Mittwoch, 29. Mai 2013

Ich war in der Hitlerjugend

Nicht nur sagt das alles über mein Alter aus, sondern auch über meine Gesinnung. Meine Mutter war nicht glücklich darüber, als ich ihr mit fünf erklärte, ich würde in die HJ eintreten. Meine Gründe waren nicht von Pappe: ich wollte das blecherne Edelweis, das man beim Eintritt erhielt, um es an meine Mütze stecken zu können. Ich erhielt es und musste am Sonntagmorgen auf den Schulhof zum Appell. Da ich der Kleinste war, durfte ich ganz rechts in der Reihe stehen und beim Ausrufen meiner Nummer Eins den Kopf mutig nach links werfen, damit der nächste mit der Nummer Zwei dasselbe tun konnte. Als Mama nach zwei Wochen meine aufkommende Langeweile richtig interpretiert hatte, schlug sie vor, diesen Verein wieder zu verlassen. Ich war da immer noch fünf Jahre alt.

Max Ernst, leicht entartet

Muss ich mich jetzt schämen? Immerhin hat Mama verhindert, dass ich ein Nazi wurde. Erst vor kurzem erfuhr ich, dass man erst mit 10 Jahren Mitglied der HJ werden konnte. Wo war ich also? Das Attentat auf Adolf Hitler habe ich auch mitbekommen, obwohl man einem Kind nichts erklärte. Wir waren im Garten. Da kam Herr Löffler (der Name wurde nicht geändert!) und rief Mama zu: "Heute wurde auf unseren Führer ein Attentat verübt. Der Führer ist am Arm verletzt". Etwas Schlimmes muss geschehen sein, und niemand machte sich die Mühe, mir zu erklären was ein Attentat war.

Dafür verstand ich, was ein älterer Herr zu einer Frau sagte, die ich nicht kannte. "Die Polinnen sind hübsch aber dreckig". Natürlich wusste ich nicht, was eine Polin war. Aber viel später fand ich heraus, dass Polinnen auch sauber sein können, nicht nur hübsch. Man lebt selbstverständlich glücklicher mit Fehlinformationen und Vorurteilen. Die Wirkung auf kleine Kinder bleibt nie aus. Vielleicht hat der Führer deshalb so viel Wert auf seine Baby-Hitler-Jugend gelegt, weil das der sicherste Weg war, die kleinen Dinger zu strammen Parteigängern zu machen. Das ist allerdings auch bei den Jungpionieren in der DDR letztendlich schief gelaufen.








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