Donnerstag, 6. Juli 2017

Victor Klemperer, Tagebuch 1933 - 1945




Victor Klemperer schrieb in seinem Tagebuch, er habe eine Postkarte einer Freundin aus dem Schwarzwald bekommen, worin sie behauptete, in ihrer Heimat grüßten die Menschen immer noch mit „Grüßgott“ und niemand sage „Heil Hitler“. Seine drei Bände über sein Leben im Nazireich haben mich unendlich beeindruckt. Ich hatte unter anderem auch Romanistik studiert. Victor Klemperer war Professor für romanische Sprachen in Dresden. Verheiratet mit der Klavierlehrerin, Eva, überlebten sie das Dritte Reich, trotz unendlicher Herabsetzungen und Diskriminierungen. 


Victor Klemperer 
Während sein älterer Bruder Georg sich rechtzeitig nach den USA absetzen konnte, war es für Victor zu spät. Er hatte auf dem festen Glauben beharrt, seine aufrechte Gesinnung als Deutscher würde ihm über den wachsenden Judenhass hinweghelfen. Er fühlte deutsch, er liebte seine Muttersprache und konnte nicht verstehen, warum er eine jüdische Identität akzeptieren musste, zumal er nicht gläubig war.

Eva 
Ich weigere mich, seine Frau Eva eine Arierin zu nennen. Sie war nicht Jüdin und hielt zu ihrem Mann trotz großer Demütigungen. Jeder, der als Deutscher sich mit dieser faschistischen Zeit auseinandergesetzt hat, ob als aufrechter Bürger oder als Nachkomme von Nazis, muss die drei Bände des Tagebuchs gelesen haben. Klemperer führt gewisenhaft Buch über die sich verschlimmernden Jahre, bis hin zur Zerstörung Dresdens durch britische Bomben. Letztendlich hat die Katastrophe von Dresden das Paar Klemperer vor der Vernichtung gerettet.

Schreihals Goebbels 
Da Dresden in der ehemaligen DDR liegt, war es für Victor Klemperer fast normal, vom faschistischen Regime in ein kummunistisches zu schlittern. Auch dann konnte er sich nicht frei entfalten. Man hätschelte ihn als einen Intellektuellen, der dem Dritten Reich entkommen war. Bald jedoch wurde er gängelt und wieder bevormundet. Wie es in der DDR üblich war, wollte man ihm vorschreiben, was er zu denken hatte. Er starb 1960, also viel zu früh um noch in den Genuss unabhängigen Denkens zu kommen. Dennoch ist sein Schicksal nicht nur ein typisch deutsches oder jüdisches, sondern exemplarisch für alle, die nicht im richtigen Augenblick die Notbremse ziehen.

Dresden nach der Bombardierung 
Victor Klemperers Tagebücher sind unglaublich nahe an der Wirklichkeit orientiert. Sie lesen sich jedoch wie große Literatur. Ich schäme mich immer ein wenig, wenn ich feststellen muss, wie wenig Wichtiges aus kritischen Zeiten übrig bleibt. Jetzt tut sich eine neue Chance auf, mehr über die Klemperers zu erfahren. Die Korrespondenz zwischen den beiden Brüdern, Victor und Georg, in über 600 Seiten, ist gerade veröffentlicht worden. Victor, mit seiner naiven Weltvorstellung und Bruder Georg, der offensichtlich alles richtig gemacht hat. Titel: „Warum soll man nicht auf bessere Zeiten hoffen“. Für mich wird der Autor der Tagebücher immer der verwundbare, doch lebensbejahende Mensch bleiben, nicht vergessen, seine herrlich treue Eva, die es nicht verdient hat, nur eine Nebenrolle zu spielen. Ohne sie hätte Victor nicht überlebt.

Die Wunden einer schönen Stadt 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen