Sonntag, 28. Februar 2016

Brot für die Welt.

Welch herrliches Angebot für die Nase: der Duft, der aus der Backstube kommt wenn gebacken wird.
Ein Duft, den man von Kindesbeinen einatmet. Die Brotfabriken leisten das nicht. Auch unsere Gaumen haben ihre Begeisterung für frisches Brot fast verloren. Es gab eine Zeit, da ging man zum Bäcker und suchte sich sein Lieblingsbrot aus mindestens 10 verschiedenen Sorten aus: Mischbrot, Kommissbrot, Schwarzbrot, Weißbrot, Holzofenbrot, Kümmelbrot undsoweiter. Mein Lieblingsbrot war immer das kastenförmige Kommissbrot, das lange frisch blieb, einen leicht säuerlichen  Geschmack hatte und sich herrlich mit Butter und Tannenhonig vertrug.


Oder das Bauernbrot, an das ich mich erinnere: nach einer langen Wanderung in der Nähe des Feldberges im Schwarzwald, kam ich mit anderen kleinen Jungen am Jockelehof an. Die Bäuerin kam mit einem drei Kilo schweren Laib selbst gebackenen Bauernbrot und einem enormen Messer heraus. Wir saßen und standen erwartungsvoll und ausgehungert vor dem  Eingang zum Bauernhof. Die Bäuerin markierte mit dem Messer ein Kreuzzeichen auf das Brot. Dann holte sie weit aus, um vor ihrer mächtigen Brust eine Riesenscheibe nach der anderen herunter zu säbeln. Dann machte sie sich an die hausgemachte Butter, die sie in großen Scheiben auf die Brote strich. Nun kam die Krönung: aus einem großen Glas holte sie hausgemachte Brombeermarmelade und strich sie großzügig auf die Brote. Wir Kinder waren entzückt. Das Essen nahm kein Ende. Die Erinnerung daran auch nicht. Keine Gänseleberpastete kann solche Wertschätzung erreichen.


Obwohl die Brezel die berühmte Brezelform hat, kann sie mit Fug und Recht zu den Broterzeugnissen gezählt werden. Wer in seinem Leben mehrere Jahre als Deutscher im Ausland verbracht hat, ohne den Duft einer frischen Laugenbrezel in seine Nase zu kriegen, ist aufrichtig zu bedauern. Es ist die Brezel, die brotmäßig das richtige Heimatgefühl vermittelt, auch wenn die Bayern Brezn dazu sagen. Ich wußte, dass Mannheim zu den Brezelhochburgen des Landes zählt. Wenn es ging, stieg ich aus dem Zug (nur 5 Minuten Aufenthalt reichten) im Mannheimer Hauptbahnhof schnell eine Brezel zu kaufen. Jetzt, als Bürger eines Yorksherischen Städtchens, beginne ich wieder, von frischen Brezeln zu tagträumen. Womöglich einer Butterbrezel, bei der die Butter in die letzte Ritze eingedrungen ist.


Man mag über die Käseherstellung der Franzosen lächeln. Es soll über 300 Käsesorten existieren, die zum Teil besondere Behandlung verdienen. Jahrelang kaufte ich in Wien in einem Supermarkt für Diplomaten für 6 € einen runden Briekäse, ein volles Kilo schwer. Verglichen mit dem Käse aus den "normalen" Supermärkten war dieser Brie de Meaux noch von der alten Schule. Er brauchte im gewärmten Raum 1-2 Tage um zur vollen Reife zu gelangen.  Ein Gedicht, das angenehm roch. Karl der Große wusste das schon und ließ sich zweimal jährlich eine ganze Wagenladung davon an den Hof nach Aachen bringen. Bei den Broten hingegen hat die Industrie zugeschlagen: kaum ein Brot schmeckt noch wie das vom  Bäcker, es sei denn, es ist vom Bäcker. Man riecht es, wie man einen guten Wein riechen kann, ohne ihn zu kosten. Die Brotindustrie, bei der alles natürlich Premium ist, das gehört sich so, bietet allerhand Schabernack an, mit möglichst vielen Körnern oder exotischen Namen, hinter denen sich eine mangelnde Brotkultur verbirgt (Ciabatta, Baguette, Fünfkornbrot, Steinofenbrot etc.). Man muss nichts gegen diese Importe haben, aber warum ist die geschmackliche Vielfalt unseres Brotes verschwunden? Dieses Fabrikbrot ist eine Zumutung für den Gaumen.

Seit zwei Monaten versuchen wir, hier im Land der Biere, des Whiskys und des Yorkshire Puddings ein Brot zu finden, das an alte Zeiten erinnert, schmeckt, haltbar ist nicht bei der ersten Berührung von alleine zerkrümelt. Großbritannien hat in der Gastronomie erstaunliche Fortschritte gemacht. Unglaublich freche Menüs werden heute angeboten. Dazu gibt es manchmal auch ganz gutes, selbst gebackenes Brot. Doch im Supermarkt hört der Spaß auf. Da sitzen kilometerlange Brotreihen in den Regalen, alle nur zum Toasten zu gebrauchen. Nach drei Tagen ist auch der Charme des Anblicks weg, und keiner hat Lust, einfach eine Kante Brot zu essen, ohne alles, nur weil man das Brot mag. Das habe ich zuletzt im Brotladen von Joseph in Wien gesehen. Das dortige Dinkelrot (Kenner nennen es Josephbrot) hat noch alle Eigenschaften guten Brotes. Hier in England suchen wir noch, und wir suchen und suchen.......


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