mich nicht!

Zuerst plagen mich die Kopfschmerzen und ich kann nicht einschlafen. Sie, nebenan, ist zart entschlummert. Ich bin allein mit mir und beginne zu hadern. Dann gehe ich hinunter und nehme ein Aspirin. Im Dunkeln gehe ich hinauf und lege mich wieder hin. In Morpheus' Armen liegt sie. Ich sehe sie nicht. Doch ihr stummer Schlaf macht sie sichtbar und entfernt mich meilenweit von ihr. Der Schmerz bringt mich wieder hinunter in die Küche, wo ich mein Aspirin gelagert habe. Linderung erwarte ich nicht. Nur Ruhe, endlich, oder letztendlich, wie Edmund Stoiber gesagt hätte. Sicher schläft dieser Kommissar jetzt in Brüssel ganz ordentlich. Die unruhigen Nächte der bayrischen Politik sind für ihn ausgeschlafen.

Wie spät ist es? Spielt es eine Rolle? Wäre ich ein Prinz: dann, eine Prinzenrolle? Vielleicht sollte ich meinen Geist aufgeben? Er scheint nicht viel zu taugen. Wie kommt man mitten in der Nacht auf solche Gedanken? Stoiber! Prinzenrolle! Aspirin! Ich sitze in der Dunkelheit und denke. Geräusche gibt es zur Zeit keine. Nur die Uhr. Sie tickt unerbittlich. Bald ist die Nacht vorbei, schlaflos, wie so oft. Stille, Einsamkeit und dunkle Gedanken. Die gehören zusammen. Einen Ausweg sehe ich nicht. Schlüge mein Herz nicht mehr, ich hörte es. Erstaunen würde es mich nicht. Es wäre die gerechte Strafe für meine  Schlaflosigkeit. Inzwischen ist es sehr spät. Das Aspirin will nicht wirken. Sie würde mich dann am fernen Morgen finden. Vielleicht im Lehnstuhl sanft entschlafen, ohne noch Erklärungen abgeben zu müssen.

Schlafen, schlafen, vielleicht auch träumen. Das muss Hamlet gewesen sein. Dem ging es auch nicht gut. Das Ganze endete katastrophal. Bei mir hingegen sehe ich noch Hoffnung. Wie wäre es, wenn mein Kopfschmerz wiche? Ich mich hinlegen könnte, um eine Mütze Schlaf einzuheimsen? So eine Nacht scheint endlos, ist es aber nicht. Denke ich. Vielleicht sollte ich mit dem Denken aufhören. In der Politik gelingt das ja auch. Wie viele gute Gedanken sind da schon sanft oder unsanft eingeschlafen? Was sehe ich da? Es dämmert bereits! Der Schmerz erscheint in einem milderen Licht. Dem Dämmerlicht. Vielleicht kann ich mich unauffällig zu ihr legen. So tun, als wäre nichts geschehen. Letztendlich handelt es sich ja nur um eine durchwachte Nacht. Ich werde ihr nichts davon erzählen, wenn sie erwacht, um acht.