Mittwoch, 7. September 2016

Daniel Glattauer - Geschenkt ist geschenkt

Du kannst dir ruhig mal anhören, was ich dir zu sagen habe. Ehrlich, ich will dich nicht drängen, aber freuen würde ich mich saumäßig, wenn du mal was anderes tätest als Bestseller schreiben. Darauf komme ich noch. Wir haben einiges gemeinsam: gerade habe ich drei Jahre in Wien verbracht, bevor es mich/uns nach Yorkshire verschlagen hat. Auch ich bin Brillenträger und etwas faul, obwohl man einen Verlierer wie mich gelegentlich auch in Bewegung setzen kann. Was dabei herauskommt, kann sich vielleicht sehen lassen. Will das jemand sehen? Aber egal.


Ich habe mich in dich verliebt. Das ist ungewöhnlich für einen 80jährigen, der zwar intensiven Umgang mit Frauen, aber noch nie mit Männern gehabt hat. Und auch noch nicht in einen verliebt war. Wo ist dabei der Haken? Es gibt keinen. Schon deine Erstlingswerke haben bei mir freudige Augenbrauen in die Höhe gezogen. Hoppla, sagte ich mir, der kann schreiben. Gut gegen Nordwind und Alle sieben Wellen, die E-Mail-Sachen von dir, haben mich damals ganz schön betört. Ich brauchte damals keine sieben Minuten, um ins Jubilieren zu geraten ob dieser Art zu schreiben.


Mit Karl May war ich schon lange fertig. Ich hatte alle 64 Bände gelesen und kannte den Namen des orientalischen Freundes von Kara Ben Nemsi auswendig. Willst du ihn hören? Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Davud Al Gosara. Aber egal. Meine Neugier trieb mich, als ich 20 war, nocheinmal einen Band dieser Knabenliteratur in die Hand zu nehmen. Es war dann wie ein Austritt aus der katholischen Kirche. Nach ein paar Zeilen konnte ich nicht mehr und sagte Old Shatterhand für immer Good bye.

Dann wurde ich unheimlich selektiv. Jane Austen, Dostojewsky, Shaw, Blechtrommel und Mein Kampf, den ich vom Hörensagen kannte und erst in der Uni-Bibliothek von Freiburg im Lesesaal wie eine Salami (mit Nachgeschmack) stückchenweise zu lesen bekam. Die hatten nur ein Exemplar. Adolf hätte sich im Grab herumgedreht, wenn er eines gehabt hätte. Der Stil? Ganz schlecht.


Bildung, Einbildung, Ausbildung, Umbildung, diese vier Bildungen haben auch mich dazu gebracht, zu schreiben: Ein kleines Buch von nur 126 Seiten. Etwa tausend Blogs über fast alles (vielleicht 2000 Seiten). Viele Artikel, Beiträge, auch Poesie (schätzungsweise 200 gereimte Sachen). Oft habe ich mir sagen lassen, meine Schreibe sei ganz ordentlich, aber dann dachte ich an alle jene, die richtig schreiben konnten. Ihre gute Feder lieferte mir den Vorwand, die notwendige Disziplin nicht aufzubringen, morgens um sieben damit anzufangen, meine Geliebte zu vernachlässigen, oder das Frühstück, nur um ein ständig gedrängter Angestellter bei Kiepenheuer & Witsch, Fischer oder Goldmann zu werden. Und mir sagen zu lassen, was gute Literatur sei. Aber egal.


La settima onda 
Genau genommen habe ich mich in deine Literatur verliebt. Ich stelle fest, dass ich abschweife, und nur zögerlich zum Punkt komme. Daniel Glattauer: mit der Erfindung von Manuel und der ganzen durchgeknallten Fleckerlfamilie hast du uns auf den Boden der wohltemperierten Realität gesetzt. Ein herrlich leichter Stil ist das. Geschenkt, aber egal. Du schreibst: Immer wenn ich Angst habe, bin ich ein offenes Buch. Zuerst bist du also ein offenes Buch. Dann brauchst du 333 + 1/2 Seiten, um Vater zu werden, der du schon warst, dann kann man das Buch wieder zuschlagen. Der Lieschen Müller Kitsch ist ausgeblieben. Was geht statt dessen im Kopf herum? Lauter schöne Sachen, die Daniel niedergeschrieben hat. Tagelang geht man damit um. Aber egal. Du musst weiterschreiben! Für die Faulen, die Aufgeweckten, die Entdecker und für deine Leser.













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