Freitag, 3. Juni 2016

Graben wir sie aus! - Margery Kempe.

Ich weiß nicht, ob das der richtige Ansatz ist, jemanden "auszugraben". Jemand, der tief in der Geschichte Englands schlummert und uns kaum bekannt ist. Es gibt so viele Spießer, Tunichtgute, Niemande, ganz zu schweigen von den Möchtegernen, Gehabthabenden und den wirklich ganz Großen der Geschichte, zu denen in gewisser Hinsicht auch Hitlers, Stalins und Napoleone gezählt werden müssen. Daneben viele, auch fast Vergessene, wie Thomas von Aquin, Hildegard von Bingen oder etwa Norman Glaister, ein Unterstützer der Friedensbewegung in England, dessen Witwe Dorothy ich kennen lernte. Ein heute wahrhaft seltsamer Haufen.


Also, warum nicht Margery Kempe? Sie gilt heute als Verfasserin der ersten spirituellen Biographie auf Englisch. Dabei konnte sie weder lesen noch schreiben. Eine ergreifende Geschichte, denn einer ihrer Söhne, eines von mindestens 14 Kindern, bekam von Mutti dieses Buch diktiert. "The book of Margery Kempe" gibt viele Rätsel auf. Es ist anzunehmen, dass ihre persönlichen Erinnerungen darin festgehalten sind, geschmückt (durch ihren Sohn John?) mit theologisch-mystischen Federn. Dieses Buch wurde in den Dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts in England gefunden.

John kam irgendwie nach Danzig und heiratete dort eine deutschsprachige Frau. Die fromme(?) Dame selbst wurde wohl 1373 in Norfolk geboren, heiratete mit 20, gebar ihre vielen Kinder und führte ein frommes Leben. Beim ersten Kind (John?) wurde sie depressiv und begann, Visionen zu haben. Es war Jesus Christus, den sie sah, was zu solchen Zeiten zu den ganz normalen Dingen gehörte. Was eher ungewöhnlich war: sie schrie entsetzlich laut wenn sie Visionen hatte, wofür manche sie hassten und für eine Ketzerin hielten. Sie widmete ihr Leben fürderhin Jesus, verdonnerte sich und den Vater ihrer Kinder zu totaler Keuschheit und trug nur noch weiße Kleider.


Man weiß natürlich nicht alles über sie. Doch ihre Pilgerreise nach Jerusalem ist bekannt. 1413 brach sie auf. Das Übersetzen nach dem Kontinent ging gut. Die Reise ging dann am Rhein entlang, irgendwie über Konstanz, der Metropole des frommen Pilgertums, über die Alpen bis nach Venedig. dann mit dem Schiff bis nach Haifa/Jaffa. Dort bestieg sie einen Esel nach Jerusalem. Ihre Reise dauerte nur 18 Monate. Dann war sie wieder heil zurück.


Selbst wenn Margery ein Mann gewesen wäre, hätte sie mit dieser Großtat allen Respekt verdient. Als Frau muss sie vielen Beleidigungen und Tätlichkeiten ausgesetzt gewesen sein. Ganz zu schweigen von "normalen" Gefahren wie anstößiges Benehmen, Schlangenbissen und Naturereignissen. Und das im 15. Jahrhundert, dem reinsten Mittelalter. Die Druckerkunst wurde erfunden, Amerika entdeckt, und die Inquisition kam, die auch ganz Gläubige in Angst und Schrecken versetzte.

 Wie fortschrittlich sind wir denn heute, wenn wir vor Gewaltattacken zittern oder vor Menschen anderer Religionen? Das Ketzerische an uns könnte doch sein, dass wir nicht alles glauben was man uns erzählt. Das hat das bewegte Leben der Margery Kempe erfüllt.












     

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