Muss es unbedingt das (fast) größte Schiff der Welt sein? Nein. Aber wenn man kein anderes zur Verfügung hat, muss das auch gehen. Wir haben eine interessante Autoreise hinter uns. Auf teilweise achtspurigen Autobahnen, bepackt mit LKWs und sonstigem Gerät, mit einer Übernachtung in Northampton, von Yorkshire nach Süden. Als wir dann in Southampton ankommen und den Hafen finden, ist es Nachmittag. Leichte Ängste packen uns bei dem Gedanken, über eine Woche mit über 3600 anderen Reisenden auf einem Riesenkahn eingesperrt zu sein. Ach ja, der Kahn heißt HMS Britannia und ist über 300 Meter lang, mit 17 Decks und allem Pi Pa Po.
Cath und ich hatten das Gepäck sorgfältig gerichtet. Ein Abendkleid und ein dunkler Anzug mit Krawatte und Einstecktuch durften da nicht fehlen. Mit meiner Weigerung, einen Smoking mitzunehmen, konnte ich mich kinderleicht durchsetzen. Bei der Ankunft am Hafen wurde uns das Auto und das Bordgepäck abgenommen und wir mussten uns den Bordformalitäten stellen. Eine Prozedur mit Eintragungen, Passkontrolle, Warteschlangen und äußerst freundlichem Personal, zu jeder Art Hilfestellung bereit. 99% britische Kreuzfahrer und wohl 90% nichtbritisches Personal, ein Schlag ins Gesicht aller EU-Aussteiger.
Der Gang zu einem der zahlreichen Restaurants verschiedener Kategorie war eine der ersten Aktionen an Bord. Meist war das Essen im Preis enthalten, während die Getränke mit Hilfe der Kabinenkarte registriert wurden, um am Ende abgerechnet zu werden. Unsere Kabine befand sich auf Deck 10, ein schnuckeliger Balkon sorgte für frische Luft und gemütliche Sitzpausen zur Bewunderung der Landschaft, sofern eine solche zu sehen war. Zunächst jedoch ging es im Ärmelkanal in Richtung Osten. Und auch an der Isle of Wight vorbei. Cath bestätigte mir, dass Wight nicht zu den Steuerparadiesen dieser Welt gehörte. Immerhin etwas.
Das Zwielicht hielt die ganze Nacht an. Es führte uns quer durch die Nordsee, hinauf in den Norden, wo wir am folgenden Morgen mit viel Gelautsprechere durch den Kapitän an der norwegischen Küste ankamen. Das durchschnittliche Alter unserer Passagiere könnte als gehoben bezeichnet werden. Das Wort Rentnerkahn würde ich als verleumderisch einstufen. Auch an die Überfahrt von allzu viel Übergewicht würde ich eher nicht denken. Der Mensch ist halt wie er ist. Das ist nicht immer gut so.
Man muss den Organisatoren allerhand zugute halten. Sie bieten vieles, was es nach und nach zu erforschen gibt. Die zahlreichen Fahrstühle sind entweder knallevoll, oder auf den entferntesten Decks, die man sich vorstellen kann. Plötzlich läuft uns an Bord einer über den Weg, den wir in der Krimiserie „Life on Mars“ inbrünstig gehasst haben, weil er zu den fiesen Anhängern von Gene Hunt gehörte, nicht zu den Bewunderern von Sam Tyler. Er grüßte uns im Vorbeigehen freundlich. Sam Tyler wäre uns aber lieber gewesen.
Wir wurden in Bergen an Land gelassen. Es regnete als wir die Stadt durchstreiften. Ganz in der Nähe von Bergen hatte Henrik Ibsen gelebt, der nordische Dichter, der in seinen Theaterstücken immer eine zurückliegende Schuld hervortreten lässt, die den Helden oder die Heldin schließlich einholt. Sein Standbild mit den großen runden Augen kann Angst einjagen, seine Stücke unendlich traurig machen.
Edvard Grieg ist wohl der größte Komponist des Landes. Wer kennt nicht Solveighs Lied? Diese nordische Musik, die zugleich traurig und sehnsuchtsvoll stimmt. Er wurde 1843 in Bergen geboren und wohnte meist im 8 km entfernten Troldhaugen.
Edvard Grieg |
Bergen ist mit 240 000 Einwohnern Norwegens zweitgrößte Stadt. Und eine der ältesten. Die deutsche Hanse machte daraus eine blühende Niederlassung. Natürlich muss man als Kreuzfahrer an Bord wählen zwischen hektischer Aktivität und faulenzender Behaglichkeit. Alles kann man nicht mitmachen. Also keine Museen, Besichtigungen, sondern Massagen, Kochstunden bei Meisterköchen und Fußspezialisten, die einem alles über den Fuß und seine Belastbarkeit erzählen können. Der Himmel über den Fjords ist immer da, wenn man ihn braucht, und einfach bezaubernd.
Die Ruhe einer Kreuzfahrt, die in einen norwegischen Fjord hineinführt, ist legendär. Auf beiden Seiten türmen sich Berge auf und/oder es werden zahllose Inseln sichtbar. Das Gefühl der Erholung breitet sich aus. Die Sonne bricht manchmal durch den verhangenen Himmel. Man fährt nicht, man gleitet. Das kann man leicht an Cathies Beinen erkennen, die genüsslich in den Himmel ragen.
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