Mittwoch, 1. Juni 2016

Tomi Ungerer, du Erotomane!

Deine zeichnerische Frechheit habe ich immer geliebt. Ebenso dein freches Zeichnen. Deinen erotischen Zugang zu fast allem, wobei du dich von Perversitäten fern hältst. Päpstliche Erektionen und türkische Ziegenfickerei sind für dich geschmacklos. Der Respekt vor Höherem fehlt dir. Nicht aber der vor Menschen wie du und ich. Haben die Nazis das bewirkt? Schließlich hast du unter ihnen als Kind gelebt. Ich auch. Mich haben die Uniformen dieser Zeit traumatisiert. Dich wohl auch.


Ich habe das Interview mit dir in der "Welt" gelesen. Erstaunlich, was wir alles gemeinsam haben: Du erhältst einen Ehrendoktor für Philosophie in Karlsruhe. Ich bin dort geboren und erhalte einen Dr. in Philo anderswo. Doch kommen wir zu wesentlichen Dingen: Du sprichst und schreibst in mindestens drei Sprachen. Ich auch. Dabei haben wir nichteinmal das geliebte Elsäßisch erwähnt. Ich habe Jahre in Straßburg verbracht und damals meinem elsäßischen Schwiegervater auf den Mund geschaut. Schiss-aimerli galt als liebevolle Bezeichnung eines Kindes. Oder habe ich da etwas missverstanden?


Bis hierher und nicht weiter! 
2004 erhältst du den Erich-Kästnerpreis, eine von wahnsinnig vielen Auszeichnungen, die nur die Spitzen eines Eisberges sind und die du alle verdient hast. Ich hingegen traf Erich Kästner einmal auf der Reeperbahn in Hamburg. Es muss 1955 gewesen sein. Dein Emil und sein Emil müssen etwas Gemeinsames haben. Die Liebe für Kinder, die auch ich teile? Ambassador for Childhood and Education you became when the Council of Europe wanted to honour you.  And the Tomi Ungerer Museum in Strasbourg was chosen as one of Europe's 10 best museums by the same Organisation. C'est là qu'on s'est rencontré pour la première fois. Tu l'as oublié, n'est-ce pas?  Dein gutes Recht, lieber Tomi.

Ich durfte dafür Pablo Picassos hellblaues Wolljäckchen halten, als er im September 1956 vor dem Filmpalast in Cannes ein Interview gab und es ihm dabei zu heiß wurde. Hast du ihn auch getroffen??? Es würde mich keineswegs wundern. Wo ich gerne passe, ist der Vergleich mit deinen zahlreichen Werken. Ich schreibe zwar immer noch (bisher über 900 Blogs, meist auf Deutsch und Englisch), habe jedoch keine 140 Bücher geschrieben. Der reine Wahnsinn ist das.


Auch die Neigung zum Erotischen teilen wir. Es ist in uns und lässt uns glücklich sein. Wir brauchen keine indiskreten Schnüffeleien. Ich selbst überlasse das den Hunden. Für uns ist Sex mit Liebe verbunden. Und Sprache ist auch Eros. Sie sagt vieles und lässt das meiste weg. Lieber Tomi, bleibe uns noch lange erhalten. Du wirst gebraucht, denn dieser Welt scheint der Humor auszugehen. Das ist fatal. Wer mit den Beinen zuerst hinausgetragen wird (les pieds en avant) kommt nicht mehr und ist bald vergessen. Dein Gespräch mit der "Welt" zeigt aber, dass du quicklebendig bist. Let others kick the bucket. Und lass deine Frösche quaken. Ich liebe dich.









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