Sonntag, 28. Juni 2015

Nachrichten auf dem Klo: der Dauerschock

So ist es doch heute: man hat sein Radio dabei und wartet auf die Nachrichten, auch wenn man sich auf der Toilette befindet. Nicht nur wegen der vollen Stunde, sondern des stillen Örtchens. Dann tritt eine Art Hierarchie ein: zuerst die wichtigsten nationalen oder internationalen News, mit Grabesstimme, Neutralität verheißend, vorgetragen. Damit ist die Information eine offizielle Ansage, an der nicht mehr gezweifelt werden kann.

Antike Toilette als Nachrichtenbörse

Das Fernsehen hat ebenfalls seine Nachrichtenzeiten. Das beginnt mit einer Erkennungsmelodie, die oft etwas pompös ausfällt. Manchmal sind die Sprecher/innen aufgemacht wie strafversetzte Laufstegtiger. Nicht zu viel und nicht zu wenig. Manche schieben ein dünnes Lächeln vor sich her. Es soll vermieden werden, Stellung zu beziehen, was die Nachricht als solche betrifft. Diese nimmt heute den gleichen Platz in unserem Leben ein, wie einst die Religion, nur dass nicht gewertet werden darf.

Andererseits sind wir der Nachrichtenmaschinerie pausenlos ausgesetzten wissen nicht so recht, was mit uns geschieht. Eine Sensation jagt die andere: Flugzeugabstürze, Mord und Attentate, Politskandale, Affären, Statistiken. Wollen wir das? Brauchen wir das? Was geschieht mit uns, wenn wir täglich berieselt werden? Wer regelmäßig Nachrichten hört und sieht, weil wir, süchtig wie wir sind, auf dem neuesten Stand sein müssen, hat noch mit etwas anderem zu tun: Stündlich wird alles wiederholt und aufgearbeitet. Auf dem Klo erfährt man womöglich, ein paar Minuten nachdem es geschehen ist, schon von dem Tsunami mit hunderttausenden von Opfern. Da bleibt man am Ball. Die ersten Bilder werden gezeigt. Nur Königshäuser halten sich ein wenig zurück, bevor sie das Neugeborene vor die Kameras lassen. Das kann schon ein paar Tage dauern, bis der öffentliche Druck zu groß wird.


Damit wurden noch Depeschen ausgeliefert 

In all dem liegt eine angsterregende Gesetzmäßigkeit. Was, wenn eine Nachricht getürkt ist? Ein Politskandal einseitig dargestellt wird? Vorverurteilungen vermutet werden müssen? Wie entsteht unser Weltbild? Ist es noch unser Weltbild? Es wird doch von anderen gemacht. Unsere ständigen Ängste, Tabus zu überschreiten, werden täglich bedient: hier der Vater, der Frau und zwei Kinder mit der Axt erschlägt. Dort der Filmstar, der zum sechstenmal heiratet. Dann, der honorige Priester, der Knaben missbraucht und der Bankangestellte, der Millionen veruntreut. Manchmal kann man am Bildschirm das Bedauern erkennen, dass nicht das ganz Schlimme eingetreten ist. Dass eine Nachricht nur halb zur Verfügung steht.

Die täglichen Nachrichten machen uns zu süchtigen Produkten. Wer wir sind, können wir nur noch aus den Informationen erschließen, die wir erhalten. Die Medien sagen uns, wer wir sind. Sie bestimmen, was uns zu interessieren hat. Wird uns auch etwas vorenthalten? In der Politik ganz sicher! Im Geschäftsgehabe ebenfalls. Die Nachricht wäre, dass Bio genau das Gegenteil davon ist. Beweise werden nicht geliefert. Selten hört man auch etwas über die tägliche Herstellung von Nachrichten. Das bleibt das Geheimnis der Macher. Die begrüßen uns täglich mehrere Male und wünschen uns einen schönen Tag.











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