Mittwoch, 15. Juli 2015

Die Badische Dampfnudel im Sinkflug

Es gab eine Zeit in Baden, da wusste jeder, was eine Dampfnudel ist. Der Österreicher kennt sie unter dem recht technischen Begriff "Germknödel" oder so. Die Dampfnudel schien auch in Ostpreußen unter dem Namen "Hefekloß" eine diskrete Existenz geführt zu haben. Durch die Wirren des Krieges hat diese östliche Nudel nie den Ruf einer gastronomischen Sensation erworben, während man von der Badischen Dampfnudel weiß, dass ganze Generationen von Kindern in Baden in Verzückung gerieten, wenn Mama oder Oma, meist am Freitag, die Dampfnudel ankündigte. Diese Dampfnudel war ein Kindertraum, der in den Augen, auch von Erwachsenen, einen festlichen Glanz verursachen konnte.

Die Jahre vergingen, MacDonald machte sich breit, und auch die italienische Pizza eroberte sich ein Stück der kindlichen Herzen. Mit anderen Worten, das hochkomplizierte Hefegebäck, die Dampfnudel, geriet allmählich in Vergessenheit. Nicht zuletzt, weil die ungeübte Hausfrau zwar eine Steinofenpizza von einem Pilzrisotto unterscheiden konnte, aber in badischen Landen nicht mehr über die Technologie verfügte, eine Dampfnudel fachgerecht zu erstellen. Das Glänzen in den Augen der Kinder konnte nicht mehr durch einen Dampfnudelschock ausgelöst werden.

Die Lebensmittelindustrie versuchte immer wieder, hefegeeichte, kindgerechte Teigballen herzustellen, die der klassischen Dampfnudel nahe kamen. Ergebnis: null, denn in der Endphase des Garens darf diese nicht versagen. Sie muss, hefemäßig aufgegangen wie ein draller Busenersatz, in der traditionellen ovalen Gänsepfanne  aus Gusseisen, in einem leicht gesalzenen Sud von Wasser und Gänsefett bei geschlossenem Deckel hörbar bruzeln. Dann entsteht das badische Meisterwerk, das vor allem Kinder in die höheren Regionen der gastronomischen Verzückung hinaufhebt. Die untere Kruste muss dabei bräunlich bis dunkelbräunlich sein (keinesfalls schwarz).

Mutter, Oma und Tanten waren zu dieser Hochleistung der Kochkunst selbstverständlich in der Lage. Väter spielten dabei keine Rolle, es sei denn, sie lieferten den Vorwand für die Zubereitung einer köstlichen Weißweinsoße, die Männer so liebten und an der auch Kinder manchmal naschen durften. Neben der Weinsoße gab es noch eine kindgerechte Soße aus Dörrobst oder eine köstliche Vanillesoße. Kann man sich vorstellen, was in einem Erwachsenen abgeht, wenn er nach Jahren der verlorenen Kindheit in einem Strandcafé unvermutet auf die verschollene Dampfnudel stößt? Er muss sie haben.

Dampfnudel adieu! 

Leider sind die Augen oft größer als das Misstrauen gegenüber einer eventuell industriell hergestellten Mampfnudel, die wie eine Fata Morgana vor den magensaftgefüllten Innereien des entwöhnten Dampfnudelessers schwebt. Die Dampfnudel kam, zusammen mit drei Löffeln. Der Anblick war schön. Leider schmeckte die Nudel wie ein vorprogrammiertes Industrieprodukt. Die Vanillesoße war unter aller Kanone. In meiner dampfnudelverzauberten Kindheit schmeckte eine Dampfnudel einfach fabelhaft. Die Qualität war immer auf gleicher Höhe. Mit dieser obigen Nudel habe ich für immer von meinem Kindheitstraum Abschied genommen. Besser keine Nudel als eine solche.










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