Freitag, 29. September 2017

Erik Satie: Once Upon A Time In Paris. Das Parisgefühl.

Ich falle immer wieder darauf herein. Hier in Haworth/Yorkshire sitze ich am Frühstückstisch. Meine tiefgefrorene Baguette wurde gerade in der Mikrowelle aufgetaut und der Länge nach aufgeschnitten. Cath hat sich noch nicht blicken lassen. Sie muss zuerst überprüfen, wieviele Tausend Schritte sie gestern zu Fuß zurückgelegt hat. Dazu benutzt sie eine spezielle "Armbanduhr", die die gegangenen Schritte anzeigt. Meine ersten zwei Tassen sind schon herunter geschluckt, begleitet von Hakon Austbö, dem begnadeten Pianisten für Erik Saties "Gnossiennes". Once Upon A Time In Paris heißt dieses herrliche Klavierstück, das ich nicht einordnen möchte. Auch andere sind daran schon gescheitert, das Parisgefühl aus den Gnossiennes zu beschreiben. Manche rufen etwas hilflos aus: "Ich liebe Paris (das von gestern)".


Auch ich habe einige Zeit in der Seinestadt verbracht und dort gearbeitet. Die Menschen schienen damals gestresst, unfreundlich, ja fremdenfeindlich. Ich fühlte mich dort eigentlich immer zuhause. Es war die Zeit als die freien Parkplätze seltener wurden und die Zahl der Neugierigen aus Europa, USA, Japan mit jedem Jahr anstieg. Der Bordeauxwein wurde schlechter, weil in Massen auf den Markt geworfen. Frank Sinatra mit seinem "April in Paris" hatte die Szene längst übernommen. Gershwins "An American in Paris" war damals bare Münze. Der Film verklärte etwas, was längst nicht mehr den Hauch von Nostalgie trug. Die Neue Welt hat Paris entdeckt. Am Horizont tauchte "le nouveau Baujolais" auf, der schon damals nicht jeden vom Stuhl zu reißen vermochte. Ich blieb damals bei meinem Rosé d'Anjou und habe es nicht bereut.


Ich blieb dann bei Erik Satie hängen. Leichte Muse für sonnendurchflutete Landschaften. Seine Klavierstücke sind unwiderstehlich. Paris muss sich nach den Jahren sehr verändert haben. Doch lautes Lachen in der U-Bahn gibt es immer noch nicht. Hier in England kann der Verkehrslärm Gipfelwerte erreichen, während er in Paris möglichst unterdrückt wird. Doch Erik Satie, mit seinen manchmal auch monotonen Passagen, hat diese Welt gänzlich erobert. Für mich ist seine Musik der Ausdruck dieses Pariser Lebens: Rhythmik, Alltag der Geschwindigkeit, eine bestimmte Weise, dem modernen Leben zu begegnen. Dazu die Gerüche, die früher aus den Metrostationen quollen. Mich erinnerten sie an die U-Bahn in Ostberlin. Ein Mief, der süchtig machen konnte.


Die Bilder von Paris sind purer Impressionismus. Keine Stadt ist so eng mit der Malerei verbunden wie Paris. Wer malen wollte, musste nach Paris. Das galt auch für viele berühmte Nicht-Franzosen. Sie wollten sich alle an der Seine inspirieren lassen. Noch heute zehrt Paris von diesem Ruhm. Und wir alle zehren mit.

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