Er war gerade von einem Kurzurlaub in der deutschen Heimat an die russische Front zurückgekehrt, als die schockierende Nachricht kam, dass der Vater meines besten Freundes gefallen war. Wir waren sechs/sieben Jahre alt. Die Mutter war eine hübsche junge Frau gewesen. Jetzt trug sie nur noch schwarz. Damals gab es viele Witwen, wie man als Kind leicht an der Trauerkleidung erkennen konnte. Auch Großmütter und Tanten trugen dann schwarz. Wenn ich mich recht erinnere wurde es in den Kriegszeiten immer schwieriger, an angemessene Kleidung zu kommen. Für die wenigen Männer, die damals nicht an der Front waren, konnte leichter eine Lösung gefunden werden. Die schwarze Armbinde und eventuell noch eine schwarze Krawatte. Alles andere konnte "normale" Kleidung sein.
Männer, meist im hohen Alter, oder wegen einer Behinderung nicht beim Militär, kleideten sich wie üblich in gedeckten Farben. Auffallen wollte keiner. Oder, sie waren Mitglieder in der NSDAP und trugen Uniform. Dann kam es immer auf den Rang an und die entsprechenden Hoheitsabzeichen: Schulterklappen mit bis zu drei Sternen, Verdienstzeichen erster und zweiter Klasse, Streifen an den Hosen. Diese Verkleidung ließ manche Männer furchterregend und manchmal grotesk erscheinen. Doch Krieg ist Krieg, wie man damals scherzte.
Mein Freund G., der auch schon ganz gut Klavier spielen konnte, versuchte, wie wir alle, den Fliegerangriffen, dem Bombenhagel und den Luftlagemeldungen das beste abzugewinnen. Zum Glück wohnten wir auf dem Lande. Der Feind schien weiter entfernt als in der Großstadt, wo fast jede Nacht Bombenalarm war. Was auch wir Kinder bald ahnen konnten, war, dass auch wir vom Krieg nicht verschont wurden. Bald sah ich meinen ersten Toten. Es war ein Soldat. Und niemand (außer meiner Mutter) nahm Anstoß daran, dass ein sechjähriger Käsehoch mit Erwachsenen auf eine gefährlich hohe Leiter kletterte um beim Dachdecken zu helfen. Zerstörte Dächer gab es zuhauf. Wenn irgendwo eine Luftmine niedergegangen war, waren gleich Dutzende Dächer abgedeckt.
Die Mutter meines Freundes trug ein Trauerkleid, das bald nach Papas Besuch ein Umstandskleid wurde. Da nichts mehr im Leben normal war, wurde gemunkelt, dass Gs Mutter ein Kind erwartete, obwohl der Vater schon tot war. So ist das, wenn Krieg ist. Der Tod kehrt ein, wo er will, und neues Leben entsteht fast unbemerkt. Für G und mich enstand eine aufregende Zeit. Gespannt verfolgten wir, was mit Gs Mutter geschah: sie wurde immer runder. Bald würde sie ein Kind bekommen. Niemand sprach darüber, doch für G und mich war es "unser" Kind, das da in ihrem Bauch heranwuchs. Trauer und Freude in einem Körper. Als es soweit war, konnten wir nur warten: es war ein Brüderchen und wurde wie der gefallene Vater genannt: Fritz. Von den Geburtsfeierlichkeiten wurden wir abgeschirmt.
Man stelle sich vor: zwei kleine Jungs, enge Freunde, bekommen ein Kind. Bald war auch das Jahr der Trauer um, und Gs Mutter erlaubte sich etwas hellere Farben zu tragen. Das Leben musste weitergehen. Als die Zeit unserer knabenhaften Erregung sich gelegt hatte, wuchs der kleine Fritz heran. Alle mussten sich zusammnreißen, um dem Kleinen nicht die Aufmerksamkeit eines reinen Wunschkindes angedeihen zu lassen. Wir anderen waren beruhigt, dass er wenigstens die letzten Jahre des Krieges nicht bewusst erleben musste. Mein Freund G starb mit 40. Wie gut, dass es dann noch den kleinen Fritz gab. Er war die erste Schwangerschaft in meinem Leben.
Mein Freund G., der auch schon ganz gut Klavier spielen konnte, versuchte, wie wir alle, den Fliegerangriffen, dem Bombenhagel und den Luftlagemeldungen das beste abzugewinnen. Zum Glück wohnten wir auf dem Lande. Der Feind schien weiter entfernt als in der Großstadt, wo fast jede Nacht Bombenalarm war. Was auch wir Kinder bald ahnen konnten, war, dass auch wir vom Krieg nicht verschont wurden. Bald sah ich meinen ersten Toten. Es war ein Soldat. Und niemand (außer meiner Mutter) nahm Anstoß daran, dass ein sechjähriger Käsehoch mit Erwachsenen auf eine gefährlich hohe Leiter kletterte um beim Dachdecken zu helfen. Zerstörte Dächer gab es zuhauf. Wenn irgendwo eine Luftmine niedergegangen war, waren gleich Dutzende Dächer abgedeckt.
Die Mutter meines Freundes trug ein Trauerkleid, das bald nach Papas Besuch ein Umstandskleid wurde. Da nichts mehr im Leben normal war, wurde gemunkelt, dass Gs Mutter ein Kind erwartete, obwohl der Vater schon tot war. So ist das, wenn Krieg ist. Der Tod kehrt ein, wo er will, und neues Leben entsteht fast unbemerkt. Für G und mich enstand eine aufregende Zeit. Gespannt verfolgten wir, was mit Gs Mutter geschah: sie wurde immer runder. Bald würde sie ein Kind bekommen. Niemand sprach darüber, doch für G und mich war es "unser" Kind, das da in ihrem Bauch heranwuchs. Trauer und Freude in einem Körper. Als es soweit war, konnten wir nur warten: es war ein Brüderchen und wurde wie der gefallene Vater genannt: Fritz. Von den Geburtsfeierlichkeiten wurden wir abgeschirmt.
Man stelle sich vor: zwei kleine Jungs, enge Freunde, bekommen ein Kind. Bald war auch das Jahr der Trauer um, und Gs Mutter erlaubte sich etwas hellere Farben zu tragen. Das Leben musste weitergehen. Als die Zeit unserer knabenhaften Erregung sich gelegt hatte, wuchs der kleine Fritz heran. Alle mussten sich zusammnreißen, um dem Kleinen nicht die Aufmerksamkeit eines reinen Wunschkindes angedeihen zu lassen. Wir anderen waren beruhigt, dass er wenigstens die letzten Jahre des Krieges nicht bewusst erleben musste. Mein Freund G starb mit 40. Wie gut, dass es dann noch den kleinen Fritz gab. Er war die erste Schwangerschaft in meinem Leben.
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